Wo ist das Christkind ?
Foto: Catharina Volkert
„Sagen Sie mal, da fehlt doch das Kind!“ Eine Frau mit einer knallgrünen Mütze auf dem Kopf blickt Christiane Strunck und Martin Hievecke etwas empört an. Sie ist nicht die erste, die diese Beobachtung an diesem Nachmittag macht. Die Krippe ist leer im Advent auf dem Weihnachtsmarkt in Kiel, auf dem Asmus-Bremer-Platz. Denn es ist ja noch nicht Weihnachten.
Zum 21. Mal gibt es die Kirchenhütte auf dem Weihnachtsmarkt. „Wir haben damals ein ganz niedrigschwelliges Angebot gesucht, um als Kirche zu den Menschen zu kommen“, erinnert sich Martin Hievecke. „Wir wollten raus in die Welt.“ Er selbst hat auch vor einigen Jahren einen kleinen Turm für das Dach der Hütte gebaut, in dem ein gelber Stern leuchtet. „Unser Kirchturm“, erklärt er lächelnd. So soll sich die Kirchenhütte von den anderen Buden abheben.
Hievecke und Strunck sind katholisch, wie auch die Hütte zunächst ein Angebot der katholischen Pfarrei Franz von Assisi war. Vor sechs Jahren ist der Kirchenkreis Altholstein dazugestoßen. „Weihnachten ist ein christliches Fest. Da ist es selbstverständlich, dass wir als Kirche dabei sind“, sagt Kiels Pröpstin Almut Witt, die regelmäßig auf dem Markt eine Schicht besetzt.
Maria, Josef, drei Schafe, ein Ochse und eine Krippe, die mit einem Schafsfell ausgelegt ist, wurden liebevoll im Stroh drapiert. Durch eine Glasscheibe sind sie gut zu erkennen. Die Hütte ist halbseitig geöffnet. Wer möchte, kann aus nächster Nähe die Figuren bestaunen. Lichter beleuchten sie zu den Öffnungszeiten des Marktes, auch, wenn niemand aus dem ökumenischen Team vor Ort ist.
Mit Schmalzkuchen und Glühwein zum Stall
„Meine Mutter ist mit diesen Krippenfiguren großgeworden“, erzählt Martin Hievecke. Er schätzt, dass sie mehr als 120 Jahre alt sind. Nicht nur ein abgebrochenes Horn am Kopf des Ochsen zeugt von seiner Geschichte, in der die fast meterhohen Schnitzereien unter anderem im Keller der St. Nikolaus-Kirche lagerten.
Drei junge Erwachsene schlendern nun an der Hütte vorbei, sie grinsen verstohlen, „wollen mal schauen“. Schmalzkuchen halten sie in der einen Hand, Glühweintassen in der anderen. Das heiße Getränk wird gegenüber der Hütte aus einer 12,5 Meter hohen Weihnachtspyramide heraus verkauft. „Unsere Kirche gehört mitten in unsere Gesellschaft hinein. Und gerade zwischen Verkaufsständen ist es wichtig, an den eigentlichen Anlass der Weihnachtszeit zu erinnern“, sagt Pröpstin Witt. Zudem biete die Kirchenhütte so manchen eine willkommene Gelegenheit, einen Moment Pause zu machen zwischen Einkäufen und Glühwein.
Ein Mann läuft vorüber, zückt sein Handy, fotografiert durch die Scheibe die Krippe, geht weiter. „Manche Leute nehmen uns auch nur aus dem Augenwinkel wahr“, meint Christiane Strunck. „Ich denke immer, dass die Krippe etwas mit ihnen macht.“ Denn die Krippe, sie steht für Jesu Geburt, für Weihnachten. „Unser Ziel ist es hier, Weihnachten zu erklären.“
Wer es genau wissen will, findet Antworten. Die Kleinen in Bilderbüchern oder auf einer Klapppostkarte. Die Erwachsenen können die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium auch auf einem Flyer mitnehmen. Zugleich sei hier oft die Rede von Maria und Josef oder dem Hirten auf dem Felde, sagt Almut Witt. „Am meisten freut es mich, wenn die Kinder ihren Eltern erklären, welche Bedeutung die Figuren der Krippe denn haben und ihnen die Weihnachtsgeschichte erzählen.“
Ein Mädchen nähert sich schüchtern der Krippe und greift dabei die Hand ihrer Mutter. „Möchtest Du mal ein Schaf halten?“, fragt Martin Heviecke. Es nickt und lässt sich von Hievecke die Figur in den Arm legen.
Manche legen das eigene Kind in die Krippe
„Manchmal legen hier auch junge Familien ihr Baby in die Krippe und fotografieren es“, erzählt Hievecke später. Neulich erst war ein muslimisches Paar da. Schnell entfachte sich ein interreligiöses Gespräch über Maria und Josef, die sie als Myriam und Yusuf kennen.
In einer Schale, die mit Sand gefüllt ist, brennt ein Teelicht. Wer möchte, kann hier weitere entzünden.
Auf dem Plan des Betreibers heißt die Kirchenhütte „Raum der Stille“, erzählt Hievecke. Ein bisschen stimmt das auch. Er habe gerade am Tag zuvor lange mit einem Mann gesprochen, der um seine verstorbene Frau trauert. „Wir stehen für Gespräche bereit, das heißt: Seelsorge“, sagt auch Pröpstin Witt.
Christiane Strunck hat bereits ihre Thermoskanne eingepackt und hat sich verabschiedet. Da nähert sich wieder ein kleines Mädchen der Kirchenhütte. „Wo ist denn das Jesuskind?“, fragt es.
Info: Die Weihnachtshütte ist bis zum 23. Dezember täglich von 12 bis 20 Uhr besetzt. Samstags um 15 Uhr gibt es besondere Angebote. Am 16. Dezember spielt ein Posaunenchor, am 23. Dezember wird eine Märchenstunde für große und kleine Leute angeboten.