Debatte um Kirchensteuer

Woher kommt künftig das Geld?

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Das deutsche Kirchensteuersystem ist ständig in der Kritik. Dabei profitieren Staat und Kirche davon. Mit den Einnahmen werden Schulen, Kitas und Beratungsangebote finanziert. Was passiert, wenn die Steuer wegfällt – oder sie geringer ausfällt?

Foto: imago/Hubert Jelinek
Geld für Sanierung: Auch dank der Kirchensteuer sind im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in Deutschland viele Kirchen gut erhalten. Foto: imago images/Hubert Jelinek


Auf den ersten Blick ist es widersprüchlich: Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt stetig, während  die Kirchensteuereinnahmen steigen. 2021 hat die katholische Kirche in Deutschland 6,7 Milliarden Euro Steuern eingenommen. Fast so viel wie im Rekordjahr 2019 vor Corona. 

Mitglieder- und Finanzentwicklung entkoppeln sich, weil die Kirchensteuer an der Lohn- und Einkommenssteuer hängt. Und die ist aufgrund der guten Konjunktur der vergangenen Jahre ständig gestiegen. Ein weiterer Grund ist die Demoskopie: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer sind – noch - auf dem Höhepunkt ihrer Berufslaufbahn, viele von ihnen haben gute Einkommen. 

Das deutsche Kirchensteuersystem ist weltweit fast einmalig. Darüber wird bei uns die kirchenrechtliche Pflicht, die Kirche finanziell zu unterstützen, abgegolten. Dass die Kirchen Steuern erheben können, ist im Grundgesetz festgelegt. Der Staat zieht sogar die Steuern ein. Dafür erhält er eine Aufwandsentschädigung zwischen zwei und vier Prozent des Kirchensteueraufkommens. Eine Win-win-Situation für Staat und Kirche. 

Dennoch ist das Kirchensteuersystem ständig in der Kritik. Zu eng sei dadurch die Verbindung zwischen Staat und Kirche, ist ein Argument. Das andere, wohl schwerwiegendere: Die automatisch fließende Steuer macht träge. Es ist egal, ob ein Pfarrer mit schlechten Predigten die Menschen vergrault, ob sich eine Gemeinde wirklich um ihre Mitglieder kümmert, ob eine Bistumsverwaltung mehr mit sich selbst als mit dem Wohl der Menschen beschäftigt ist. Die Steuern fließen trotzdem. 
In einer Umfrage sprachen sich jetzt 67 Prozent der Befragten für die Abschaffung der Kirchensteuer aus. In der „Bild“-Zeitung sagte der Eichstätter Bischof Gregor-Maria Hanke: „Die Kirche ist gut beraten, nach Wegen alternativer Finanzierung zu suchen, da das deutsche Kirchensteuersystem kein Zukunftsmodell ist.“ 

Spenden können zu Abhängigkeiten führen

Doch was sind Alternativen? Welche Folgen hätte ein Wegfall der Kirchensteuer? Viele Sozialeinrichtungen der Kirchen wie Altenheime oder Krankenhäuser werden komplett staatlich finanziert. Eine Implosion des Sozialstaates droht ohne Kirchensteuer nicht. Aber die verlässlichen Einnahmen sorgen dafür, dass andere Einrichtungen, etwa Sucht- oder Erziehungsberatungsstellen, betrieben werden können. Ebenso steckt in vielen Kindertagesstätten oder Schulen viel Kirchensteuer. Und in der Seelsorge. Und wer den Zustand deutscher Dorfkirchen mit dem in anderen Ländern vergleicht, sieht, dass die Kirchensteuer auch hilft, Kulturgut zu erhalten. 

Das kann man auch mit Spenden finanzieren. Aber die sind nicht so verlässlich. Außerdem könnten sie zu Abhängigkeiten von Geldgebern führen. Viele Arbeitsplätze und gute Angebote für die Gesellschaft hängen an der Kirchensteuer. Das gilt es bei der Suche nach Alternativen zu bedenken. Doch auch ohne Systemveränderung wird sich aufgrund der sinkenden Mitgliederzahl die Kaufkraft der Kirchen bis 2060 halbieren. Sie müssen lernen, mit weniger Geld auszukommen und andere Finanzierungswege suchen. 

Von Ulrich Waschki