Anfrage
Woher wissen wir, was Jesus in der Wüste erlebte?
Die einfachste Antwort wäre: Wahrscheinlich hat Jesus seinen Jüngern irgendwann davon erzählt. Und die haben die Geschichte dann weitererzählt. Und dann immer so weiter bis zu den ersten schriftlichen Texten über Jesus und bis zu den Evangelisten. Kann sein. Wir wissen es nicht.
Fachlich gesicherter ist Folgendes: Die Geschichte von der Versuchung in der Wüste gibt es bei drei Evangelisten: Markus, Matthäus und Lukas. Das Markusevangelium ist das älteste, geschrieben um 70 nach Christus. Bei Markus ist die Szene sehr kurz: „Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan in Versuchung geführt.“ (1,13). Mehr nicht.
Matthäus und Lukas kannten zehn bis 20 Jahre später die ganze Story. Woher, das kann man auch sagen: aus der Spruchquelle Q. Das ist eine Sammlung von Worten Jesu: Gleichnisse, Predigten, wohl auch die Gespräche mit dem Satan in der Wüste.
Das ist Problem ist nur: Von der Quelle Q gibt es kein überliefertes Manuskript. Es muss sie gegeben haben, denn Matthäus und Lukas kennen viel mehr Worte Jesu als Markus – und sie kennen dieselben Worte. Logische Konsequenz: Sie hatten neben Markus als erste Quelle für ihre Evangelien eine zweite schriftliche Quelle – eben die sogenannte Spruchquelle. Die aber ist verloren gegangen; was genau drin stand, wissen wir nicht.
Wir können allerdings davon ausgehen, dass das, was in der Spruchquelle stand, kein Protokoll der Vorkomnisse in der judäischen Wüste war. Es waren Ausfaltungen der Geschichte, die Markus erzählt und von der die historische Jesusforschung annimmt, dass sie im Kern stimmt: Jesus war vor seinem öffentlichen Auftreten längere Zeit in der Wüste und hat sich dort mit sich selbst, seiner Berufung, seinem Gott und seinen Dämonen auseinandergesetzt. Und hat sie besiegt.
Wer immer die Geschichte aufgeschrieben hat: Es ging ihm darum, wer Jesus ist: Ein frommer Mann, der das Böse überwindet, indem er die jüdische Bibel zitiert und sich als Mann Gottes erweist. Denn Gott ist stärker als der Teufel.