Krankenhausvertreter protestieren

Zerreißprobe im Bild dargestellt

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Fachkräftemangel, ausufernde Bürokratie und unzureichende Finanzierung belasten Kliniken massiv – Lage spitzt sich aufgrund von Inflation und Pandemie bedrohlich zu – Krankenhäuser fordern in gemeinsamer Aktion akute Hilfe von der Politik.


De Krankenhausvertreter Werner Lullmann (links am Transparent) und Ansgar Veer machen die Zerreißprobe deutlich. Foto: Matthias Petersen

Die Krankenhäuser in der Region Osnabrück/Emsland/Grafschaft Bentheim schlagen Alarm und wissen die übrigen Häuser in Niedersachsen an ihrer Seite: In Osnabrück haben sie heute gemeinsam unter dem Motto „Die Krankenhäuser stehen vor einer Zerreißprobe“ auf ihre massiv angespannte Lage aufmerksam gemacht und den dringend notwendigen Handlungsbedarf aufgezeigt.Anhand von zwei Lkw, zwischen denen ein Transparent gespannt war, auf dem ein Krankenhausbett zu sehen war, wurden die personellen und finanziellen Belastungen dargestellt, denen die Krankenhäuser derzeit ausgesetzt sind. „Die Situation ist so angespannt wie nie zuvor, weil die pandemiebedingten personellen und finanziellen Belastungen weiter ansteigen und die Energiekosten unsere Krankenhäuser extrem zusätzlich belasten, ohne dass es für diese Entwicklungen bisher einen finanziellen Ausgleich gibt. Unsere Lieferanten erhöhen nachvollziehbar ihre Preise, unsere Preise sind aber durch den Gesetzgeber gedeckelt“, sagte Werner Lullmann, Geschäftsführer der Niels-Stensen-Kliniken GmbH in seiner Funktion als Vorsitzender der Bezirksarbeitsgemeinschaft Osnabrück/Emsland/Grafschaft Bentheim der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG).

Hintergrund ist eine aus NKG-Sicht bedrohliche Zuspitzung der wirtschaftlichen Schieflage der Krankenhäuser durch starke Kostensteigerungen für Energie, medizinische Produkte, Medikamente sowie Lebensmittel. Aufgrund des starren Finanzierungssystems könnten die Krankenhäuser diese Mehrkosten nicht in Form von Preiserhöhungen weitergeben. Parallel dazu hätten die Kliniken nach wie vor mit gravierenden personellen und wirtschaftlichen Belastungen infolge der Corona-Pandemie zu kämpfen. Seit dem ersatzlosen Auslaufen des Corona-Rettungsschirms im Juni würden die finanziellen Einbußen jedoch nicht mehr abgefedert, heißt es in einer NKG-Mitteilung.

Drei Viertel der niedersächsischen Krankenhäuser in der Existenz bedroht

"Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie sowie eine ungenügende investitions- und reformbedürftige Betriebskostenfinanzierung" belasteten die Kliniken bereits seit Jahren, ohne dass eine Verbesserung absehbar sei, heißt es weiter . Im Gegenteil: Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser im Land verschlechtert sich zunehmend. Umfragen der NKG haben ergeben, dass inzwischen mehr als drei Viertel der niedersächsischen Krankenhäuser mittel- bis langfristig in ihrer Existenz bedroht sind. In den Vorjahren traf dies auf rund zwei Drittel der Krankenhäuser zu. Der NKG zufolge ist damit die aktuelle Situation für viele Krankenhäuser existenzgefährdend.

Wie die stationäre Versorgung unter den gegenwärtigen Bedingungen künftig flächendeckend und in der gewohnt hohen Qualität gewährleistet werden könne, sei fraglich. Angesichts einer erneut drohenden Pandemiewelle im Herbst und Winter und aufgrund der Folgen des Krieges in der Ukraine seienkurzfristig weitere finanzielle Unterstützungen für die Krankenhäuser erforderlich. Insbesondere werde in Zeiten steigender Preise ein Energiekosten- und Inflationsausgleich zur wirtschaftlichen Absicherung benötigt.

Über akute Hilfsmaßnahmen hinaus fordert die NKG, dass "mittelfristig das System der Krankenhausfinanzierung durch den Bund reformiert werden muss". Dieses setze Fehlanreize und habe den Krankenhäusern im bisherigen Verlauf der Pandemie Defizite beschert, die nicht mehr kompensiert werden könnten. Angesichts eines Investitionsstaus von 2,5 Milliarden Euro für Krankenhausbauprojekte in Niedersachsen sei darüber hinaus eine dauerhafte Erhöhung der Investitionsmittel durch das Land notwendig. Wichtige Investitionen etwa für Digitalisierung und Klimaschutz könnten die Krankenhäuser nicht aus eigener Kraft aufbringen.

Entscheidend für die Krankenhäuser seienzudem politische Weichenstellungen für eine bessere Personalausstattung. Die Pandemie habe gezeigt, dass mit Blick auf die Versorgungssicherheit das Personal der limitierende Faktor ist. „Die Beschäftigten in den Krankenhäusern sind im dritten Jahr der Pandemie mit ihren Kräften am Ende. Wiederholte Phasen extremer Belastung haben angesichts dünner Personaldecken deutliche Spuren bei den Mitarbeitenden hinterlassen. Aufgrund der Corona-Sommerwelle und den damit einhergehenden Personalausfällen zeichnet sich auch jetzt keine Atempause für die Beschäftigten ab. Mit Blick auf den Herbst ist das besorgniserregend“, sagt Ansgar Veer, Hauptgeschäftsführer der St. Bonifatius Hospitalgesellschaft Lingen und bei der NKG der Stellvertreter Lullmanns. Nach Ansicht der Krankenhäuser ist es deshalb erforderlich, das Klinikpersonal schnellstmöglich von den umfangreichen bürokratischen Dokumentationspflichten zu entbinden. Die gewonnene Zeit könne unmittelbar für die Patientenversorgung genutzt werden. Die Krankenhäuser erhielten zudem mehr Spielraum in der Personalplanung, wenn Pflegepersonaluntergrenzen erneut ausgesetzt würden.

Politische Versprechen nur unzureichend eingelöst

Besonders bitter ist aus Sicht der Krankenhäuser, dass das politische Versprechen, mit der Einführung von Pflegebudgets für eine vollständige Finanzierung und damit bessere Arbeitsbedingungen der Pflegenden zu sorgen, bislang nur unzureichend eingelöst worden sei. In der Folge blieben die Krankenhäuser auf den Kosten für zusätzlich eingestellte Pflegekräfte sitzen. Aufgrund derzeit geplanter Haushaltskürzungen auf Bundesebene bestehe sogar die Gefahr, dass für weitere Berufsgruppen in der Pflege die Refinanzierung entfalle.

„Wichtig ist, dass die Politik jetzt schnell Klarheit zur Sicherung der Krankenhausfinanzierung schafft und Maßnahmen zum Bürokratieabbau auf den Weg bringt, weil sonst viele Krankenhäuser die besonderen personellen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Corona-Pandemie spätestens im Herbst nicht mehr meistern können“, betont Werner Lullmann. (kb)