Verfassungsgerichtsurteil zu Klimaschutzgesetz

Ziele zu verschärfen, reicht nicht

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Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz als in Teilen verfassungswidrig erklärt hat, kündigten Politiker schnelle Nachbesserungen an. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend fordert: Bei Lippenbekenntnissen darf es nicht bleiben.  

Aktivisten von Fridays for Future demonstrieren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Ihr Protest hat Erfolg: Aktivisten von Fridays for Future demonstrieren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Mitglieder der Bewegung hatten gegen das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung geklagt. 

Von Sandra Röseler 

Es ist ein bahnbrechendes Urteil: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das aktuelle Klimaschutzgesetz der Bundesregierung teilweise verfassungswidrig ist – weil es einen Großteil der Lasten der Klimakrise auf die Zeit nach 2030 verschiebt und so Freiheitsrechte der jüngeren Generation beschneidet. Geklagt hatten Umweltverbände und die von Jugendlichen angetriebene Klimaschutzbewegung Fridays for Future. Die Bundesregierung muss das Gesetz nun nachbessern. 

Das Urteil hat aber nicht nur Konsequenzen für die deutschen Klimaschutzziele – es könnte ein Präzedenzfall für Generationengerechtigkeit werden, sagt Gregor Podschun, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): „Erstmals werden Freiheitsrechte nicht nur unter dem Aspekt betrachtet, wie es heutigen, sondern auch wie es zukünftigen Generationen geht.“ Podschun hofft, dass das Urteil künftig auch andere Generationenkonflikte beeinflussen wird: beispielsweise, wenn es um die Finanzierung der Rentenbeiträge geht oder um die Frage, wer die Lasten der Corona-Krise tragen muss.

Das Urteil des Gerichts hat viele überrascht – und die Politik urplötzlich aktiviert: Innerhalb kürzester Zeit kündigten Vertreter fast aller Parteien an, mehr für den Klimaschutz tun zu wollen. Ende vergangener Woche stellten Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) Eckpunkte für ein überarbeitetes Klimaschutzgesetz vor. Bis zum Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen demnach um 65 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 reduziert werden – zehn Prozentpunkte mehr als bisher geplant. 2045 soll Deutschland vollständig treibhausgasneutral sein. Wie diese Ziele erreicht werden sollen, steht in dem Papier nicht. 

Kohleausstieg bis 2030 und massive Mobilitätswende 

„Das dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben“, sagt Podschun. „Es gibt längst Maßnahmen, die wir viel rigoroser umsetzen könnten.“ Der BDKJ fordert einen Kohleausstieg bis 2030, eine massive Energie- und Mobilitätswende, stärkeren Klimaschutz in der Landwirtschaft und im Bausektor. „Wir müssen das 1,5-Grad-Ziel unbedingt retten“, betont Podschun.

Und wie bewertet er es, dass es dafür eine Klage von jungen Aktivisten vor dem Verfassungsgericht braucht? „Das zeigt, dass die Politik Generationengerechtigkeit bislang überhaupt nicht im Blick hatte“, sagt Podschun. Die Belange junger Menschen müssten dringend ernster genommen werden.  Beispielsweise, indem das Wahlalter auf 14 Jahre herabgesetzt wird – und indem sich alle Parteien in ihrem Programm für die Bundestagswahl zum 1,5-Grad-Ziel bekennen. Doch auch hier werden Bekenntnisse allein nicht reichen, sagt Podschun: „Wir erwarten, dass sie das dann auch umsetzen und nicht in Koalitionsverträgen aufweichen.“