Gabriele Vogt hat über Marianne Nowak recherchiert

Zwischen den Zeilen

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Schauspielerin, katholische Journalistin, weltoffene Frau im Spannungsfeld zwischen Kirche und Nationalsozialismus. Gabriele Vogt hat über Marianne Nowak recherchiert und legt erste Ergebnisse vor.


Marianne Nowak schrieb für das „Katholische Kirchenblatt für das Bistum Hildesheim“ bis zum Verbot der Zeitung.

Der Volksmund spricht vom „glücklichen Zufall“, Fachleute nennen es Serendipität. Wie auch immer – am Ende steht eine spannende Entdeckung, mit der man nicht gerechnet hat. Eine Erfahrung, die Gabriele Vogt vom Bistumsarchiv immer wieder macht. Eigentlich war sie diesmal auf der Suche nach Material über den Schriftsteller und Journalisten Josef Nowak, der unter anderem 1933 das „Katholische Kirchenblatt für das Bistum Hildesheim“ gegründet und bis zu seinem Verbot 1941 inhaltlich mitgestaltet hatte. „Bei meinen Recherchen bin ich immer wieder auch auf Artikel gestoßen, die mit M. Nowak unterzeichnet waren. Das machte mich neugierig: Wer verbirgt sich dahinter?“, sagt Gabriele Vogt. Bald war klar: Das „M“ stand für Marianne, die ihren Mann in der Redaktion unterstützte.

„Eine sehr gebildete und belesene Frau“

Schon beim Lesen ihrer ersten Artikel merkte Gabriele Vogt, dass sie es da mit einer bemerkenswerten Person zu tun hat. In ihrer Freizeit ging sie der Sache auf den Grund – und am Ende kam sie zu dem Schluss: „Marianne Nowak war eine gebildete und belesene Frau, die ihr breites Wissen der Leserschaft weitergeben konnte. Dass ihr in der damaligen Zeit so viel Raum in einer katholischen Zeitung eingeräumt wurde, war schon ungewöhnlich.“
 


„Marianne Nowak war eine weltoffene und mutige Frau“, sagt Gabriele Vogt.

Ein interessantes Leben hatte Marianne Nowak bereits hinter sich, als sie nach Hildeheim kam: Die gebürtige Dresdenerin, Jahrgang 1902, wuchs in einer Familie auf, die man durchaus zur katholischen Oberschicht zählen konnte, hat Gabriele Vogt aus Quellen zusammengetragen. Später zog es sie nach dem Studium nach Schneidemühl. Hier arbeitete sie als Schauspielerin am Theater, hier lernte sie auch ihren späteren Mann kennen. Nach der Hochzeit zog sie mit ihm durch halb Deutschland, weil er in wenigen Jahren mehrere Redaktionsstellen besetzte, 1929 ging es dann nach Hildesheim, wo das Paar endlich heimisch wurde. Nach einigen Redakteursjahren bei der Hildesheimischen Zeitung wurde Josef Nowak von Bischof Nikolaus Bares mit der Gründung einer katholischen Zeitung beauftragt. Sie sollte sozusagen ein Gegengewicht sein zu der inzwischen von den Nationalsozialisten vereinnahmten und gleichgeschalteten Presse.

Ein Spannungsfeld, in das auch Marianne Nowak eingebunden war – auch wenn es auf den ers­ten Blick so aussieht, als wäre sie eher für den unverfänglichen Teil des Inhalts zuständig gewesen: nämlich zunächst für die Frauen-, später für die Kinder- und Jugendseite. „Dieser Eindruck täuscht“, sagt Gabriele Vogt nach der Lektüre der vorliegenden Jahresbände. Und kann das mit zahlreichen Beispielen untermauern.

 

„Keine schlechten Bilder über dem Sofa“

„Jede Frau ist auch eine Innenarchitektin, wenn sie ihr Heim gestaltet und schmückt“, schreibt Marianne Nowak beispielsweise und gibt einen nur auf den ers­ten Blick unverfänglichen Tipp. Sie empfiehlt nämlich, „keine schlechten Bilder“ über das Sofa zu hängen, sondern nur solche von sympathischen Menschen, die man gut kennt. Die Rede ist von einer Zeit, in der das Porträt Hitlers ganz selbstverständlich in der guten Stube erwartet wurde.

In einem anderen Beitrag unternimmt Marianne Nowak eine Reise um die Welt – am Beispiel des Gewürzregals in der Küche. „Es wird eine Reise in die Länder der Völker, die laut Ideologie der Nationalsozialisten zu den minderwertigen Rassen gehörten“, lenkt Gabriele Vogt den Blick auf damals äußerst unerwünschte Schilderungen. Den Rassenwahn greift Marianne Nowak auch in einem Beitrag über die Tierwelt auf: „Alle Geschöpfe sind von Gott gewollt“, erläutert sie. Wenn sie über die Fronleichnamsprozession schreibt, stellt sie in den Vordergrund, dass die Menschen sich freiwillig in den Zug einreihen, um Christus zu folgen und stellt fest: „Wenn wir meinen perfekt zu sein, dann ist das ein großer Irrtum.“ Ein anderes Mal schildert sie begeistert die französische Mode, die so gar keine Ähnlichkeit hat mit dem propagierten Schönheitsideal der deutschen Frau jener Jahre. „Der ein­engenden Ideologie der Nazis stellt Marianne Nowak in ihren Artikeln immer die Weltläufigkeit gegenüber“, fasst Gabriele Vogt zusammen. Später erläutert sie in einem Beitrag für Kinder, wie sie Weihnachtssterne falten können – die nach der Anleitung auffallende Ähnlichkeit mit einem Judenstern haben …

Obwohl Marianne Nowak in erster Linie in Symbolik und zwischen den Zeilen formuliert, ist das – so bringt es Gabriele Vogt auf den Punkt – durchaus eine Form von Widerstand gewesen.  „Es gab nicht viele, die sich getraut haben, wenigstens auf diese Weise das System zu kritisieren.“  Gut möglich, dass Josef Nowak manchmal zur Vorsicht gemahnt hat; denn der wusste genau, wie die Nazis reagieren konnten: Mehrfach wurde er zum Verhör in den berüchtigten Verhörkeller der Gestapo geholt.

Auf der Suche nach Fotos von Marianne Nowak ist Gabriele Vogt noch nicht fündig geworden. „Vielleicht entdecke ich das eine oder andere bei meinen weiteren Recherchen. Denn mit dieser ungewöhnlichen Frau werde ich mich noch weiter beschäftigen. Sie ist eine ungewöhnliche und starke Frau in der Geschichte unseres Bistums.

Stefan Branahl

 

Lesenswertes Porträt
Ein Porträt über Marianne Nowak ist im „Hildesheimer Kalender 2020“ erschienen. Gabriele Vogt stellt in dem „Jahrbuch für Geschichte und Kultur“ ihre ersten, aber umfangreichen Recherchen über die ehemalige Mitarbeiterin des „Katholischen Kirchenblattes“ in einem sehr lesenswerten Artikel vor.