Bischöfe und christliche Verbände fordern neue Schutzkonzepte und Zuwendung für Sterbewillige

Zwischen Leben und Tod

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Abstimmung im Bundestag zur Suizidbeihilfe
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Foto: imago/epd

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Ergebnis intensiver Diskussionen: die Abstimmung im Bundestag über die Suizidbeihilfe

Die Suizidbeihilfe bleibt in Deutschland ungeregelt. Im Bundestag hat keiner der beiden Gesetzentwürfe die notwendige Mehrheit gefunden. Die Reaktionen von Kirchenvertretern zeigen, wie komplex und sensibel das Thema ist.

Die katholische Kirche hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass Selbsttötung keine Option für sie ist. In den Reaktionen auf das Scheitern der beiden Vorlagen zur Regelung des assistierten Suizids im Bundestag zeigt sich allerdings das Dilemma im Umgang mit dieser Frage.

So äußerten kirchliche Spitzenvertreter ihr Bedauern über die Ablehnung des restriktiveren Gesetzentwurfs von Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU). Andere Kirchenvertreter begrüßten wiederum das Scheitern aller staatlich geregelten Verfahren für den Zugang zu tödlichen Mitteln – gleich wie streng. Denn für sie überschreitet jede Art von Zustimmung zu einem solchen Verfahren eine rote Linie. Ob sich allerdings ihre Hoffnung erfüllt, dass es in Zukunft eine Regelung geben wird ohne jede Zustimmung zur Suizidbeihilfe, steht auf einem anderen Blatt.

Suizid ist in Deutschland nicht verboten und entsprechend ist auch die Beihilfe erlaubt. Der Bundestag hatte allerdings 2015 das Verbot einer auf Wiederholung angelegten geschäftsmäßigen Beihilfe beschlossen, welches das Bundesverfassungsgericht fünf Jahre später kippte. 

Kultur der Zuwendung bleibt wichtig

In dem Urteil postulierten die Richter 2020 erstmals ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben – unabhängig von Alter, Krankheit oder individueller Begründung. Dazu könne der Sterbewillige auch die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen. Zugleich empfahlen sie dem Gesetzgeber, ein Schutzkonzept zu verabschieden.

Während ein Gesetzentwurf von Abgeordneten der Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) auf eine Umsetzung dieses Grundrechts zielte, ging es Castellucci und Heveling um das Schutzkonzept. Aber auch sie legten ein Verfahren vor, das regelt, wer unter welchen Voraussetzungen ein tödliches Mittel erhalten kann.

Dabei setzten sie auf ein Verbot der Beihilfe im Strafgesetzbuch, ließen aber Ausnahmen zu. Straffrei wäre so eine Beihilfe gewesen, wenn der Suizidwillige sich dreimal durch Fachleute beraten lässt und lange Fristen einhält. Für die Kirche eröffnete sich damit die Frage, ob man um des Schutzes vieler vulnerabler Menschen willen eine Mitwirkung an der Suizidbeihilfe duldend in Kauf nehmen kann. Hier zeigt sich ein Konflikt, der an den um die Schwangerschaftskonfliktberatung erinnert.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, zeigten sich offen für einen solchen Kompromiss – offenbar mit dem Hintergedanken, dass eine andere Lösung, die ohne Kompromisse der kirchlichen Lehre entsprechen würde, ohnehin chancenlos sei.

So forderte Bätzing nach dem Scheitern ein „ausbalanciertes gesetzliches Schutzkonzept“, das die Freiverantwortlichkeit des Suizidwunsches so weit wie möglich gewährleistet und zugleich ein dem Leben zugewandtes Gesamtklima und eine Kultur gegenseitiger Zuwendung bewahrt. Stetter-Karp klagte, „dass keine Entscheidung für ein Gesetz fiel, das auf eine klare Regelung der Suizidassistenz zielt“. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte eine Regelung, in der Selbstbestimmung und Lebensschutz „gut ausbalanciert werden“. Dagegen betonte die Aktion Lebensrecht für Alle: „Nicht die Hilfestellung zum Suizid, sondern die Unterstützung bei der Entwicklung von Lebensperspektiven ist dringend geboten. Es ist Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass dies gewährleistet wird.“ 

Ungeteilte Zustimmung fand der Entschließungsantrag zur Stärkung der Suizidprävention. Kirchen und Verbände hatten ein Präventionsgesetz verlangt. Gerade hierin sehen jene, die eine gesetzliche Suizidregelung ablehnen, den Damm gegen eine Normalisierung, weil von hier die Botschaft ausgehe, dass Betroffene „Hilfe zum Leben brauchen und nicht zum Sterben“.

Hilfenetzwerke sollen gestärkt werden

Fuldas Bischof Michael Gerber bekräftigte, dass der assistierte Suizid „auf der Basis unseres Gottes- und Menschenbildes“ keine Option sei. Er setzte sich im Sinne der Prävention für wirksame Hilfenetzwerke von Sozialstationen, Hospizdiensten, Palliative Care, Trauerarbeit sowie von vielfältigen Formen von Beratung und Begleitung ein. 

Für die Kirche sei es zudem wichtig, dass eine Neuregelung durch eine umfassende Schutzklausel ergänzt werde, sagte Gerber: „Wir brauchen gesellschaftlich die Klarheit, dass kirchliche Einrichtungen Menschen wirksam helfen, ohne sich mit der Möglichkeit noch auseinandersetzen zu müssen, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen.“

Christoph Scholz