Entdeckungen bei Sanierung

Manches ist älter als vermutet

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Baufachleute im Dachstuhl der Stiftskirche
Nachweis

Foto: Uwe Kraus

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Janine Schwarz und Carsten Sußmann im Dachstuhl des Seitenschiffs der Hamerslebener Stiftskirche.

Bei der Sanierung der Hamerslebener Stiftskirche haben Bauleute auch Unerwartetes entdeckt. Unser Autor ist mit Experten auf den Dachstuhl der Basilika an der Straße der Romanik gestiegen.

Als „Kleinod ursprünglicher romanischer Baukunst“ bezeichnet die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt die Stiftskirche St. Pankratius am Rande von Hamersleben im westlichen Bördekreis. Für die katholische Gemeinde, die die Kirche nutzt, ist sie „die schönste des ganzen Bistums“.   

Eisiger Wind fegt über den Klosterhof. Planen am Gerüst schützen das südliche Seitenschiff, ein Schutzdach ermöglicht, dass auch bei schlechter Witterung am Dachstuhl gearbeitet werden kann. Janine Schwarz, Baureferentin der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, und der Planer und Bauleiter Carsten Sußmann stehen ganz oben auf dem Gerüst, während unten, unweit des Kreuzganges, an diesem Dezembertag eine Schafherde friedlich nach grünen Halmen im Schnee sucht und blökt. Die beiden Bauexperten weisen auf eine Kriechöffnung, eine enge Luke in rund zehn Metern Höhe.  
 

Dachstuhl wird bald zugänglicher


„Immer ein Innengerüst aufbauen zu müssen und durch die Öffnung zu steigen, erschwere allerdings eine regelmäßige Begehung – etwa für Wartungszwecke“, findet Janine Schwarz. Aktuell sanieren die Zimmerleute den Dachstuhl, und das Seitenschiff wird neu eingedeckt. Dabei entsteht ein neuer beleuchteter Zugang, der künftige Wartungsarbeiten vereinfacht, mit Verbindung zum Hauptschiffdach.  

Janine Schwarz zeigt, wo es undichte Stellen gab, durch die viel Wasser eindrang und wertvolle Ausstattungstücke in Mitleidenschaft zog. „Wir sind froh, dass wir das Seitenschiff nun komplett sanieren können“, sagt die Baureferentin. Schon seit 1997 gab es immer wieder einzelne Reparaturen an den Dächern des Hauptschiffs, des Chores und der Vierung.   

Im Zuge der umfassenden Seitenschiff-Sanierung sollen nun auch die sieben südlichen Obergadenfenster restauriert werden, erläutert Carsten Sußmann. Der mit Fenstern durchbrochene Obergaden befindet sich über den Dächern der Seitenschiffe.  

Augustiner-Chorherren gaben den Bau ihrer Stiftskirche im Jahr 1112 in Auftrag. Dass sie 28 Jahre später komplett stand, nötigt dem Bauingenieur großen Respekt ab. Drei Jahrhunderte später war eine große Sanierung fällig. Wie fast alle Klöster wurde das Stift 1804 säkularisiert, der Grundbesitz in eine Staatsdomäne umgewandelt. Das Chorherrenstift wurde aufgehoben, der Prior und die Konventualen gingen in Pension, das Gotteshaus wurde zur katholischen Pfarrkirche. Die Bauarbeiten ermöglichen seit Mitte Oktober Einblicke in Winkel, die vorher nur schlecht zugänglich waren. Nachdem die Bauleute die alte schadhafte Dachdeckung abgebrochen und die massiven Sparren und Balken freigelegt haben, können sie besser begutachten, in welchem Zustand alles erhalten ist. „Die Dachkonstruktion ist wesentlich älter als bisher vermutet“, sagt Janine Schwarz.   
 

Gruß der Zimmerleute von 1930


Dies habe man an der Art, wie Balken und Sparren ineinandergreifen, festgestellt. Die Konstruktion könne bis ins 17. oder sogar bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen. Um diese Vermutung zu erhärten, wurden je zehn Eichenbohrkerne und Nadelholzscheiben für eine „dendrochronologische“ Analyse entnommen, mit deren Hilfe historische Bauteile datiert werden können. Dass die Holzteile im Dachstuhl so unerwartet gut erhalten seien, betrachtet die Baureferentin als Glücksfall für die Bauforschung.   

Holzschutzgutachter, Planer und Statiker hätten gemeinsam mit den Verantwortlichen der Unteren Denkmalschutzbehörde festgelegt, welche Teile der Dachkonstruktion original erhalten werden. Es handele sich dabei um drei Sparren, nahezu sämtliche Deckenbalken, einen Großteil der Mauerlatte, das Traufbrett und die Dachrinne.  
 

Im März soll Sanierung beendet sein


Bei den Arbeiten fand sich auch ein „Zimmermannsgruß“ aus dem dem Jahr 1930. Auf dem fast hundert Jahre alten Zettel waren die Namen all der Handwerker verzeichnet, die zu dieser Zeit an einer Balkensanierung mitgewirkt hatten. Trotz der Bauarbeiten kann die katholische Gemeinde von Hamersleben im Hauptschiff weiter uneingeschränkt Gottesdienste feiern. Auch der Zugang über die südliche Eingangspforte sei während der Sanierung jederzeit möglich, sichert Carsten Sußmann zu. Wenn das Wetter mitspielt, könnten die Zimmererarbeiten und das anschließende Dachdecken im kommenden März abgeschlossen sein.  

Uwe Kraus
 

Info: Edler Bau der Hochromanik


Die Stiftskirche Hamersleben ist eine Säulenbasilika mit Chor und tonnengewölbten Nebenchören, Querhaus und Langhaus mit Flachdecken, jedoch ohne Krypta. Mit ihrem Bauprogramm steht sie in der Tradition der Klosterkirche von Hirsau. Sie zeichnet sich durch schlanke Proportionen des Mittelschiffs und eine besondere Perfektion in der Steinbearbeitung aus. Eine Besonderheit der Hamerslebener Kirche ist, dass zwei Osttürme vorhanden sind, das ursprünglich geplante Turmpaar im Westen aber nicht ausgeführt wurde.

Abweichend vom mutmaßlichen Vorbild sind die Querhausarme niedriger als das Mittelschiff. Sie sind durch jeweils eine Doppelarkade und Chorschranken vom Mittelschiff getrennt. Typisch für die Hirsauer Bauschule ist der Schachbrettfries, der sich über sieben Arkaden des Langhauses zieht. Die östlichen Arkaden werden von einem Paar Pfeiler getragen, die den Chorus minor abgrenzen. Eine weitere Besonderheit ist die Ornamentik der Würfelkapitelle aus der Zeit um 1130, die in der kunsthistorischen Literatur eingehend gewürdigt wurde. Sie zeigen symbolhafte Darstellungen von Fabelwesen, Menschen und Tieren zumeist im Kampf miteinander sowie stilisierte Pflanzenornamente. Die Kapitellornamentik wird auf französische Anregungenzurückgeführt.

Die Hamerslebener Kirche wird im Reichtum und der Qualität der Ausführung dieser Ornamentik nur noch von der Stiftskirche in Königslutter übertroffen. Der Kunstführer Dehio bezeichnet sie als den „edelsten hochromanischen Bau in Mitteldeutschland.“

Quelle: Wikipedia