Dominik Trost ist Generalvikar im Bistum Erfurt

„Es stehen Entscheidungen an“

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Dominik Trost
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Foto: Eckhard Pohl

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Generalvikar Dominik Trost

Im Interview spricht er über seinen Dienst. Eine besondere Herausforderung sieht er darin, christliches Leben in der Region zukunftsfähig zu gestalten.

Herr Generalvikar, zunächst ein eher persönliches Szenario: Sie treffen einen Freund, der sich in der Kirche nicht so auskennt. Wie beschreiben Sie ihm, was Sie als Generalvikar zu tun haben?

Ich würde ihm sagen: Ich bin ganz nah am Bischof dran, bin in bestimmten Bereichen im Blick auf das Bistum sein Stellvertreter. Und ich leite das Ordinariat, also die Verwaltungsstelle des Bistums. Zu meinem Tagesablauf gehören viele Sitzungen. Dabei geht es um Finanzen, Bauangelegenheiten, Rechtliches, Personalfragen, Mitarbeiter des Ordinariats. Bei allen diesen Aufgaben möchte ich im Gespräch bleiben mit den Verantwortlichen in den Pfarreien, aber auch mit den Vertretern der Abteilungen im Ordinariat.

Sie waren 20 Jahre als Seelsorger tätig. Wie erleben Sie Ihre neue Aufgabe?

Ich war ja die letzten Jahre Pfarrer in der Pfarrei „St. Anna“ Lengenfeld unterm Stein mit sechs Kirchorten. Da gab es auch schon eine Menge Verwaltungsaufgaben. Manches ist für mich also nicht so neu. Als Generalvikar habe ich inzwischen einen gewissen Überblick über das Bistum gewonnen, zum Beispiel über die schwierige Personalsituation und gleichzeitig die hohen Personalkosten, die uns zunehmend in unserer Handlungsfähigkeit einschränken. Aber es gibt auch immer noch Neues, was auf mich zukommt. Bei alledem versuche ich – und tue es gern –, wo nötig am Wochenende Gottesdienste zu übernehmen. Ich werde zu Silberhochzeiten angefragt, gestalte den Familienosterkurs im Marcel-Callo-Haus mit. Alles in allem: Ein Anfang ist gemacht.

Eine Frage, die sich aufdrängt: Könnte angesichts fehlender Priester Ihren Dienst nicht auch ein versierter Laie übernehmen?

Bischof Ulrich Neymeyr wollte – und das ist gut nachvollziebar – für die Aufgabe bewusst jemanden haben, in dem das Herz eines Pfarrers schlägt, zum Beispiel, wenn es um finanzielle Entscheidungen im Blick auf die Gemeinden geht. Ich habe aber Mitarbeiter, die meine Aufgabe sicher auch gut übernehmen könnten. Das Kirchenrecht sieht das jedoch nicht vor.

Die Verwaltungsaufgaben in den Gemeinden und sicher auch im Bistum scheinen immer mehr zu werden …

Das empfinden viele so. Doch im Sinne von Transparenz und Fairness ist es nötig, sich an die steuerrechtlichen Vorgaben in der Rechnungslegung zu halten. Und um Missbrauch vorzubeugen, braucht es eben regelmäßige Schulungen. Auch der Datenschutz hat seine berechtigten Gründe. Ein weiteres großes Thema ist der Arbeitsschutz: Sichere Leitern, überprüfte elektrische Geräte, intakte Feuerlöscher …

Was macht Ihnen in Ihrer neuen Aufgabe besondere Freude?

Es ist ein gutes Gefühl, mitgestalten zu können. Freude macht mir, den Menschen in den Pfarreien zuzuhören, mit ihnen angesichts von Problemen Kompromisse zu suchen und Lösungen zu finden. Und dabei Ideen zu entwickeln, wie angesichts zurückgehender Ressourcen das Leben in den Kirchorten weitergehen kann.

Was hat Sie in Ihrem neuen Dienst überrascht, womit hatten Sie überhaupt nicht gerechnet?

Mein Vorgänger Raimund Beck hat mich einen Monat lang in die Aufgaben eingearbeitet. Ein schwieriger Tag dabei war für mich, mit ihm auf die Missbrauchsfälle unseres Bistums zu schauen. Die Sorge um die Betroffenen möchte ich mir, gemeinsam mit den Verantwortlichen, zur Aufgabe machen. Der Umgang mit diesem Thema wird für die Zukunft unserer Kirche entscheidend sein. Vertrauen zurückzugewinnen ist eine große Herausforderung.
Positiv überrascht war ich hingegen, dass wir als Bistum finanziell so gewirtschaftet haben, dass wir für die nächsten Jahre erst einmal gerüstet sind.

Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen? Der notwendige Rückbau der kirchlichen Strukturen? Ein damit einhergehender zunehmender Bedeutungsverlust der Kirche?

Einen zunehmenden Bedeutungsverlust der Kirche sehe ich nicht, eher den Verlust von Vertrauen. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Christen sich in den Gemeinden ehrenamtlich engagieren und so deutlich machen, dass für sie Kirche lebendig ist.
Am meisten Sorgen bereitet mir die Frage, wie wir als katholische Kirche in Thüringen trotz der schwierigen personellen und finanziellen Lage handlungsfähig bleiben können. Die Zahl der Mitarbeiter nimmt ab, die Personalkosten steigen, die Einnahmen werden geringer. 2026 endet der Finanzausgleich zwischen den deutschen Diözesen, aus dem wir bislang jährlich noch zehn Millionen Euro erhalten. Es war sogar mal doppelt so viel, insgesamt haben wir seit Bistumsgründung 1994 rund 400 Millionen Euro bekommen, wofür wir sehr dankbar sein können. 2026 müssen wir erstmals auf Rücklagen zurückgreifen. Und kommen um Einsparungen nicht herum. Welche Kirchen und Grundstücke müssen wir aufgeben … Kann man vielleicht kommunale Räume nutzen …

Oder Räume der Schwesterkirchen? Es bestehen doch viele Doppelstrukturen?

Ich bin dankbar, eine Ökumene zu erleben, in der wir in Verkündigung und pastoraler Arbeit gemeinsame Schritte gehen und wo wir gemeinsam auftreten so auch angenommen werden. Hinsichtlich der parallelen Strukturen der Konfessionen wird es sicher zu prüfen sein, was im Blick auf die gemeinsame Nutzung von Gebäuden sinnvoll ist. In manchen Orten ist die Basis vielleicht auch schon weiter. Es freut mich als Generalvikar, wenn man dadurch Geld einsparen kann.

Ab 2026 zehn Millionen Euro weniger Einnahmen – das sind ein Sechstel des aktuellen Bistumshaushalts. Das bedeutet doch einen erheblichen Einbruch?

Es wird nicht zum plötzlichen, großen Einbruch kommen. Wir müssen nach und nach einsparen, damit man sich darauf einstellen kann. Die 33 Pfarreien, die wir jetzt haben, sollen bleiben. Die Frage ist, wie sie zunehmend ohne Pfarrer gut aufgestellt sein können. Übernehmen wir dafür Leitungsmodelle aus anderen Bistümern oder entwickeln wir eigene Formen? Zur Diskussion steht auch, ob wir die Dekanate auflösen und ob wir pastorale Zentren, zum Beispiel auf dem Hülfensberg im Eichsfeld schaffen, wo sich die Menschen dann hin orientieren können.

Das sind erhebliche Veränderungen …

Wir hatten als Christen hierzulande großes Glück, jahrzehntelang in Gemeinden leben zu können, die von Hauptamtlichen getragen wurden. Angesichts der zurückgehenden Zahl Hauptamtlicher müssen die Gemeinden jetzt lernen, selbst für sich zu sorgen. Wie kann es gelingen, dass sich die Leute ehrlich fragen: Was habe ich mit Gott zu tun? Und entsprechend ihr Leben persönlich und gemeinsam in der Gemeinde gestalten. Wichtig dabei ist die Weitergabe des Glaubens in der Familie. Die Eltern sind gefragt: Was wollen wir den Kindern weitergeben? Mit der im Advent gestarteten Aktion „Post für Euch“ sind wir dabei, die Familien dazu zu ermutigen.

Das erfordert gemeinsames Nachdenken und Handeln von Hauptamtlichen und Gemeindemitgliedern, also synodale Strukturen …

Eindeutig. Wir müssen ein demokratisches Miteinander einüben.  Gemeinsam muss geschaut werden, wie wir als Kirche für die Menschen dasein können. Und es braucht Veränderungen im Blick auf die Zulassung von Frauen in die geistlichen Ämter, im Blick auf die Lebensform der Priester und Korrekturen hinsichtlich der Hierarchie und der Machtstrukturen, wie dies beim Synodalen Weg herausgearbeitet wurde.

Es sind also mutige Entscheidungen und entsprechendes Handeln gefragt?

Kirche und Welt befinden sich derzeit in einem gewaltigen Umbruch. Wir können die Zukunft nicht voraussehen und müssen dennoch Entscheidungen treffen, die in der Zukunft hoffentlich hilfreich sind. Dabei gilt es gut abzuwägen, aber auch mutig zu sein. Wir bauen als Bistum in Leinefelde für das bisher in Heiligenstadt ansässige Elisabeth-Gymnasium eine neue Schule und erweitern in Erfurt die Edith-Stein-Schule. Mut brauchen wir auch bei den Entscheidungen, wie wir die Seelsorge strukturieren wollen. Entsprechend gilt es dann das Immobilienkonzept in unseren Gemeinden zu gestalten. 

 

Zur Person
• geboren 1975 in Heiligenstadt, aufgewachsen in Günterode im Eichsfeld
• Priesterweihe 2002 in Erfurt
• 2002 Kaplan in Niederorschel
• 2006 Kaplan in Erfurt   St. Lorenz, hier auch       Dekanatsjugendseelsorger
• zusätzlich 2006 bis 2016 Beauftrager für die MDR-Rundfunk-Gottesdienste aus dem Bistum
• 2012 Pfarradministrator in Struth
• 2016 bis 2022 außerdem Dechant des Dekanates Dingelstädt
• 2019 zusätzlich Pfarr-   administrator in Effelder
• 2020 zusätzlich Pfarrer von Lengenfeld unterm Stein
• 2021 Pfarrer von Lengenfeld unterm Stein (Neugründung der Pfarrei)
• 2023 Generalvikar

 

Eckhard Pohl