Anstoß 22/2024

Rot werden

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Es gibt etwas, das ich besonders gut kann: rot werden. Wenn es soweit ist, merke ich es ganz deutlich. Die Hitze scheint vom Hals bis in die Haarspitzen aufzusteigen.

Porträt Christina Innemann
Christina Innemann
Katholische Polizeiseelsorgerin in Mecklenburg-Vorpommern

Früher wurde ich rot, wenn mir Sachen peinlich waren – ein zu langer Blick auf dem Schulhof etwa. Heute sind es andere Dinge: Wissenslücken in Gesprächen. Oder ein heimliches Stück Schokolade – wobei mich meine Kinder prompt erwischen. Ich werde aber auch rot, wenn ich überrascht werde. Inzwischen habe ich mich mit dieser Eigenart versöhnt. Ich finde, es macht Menschen sympathisch, wenn sie erröten können. Neulich war ich zum Beispiel dabei, als ein Kollege von der Landespolizei rot wurde. Grund war ein unerwartetes Kompliment vor versammelter Mannschaft. Ich habe mich gefreut, ihn so zu sehen.

Ob Jesus auch rot wurde? Leider ist dazu nichts überliefert. Was wir aber wissen, ist, dass er Menschen, die sich beschämt fühlten, die Hand reichte. Oft waren es Menschen, die Schuld auf sich geladen hatten. Die unsicher waren und mit sich haderten. Ich denke an die Ehebrecherin. Er lässt sie in Frieden gehen. Oder an Zachäus, der auf einen Baum klettert, um ihn zu sehen. Jesus holt ihn herunter und ist sogar Gast in seinem Haus. Petrus wird nicht von ihm verstoßen, obwohl er ihn drei Mal verleugnet.

Als Geschöpfe Gottes haben wir Stärken und Schwächen. Wir stecken voller Emotionen. Und merken manchmal unsere Grenzen. Ich finde, dass das ein tolles Geschenk Gottes an uns ist. Wir sind keine Maschinen, sondern voller Lebendigkeit. Was uns gut tut und womit wir hadern, zeigt uns dabei auch die Farbe unseres Gesichtes.

Nicht immer deckt sich aber unsere Wahrnehmung mit der Einschätzung unseres Umfeldes. Dafür können wir die zehn Gebote als wichtigen Richtwert nutzen. Sie sind wie ein Kompass auf dem Weg eines Lebens, das Gott nahe ist.

Christina Innemann