Anstoß 06/2025

Krass, oder?

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In seinem Fastenhirtenbrief bezieht sich Bischof Ulrich Neymeyr auf die acht „Zeichen der Hoffnung“, die Papst Franziskus in der Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr 2025 benannt hat. Jedem dieser Zeichen fügt der Bischof eigene Gedanken hinzu.

Porträt Andrea Wilke
Andrea Wilke
Pressereferentin Bistum Erfurt

Da heißt es zum Beispiel beim dritten Hoffnungszeichen, das den Gefangenen gewidmet ist: „Mir fällt auf, dass, wenn einmal in den Fürbitten für Gefangene gebetet wird, dies immer mit der Einschränkung versehen wird, dass sie zu Unrecht im Gefängnis sind. Wir sollten auch für die Gefangenen beten, die zu Recht im Gefängnis sind.“ Das ist ja stark. Wer im Gefängnis sitzt, hat nicht nur Kaugummi an der Kasse geklaut, sondern wirklich schlimme Taten begangen. Manche haben Unschuldigen sogar das Leben gekostet.

Mir gab dieses Hirtenwort noch einmal den Anstoß, auch für die zu beten, bei deren Namensnennung mein Gefühlspegel ins Negative ausschlägt. Angefangen von mächtigen Herren in der Welt, deren Namen ich aufgrund ihres Bekanntheitsgrades nicht eigens nennen muss, bis hin zu Menschen aus dem Umfeld, die ich mitunter lieber von hinten als von vorn sehe. Doch Jesus bürstet in dieser Hinsicht ganz klar gegen den Strich, also gegen menschliches Verständnis im Umgang mit Unliebsamen.

In der gerade begonnenen Fastenzeit ist das für mich ein guter Vorsatz: für die zu beten – ohne Hintergedanken, sondern wirklich um ihretwillen – für die es mir schwerfällt, ihnen etwas Gutes zu wünschen. Das Abwegige kann manchmal sehr christlich sein. Krass, oder?

Andrea Wilke