Anstoß 44/2023
Aufbau statt Abbruch
Dagegen fordert der Prophet Haggai im 6. Jahrhundert vor Christus sein Volk Israel dazu auf, die Ärmel hochzukrempeln und den Tempel wieder aufzubauen (Hag 1,1-8). Was sich nach Aufbruchstimmung anhört, ist aber alles andere als das. Haggai ruft zum Tempelbau auf, weil die müden Heimkehrer aus Babylon ihre eigenen Sorgen haben. Der Tempelbau gerät ins Stocken.
Die Israeliten behaupten, dass sie sich nicht um das Haus Gottes kümmern könnten, weil sie Sorgen und Nöte hätten. Haggai dreht den Spieß um: Weil die Menschen den Tempel nicht bauen, haben sie Sorgen und Nöte. Dahinter steckt ein Gottesverständnis, dass wir nicht mehr teilen. Als würde Gott uns belohnen, wenn wir ihm ein Haus bauen. Trotzdem geben mir die Worte des Propheten einen wertvollen Impuls.
Haggai erinnert an den Tempel und ich glaube, er hat Recht. Zumindest für die Kirche muss gelten: Wir sollten mit dem Tempel anfangen. Das heißt nicht, Kirchen zu erhalten und auf Hochglanz zu polieren, die niemand mehr braucht. Ich denke da eher an den Petrusbrief: „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen.“ (1 Petrus 2,5)
Kirchbau beginnt mit Menschen, die sich von Jesus ansprechen lassen, seinem Vorbild folgen und das in Gemeinschaft mit anderen Menschen tun wollen. Eine gesunde Gemeinschaft ist der Grund, auf dem wir in Frieden und Sicherheit leben können.
Im Tempel, so glaubten die Israeliten, ist Gott gegenwärtig. Das glaube ich für die Kirche auch. Gott hat sich das Haus aus lebendigen Steinen ausgesucht, auf dem sein Friede zu uns kommt.
Auch bei der Weltbischofssynode in Rom ging es um die Frage, wie wir dieses geistige Haus aus lebendigen Steinen heute bauen. Diese Frage und auch den Streit um gute Antworten dürfen wir nicht mehr vertagen. Denn viele Sorgen – leere Kirchenbänke, Austritte, überflüssige Gebäude – hätten wir nicht, wenn das Haus aus lebendigen Steinen schon stünde.