Anstoß 48/2023

Fass ohne Boden versus Licht in der Dunkelheit

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Es ist wie jedes Jahr. In der Post, die ich bekomme, sind in den Wochen vor Weihnachten wieder diese Briefe, von denen ich, schon ohne sie geöffnet zu haben, weiß, dass ihre Absender um meine Hilfe bitten.

Portrait Andrea Wilke
Andrea Wilke
Rundfunkbeauftragte/ Bistum Erfurt 

Kleine und große anerkannte Hilfsorganisationen, die sich an den Orten der Welt um die Menschen kümmern, für die fremde Hilfe überlebenswichtig ist, schreiben mir. Mich bedrücken diese Briefe aus zwei Gründen: Der erste ist, dass diese Bittbriefe überhaupt geschrieben werden müssen, weil Menschen in solch akuter Not leben. Der zweite Grund ist, dass mir meine Hilfe oft als aussichtsloses Unterfangen vorkommt. Was kann meine kleine Spende schon ausrichten? Es bedrückt mich, dass die Notwendigkeit von fremder Hilfe und Spenden ein Fass ohne Boden ist. Die Hilferufe kommen Schlag auf Schlag und ich muss mir wieder eingestehen: Ich kann nicht allen helfen. Das Elend wird hier nie enden. Der Gedanke, dass meine Hilfe doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, hinterlässt in mir ein lähmendes Gefühl. 
Doch neulich hat sich meine Blickrichtung geändert. Als Jesus zum Beispiel Kranke heilte, geschah das auch nur punktuell. Seine Wunder waren ein Hinweis auf Gottes Reich. Ein Reich, in dem der Tod nicht mehr sein wird, keine Tränen, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Die Wunder Jesu künden von diesem Reich, machen es erlebbar. Mir kam der Gedanke, dass meine kleine Hilfe für irgendjemanden irgendwo auf der Welt ein Licht sein kann, das vom Reich Gottes kündet. Das beflügelt mich ungemein. 
Am ersten Advent wird im Erfurter Dom die Weihnachtsaktion des Hilfswerkes für Lateinamerika, Adveniat, bundesweit eröffnet. Adveniat leitet sich ab von der Bitte im Vaterunser „Dein Reich komme“ (adveniat regnum tuum). Jesus hat uns diese Bitte gelehrt und auch, dieser Bitte entsprechend zu handeln. In der Dunkelheit dieser Welt Lichter anzünden, das Reich Gottes mit seiner Hilfe erfahrbar machen, bei aller Unvollkommenheit selbst ein Licht sein – das ist meine (schöne) Berufung. Und nicht nur meine.

Andrea Wilke