Anstoß 15/2024
Schwiegervater ist jetzt ein Baum
Ich hatte schon vom Wunsch der Hinterbliebenen gehört, ein neues Angebot zu nutzen: Der tote Schwiegervater wurde eingeäschert. Anschließend schickte man die Asche ins Ausland. Dort wurde ein Baum daraus gezogen. Später kam der Baum nach Deutschland. Die Hinterbliebenen wollten ihn im Garten einpflanzen. „Wenn ihr Unterstützung für eine Gedenkfeier braucht, sagt Bescheid“, hatte ich dem Kollegen von der Landespolizei angeboten.
Die Familie hat keinen religiösen Hintergrund. Aber ich hatte das Bauchgefühl, dass es wichtig wäre, sie dennoch zu unterstützen. Ein würdevolles Ritual, eine kleine Gedenkfeier – das wollte ich ermöglichen. Mein Entschluss sorgte zu Hause für Diskussionen. „Ist das überhaupt legal?“, fragte mein Mann. Außerdem tauschten wir uns darüber aus, wie weit ich als katholische Seelsorgerin gehen würde, um Einsatzkräfte in Trauer-Zeiten zu unterstützen.
Ich blieb bei meiner Zusage. Kurz vor meinem Schlusswort bei der Gedenkfeier meldeten sich zwei Gäste. „Wir müssen jetzt noch beten. Das brauchen wir. Weil wir eben christlich sind“, sagten die beiden betagten Damen energisch. Ich war genauso überrascht wie die Tochter und der Schwiegersohn des Verstorbenen. Dann stand ich mit beiden Frauen vor dem Baum und betete ein Vaterunser.
Die Entscheidung, einen Baum aus der Asche eines Verstorbenen zu ziehen, wird mir sicher fremd bleiben. Gleichzeitig respektiere ich, dass es für die Familie die richtige war. Am Ende stand ich als Polizeiseelsorgerin betend in der Runde der Hinterbliebenen. Was für eine göttliche Fügung!