Anstoß 17/2023
Genderstern und Sprachpolizisten
„Zeitungen, die gendern, bestelle ich ab“, sagt ein Mann, „bei Radiosendern, die gendern, höre ich nicht mehr hin. Diese Sprachverhunzerei geht mir auf die Nerven. Punkt! Aus! Basta!“ Als ich ihm sage, dass viele Sender es ihren Moderator*innen freistellen, ob sie gendern oder nicht, ist er erstaunt. Das Gendern findet er dennoch doof.
Fast schon amüsant ist, ich hätte den Text ebensogut andersherum beginnen können: „Bei nicht gendergerechten Beiträgen schalte ich ab oder um, lese nicht weiter. Wer keine gendergerechte Sprache spricht, zeigt nur, dass ErSieEs nichtmännliche Personen vereinnahmt, Frauen und Diverse nicht mit meint. Jedenfalls werden alle, die so unsensibel reden, einst in der Hölle braten. Schluß! Finito! Ende!“
Lohnt sich die Aufregung? Brauchen wir Sprachpolizisten, die Knöllchen verteilen, wo ihrer Meinung nach die Sprache unsachgemäß verwendet wird?
Ich gebe zu, es ist schwer, bei den vielfältigen Möglichkeiten einer gendergerechten Sprache den Überblick zu behalten. Ich plädiere für Gelassenheit. Es gibt gute Gründe für eine geschlechtergerechte Sprache und gute Argumente, das generische Maskulinum für eine wunderschöne Form der deutschen Sprache zu halten. Sprache ist lebendig und entwickelt sich weiter, manches bleibt, anderes wird vergessen, vieles lebt nebeneinander. Während die Sprachpolizisten beziehungsweise Sprachpolizistinnen/Innen/Doppelpunkt*Unterstrich auf beiden Seiten der Genderfront nur das „entweder – oder“ kennen, agieren die meisten mit dem „sowohl als auch“.
Dabei ist der Konflikt ums Gendern nur ein Beispiel für übertrieben hochgekochten Streit in Gesellschaft und Kirche. In einer pluralen Welt gehört es dazu, einander Vielfältigkeit zuzugestehen und nicht in die Einfältigkeitsfalle zu tappen. Der streiterprobte heilige Augustinus, hat dafür ein Rezept: „Liebe, und dann tu, was du willst“. Ob mit oder ohne Binnen-I, Genderstern oder generischem Maskulinum.