Glockenweihe
Neuer Klang ist der Arbeit Lohn
Foto: Walter Wetzler
Am größten und schwersten ist St. Antonius. Mehr als drei Tonnen bringt er auf die Waage. Dagegen ist der heilige Bruder Konrad von Parzham mit seinen 500 Kilogramm geradezu ein Leichtgewicht. Dazwischen liegen Hedwig, Maria und Johannes. Die Rede ist von den neuen Glocken der Gemeinde St. Antonius Berlin-Oberschöneweide, die Erzbischof Heiner Koch am vergangenen Wochenende feierlich segnete.
Mindesthaltbarkeit längst abgelaufen
Denn nachdem die ursprünglichen Bronzeglocken in den beiden Weltkriegen für die Rüstungsproduktion eingeschmolzen wurden, ließ die Gemeinde die Ersatzglocken aus Kostengründen aus Eisenhartguss herstellen. Das Ergebnis: ein verlässliches Geläut über fast hundert Jahre, das in dem Stadtteil im Südosten Berlins jedoch mehr für seine Lautstärke bekannt war als für seinen Wohlklang. Noch viel entscheidender: Den Glocken soll man ihr Alter immer deutlicher angesehen haben. Wegen des hohen Kohlenstoffanteils rosten Eisenhartgussglocken deutlich schneller. „80 bis 100 Jahre Lebenszeit halten solche Glocken im Normalfall. Bei den neu gegossenen Glocken aus den 1920er Jahren war dieses Alter schon lange erreicht“, erklärt Gerald Gaedke.
Der Glockensachverständige des Erzbistums Berlin, Andreas Philipp, legte der Gemeinde deshalb eine Rückkehr zu den Wurzeln ans Herz: Fünf neue Bronzeglocken sollten es sein. Weicher und harmonischer sollen diese klingen, das neue Geläut mit der Tonfolge der Glocken der benachbarten evangelischen Christuskirche abgestimmt werden. Auf 320 000 Euro schätzte Glockenfachmann Philipp die Gesamtkosten.
Doch bis der Bauantrag letztlich vorlag, verging noch einige Zeit. „Leider sind die Materialkosten, gerade für das Kupfer, dabei enorm gestiegen“, sagt Gaedke. Schnell landete man mit der Kalkulation bei über 500 000 Euro. Ein „Glocken-Sachausschuss“ wurde ins Leben gerufen, wegen der damals bevorstehenden Errichtung der neuen Pfarrei St. Josef Treptow-Köpenick bald darauf der „Förderverein Glocken für Antonius“.
Um die Leute zu Spenden zu motivieren, ließen sich die sieben Mitglieder einiges einfallen. Da gab es die Möglichkeit, zur Adventszeit den Christbaum neben dem Altar mit einer Kugel zu bestücken, auf der der eigene Name geschrieben steht – gegen eine Spende von zehn Euro. „Wir haben auch deutschlandweit die St. Josefs-Pfarreien angeschrieben“, erzählt Gaedke. Dank einer neu eingerichteten Website blieben die Antonianer stetig und multimedial auf dem Laufenden. Wer etwa zweifelte, ob der Klangunterschied zwischen alten Eisenhartguss- und neuen Bronzeglocken wirklich hörbar ist, konnte sich mit Aufnahmen der alten Glocken und der neuen Glockenmodelle überzeugen.
Ziemlich viel Zeit sei bei den Bemühungen für die neuen Glocken draufgegangen – gerade bei Behördengängen, erst recht in der Coronazeit. „Wenn wirklich alles geschafft ist, wissen wir wahrscheinlich gar nicht, wohin mit unser Freizeit“, sagt Gerald Gaedke und lacht. Ein bisschen Stolz schwingt in seiner Stimme mit, als er erwähnt, dass alles im Ehrenamt gestemmt wurde. „Es sagt sich leicht, aber wir haben einfach losgelegt. Allerdings haben wir auch das Glück, dass wir die passenden Leute haben. Völlig unterschiedliche Berufe mit eigenen Talenten, die aber an einem Strang ziehen“, sagt Gaedke, der sich selbst als „Bau-Mensch“ bezeichnet. Manche seiner Mitstreiter – vier Frauen, zwei Männer – kenne er schon seit Kindheits- und Jugendtagen.
Fast 300 000 Euro haben Förderverein und Gemeinde selbst sammeln können. „Die größte Einzelsumme betrug 12 500 Euro. Das meiste aber sind viele kleinere Spenden.“ Dazu kamen noch zwei größere Finanzspritzen: 85 000 Euro schoss die gemeinnützige Lotto-Stiftung zu, 125 000 Euro das Erzbischöflichen Ordinariat.
Ohne Neid an einem Strang gezogen
Wenn Gerald Gaedke an die letzten Jahre zurückdenkt, ist ihm wichtig, auch das Zusammenwirken im pastoralen Raum und innerhalb der neuen „Großpfarrei“ St. Josef Treptow-Köpenick zu loben. „Das Zusammenarbeit hat super funktioniert. Als wir dem Kirchenvorstand die Verträge zur Genehmigung vorgelegt haben, gab es keine Ressentiments, keine Gegenwehr – auch keinen Neid, unter dem Motto: ‚Warum die und wir nicht?‘“
Zwar hat Gaedke die Glocken beim Besuch in der Traditionsgießerei Rincker im hessischen Örtchen Sinn schon einmal erklingen hören. Doch die Vorfreude auf die erste echte Premiere am ersten Advent ist groß. „Vorher müssen sie noch nach oben in den Glockenstuhl, das wird noch einmal ein Akt. Aber das kriegen wir auch noch hin.“