Ausstellung zum Werk der Künstlerin Hildegard Hendrichs
Große Augen und Hände
Fotos: Eckhard Pohl
„Wir sind von der Ausstellung fasziniert“, sagen Marieluise Dietrich und ihre Schwägerin Hannelore Dietrich. Die beiden Erfurterinnen haben sich Zeit genommen und an diesem Vormittag in aller Ruhe die Retrospektive zum 100. Geburtstag der Künstlerin Hildegard Hendrichs (1923-2013) in der Erfurter Schottenkirche angeschaut.„Mir gefallen besonders die Madonnen gut“, sagt Marieluise Dietrich (85). „Schauen Sie: Der Mantel, die Hände, diese liebevolle Zweisamkeit drückt große Liebe und Trauer aus“, so Dietrich im Blick auf die 1964/65 aus Lindenholz geschaffene Schmerzensmutter. „Mit wieviel Demut sie die Pietà dargestellt hat“, ergänzt Schwägerin Hannelore Dietrich (73).
Insgesamt sind in der Ausstellung 70 von mehr als 350 Werken der Erfurter Künstlerin zu sehen. Dazu gehören neben Holzbildwerken auch Gemälde und Kupferarbeiten. Abgesehen von frühen Schaffensjahren sind alle Werke religiösen Themen gewidmet, vor allem der Passion, aber auch Maria, Jesus Christus, dem Heiligen Geist oder Franz von Assisi. Gut ist Hendrichs künstlerischer Entwicklungsweg zu erkennen. Ihr Schaffen stand ganz „Im Dienst der Frohen Botschaft“, wie auch die Schau überschrieben ist.
„Hendrichs hat aus der Meditation heraus gelebt und gearbeitet. Das spürt man in ihren Werken“, sagt Hannelore Dietrich. Schwägerin Marieluise fügt hinzu: „Die Bilder zeigen ihre innere Haltung. Sie war eine fromme Frau, der man ihre Frömmigkeit wirklich abgenommen hat. Sie ruhte in sich.“
Dietrich hat Hendrichs selbst kennengelernt. „Wir haben sie einmal als Familienkreis von St. Georg Erfurt in ihrem Atelier besucht. Sie brachte für die Kinder gleich Getränke und Kekse und hat ihnen erklärt: Das wichtigste bei meinen Figuren sind die Augen, große Hände und ihre Gewänder. Die Kinder haben das gleich gut verstanden.“
Andreas Karker (65) kommt aus Arnstadt. Ihm sind die freundlich liebevollen Gesichter vieler Bildnisse von Hendrichs aufgefallen. Dabei hat er festgestellt: „Dieser öfter fast lachende Gekreuzigte, da schluckt man erstmal, bevor die Darstellung einen dann zum Nachdenken anregt.“ Für Bernd Schöller (73) aus Meiningen ist die zentrale Botschaft von Hendrichs entscheidend: Es gibt Hoffnung, weil Christus auferstanden ist.
Ausstellung ist mit viel Liebe gestaltet
Auch Eva Kesting, die an diesem Vormittag als Ehrenamtliche die Aufsicht in der Ausstellung übernommen hat, lobt die Schau: „Die Ausstellung ist mit viel Liebe und Sachverstand gestaltet.“ So seien etwa Skizzen von Hendrichs in festen Folien eingeschweißt und in einer Art Skizzenbuch zum Umblättern zusammengefaßt. Oder: QR-Codes böten per Handy an vielen Ausstellungsobjekten Informationen, aber auch spirituelle Texte und Lieder von Hendrichs. Der Kinder- und Jugendchor des Erfurter Domes ist mit Gesängen vertreten. Zudem ist Hendrichs selbst zu hören.
Kesting freut sich auch darüber, dass der Schmerzensmann aus der Erfurter Severi-Kirche mit dem dazugehörigen Unterbau gezeigt wird, wie er ursprünglich aufgestellt war. Besonders bemerkenswert findet die Theologin, die viele Jahre Touristen durch den Erfurter Dom geführt hat, eine Pietà von 1947: Maria hält mit verzweifeltem Gesichtsausdruck den toten Sohn in den Armen. Sein Kopf hängt weit nach hinten, die Haare hängen zu Boden. Sie habe beobachtet, wie eine Frau aus der Ukraine nur diese Schmerzensmutter fotografiert habe, sagt Kesting.
Falko Bornschein vom Bistum Erfurt, der die Idee zu der Ausstellung hatte und sie mit der Duderstädter Museumsleiterin Sandra Kästner kuratiert hat, zeigt sich zur Halbzeit sehr zufrieden: „Wir haben im Schnitt pro Tag 40 Besucher, obwohl die Schottenkirche etwas abgelegen liegt. Und was ich aus den Gemeinden und von Besuchern höre, ist durchweg positiv“, sagt der Kunstgutbeauftragte des Bistums.
Künstlerin arbeitete mit verschiedenen Techniken
Unter den Besuchern sind auch Britta Schwen (43) und Bernd Blaschke (39), beide aus München und zu einer Konferenz in Erfurt. Sie seien zufällig an der romanischen Schottenkirche vorbeigekommen, sagen die beiden. „Ich finde die frühen Werke aus den Nachkriegsjahren spannend“, sagt Blaschke. „Das wirkt auf mich recht naturalistisch.“ Britta Schwen fühlt sich an die Kunst von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach erinnert. Angesichts der großen Augen in Hendrichs Werken stellt sie zudem eine Verbindung zu modernen Manga-Comics her, bei denen auch „alles über die Augen gespielt“ werde. Blaschke findet es bemerkenswert, wie sich Hendrichs im Laufe ihres Schaffens neuen Techniken wie der Arbeit mit Kupferblech zugewandt hat.
„Ich hoffe, dass sich die Ausstellung viele anschauen und Hildegard Hendrichs auf diese Weise Ehrung widerfährt“, sagt Marieluise Dietrich.