Interview mit Bischof Wolfgang Ipolt

Lebendige Beziehung

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Bischof Wolfgang Ipolt
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Foto: kna/Riccardo De Luca

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Wolfgang Ipolt mit seinen Bischofskollegen der Berliner Kirchenprovinz.

In Görlitz spricht man gern von einem Brückenbistum. Wie geht es weiter mit der Kirche beiderseits der Brücke? Ein Interview mit Bischof Wolfgang Ipolt.

Unübersehbar bröckelt inzwischen auch die polnische Volkskirche. Verändern sich damit auch Beziehungen zwischen den Katholiken in Deutschland und Polen?

Besonders in der deutsch-polnischen Kontaktgruppe der Bischofskonferenzen reden wir seit geraumer Zeit sehr offen über die Veränderungen der Kirche in beiden Ländern. Die drei polnischen Bischöfe, die zur Gruppe gehören, machen keinen Hehl daraus, dass Polen zurzeit einen starken Säkularisierungsschub erfährt und dass die Kirche noch nicht so sehr darauf vorbereitet ist. Der Austausch über unsere Erfahrungen mit sinkenden Mitgliederzahlen und schwindendem Einfluss ist konstruktiv. Die Bischöfe sagen nicht einfach „die Veränderungen kommen alle aus dem Westen“, sie schauen genau hin und hören zu. Schon vor Jahren haben wir deutschen Gruppenmitglieder zum Beispiel gewarnt, sich zu eng an die PIS-Partei anzulehnen, um die eigene Unabhängigkeit zu wahren. In Polen ist der Glaube historisch bedingt stark mit der Nation verbunden. Die Geschichte in unseren Ländern ist anders verlaufen. Umso wichtiger ist angesichts der Säkularisierung der Austausch und die geistliche Unterstützung im Umgang mit dieser Situation. Es sollte möglich sein, dass wir im Zerbrechen von Gewohntem auch Chancen entdecken.

Der Anteil der Priester aus Polen im Bistum steigt seit 20 Jahren. Im Nachbarbistum Magdeburg verzichtet man bewusst darauf, Personallücken mit ausländischen Priestern zu füllen. Halten Sie den eingeschlagenen Görlitzer Weg im Nachhinein für richtig?

Wir sind eine Weltkirche und es ist schön, wenn das in unseren Gemeinden auch zu spüren ist. 18 bis 20 Prozent unserer Katholiken sind Zugewanderte, die meisten aus Polen. Auch wenn wir auf Integration setzen und keine eigenen polnischen Gemeinden gründen, ist es doch wichtig, dass sie in ihrer Muttersprache beichten und mit Seelsorgern sprechen können. Wir machen gute Erfahrungen mit den indischen und zum großen Teil auch mit den polnischen Priestern in unserem Bistum. Mentalitätsunterschiede sind dennoch zu spüren. Entscheidend ist, dass die Priester von den Gläubigen angenommen werden. Andernfalls kann Fremdenfeindlichkeit wachsen. Ich entscheide im Einzelfall, wem ich welche Verantwortung übertrage und befrage dazu vorher in der Regel die Priester des Bistums. Dass es auch in Zukunft viele Interessenten aus Polen geben wird, halte ich übrigens für unwahrscheinlich. Auch dort gehen ja die Berufungen zurück.

Auf die Frage, was sich in der Kirche verändern sollte, mahnen Sie des öfteren eine „Neuevangelisierung“ an. Was genau verstehen Sie unter dem Begriff?

In der Tat: Neuevangelisierung ist ein Begriff, in den man viel hineinpacken kann. Mein Anliegen ist, dass Menschen die Gelegenheit bekommen, in eine Beziehung mit dem Evangelium zu treten, was in unserer Region meist bedeutet: in einen ersten Kontakt mit dem Glauben zu kommen. Für diejenigen, die schon lange Christen sind, braucht es eine Neubelebung dieser Beziehung, wenn wir als Kirche nicht vertrocknen wollen. Sie kann auf verschiedene Weise geschehen: durch eine Freundschaft mit überzeugten Christen, durch das Erlebnis oder die Teilnahme an christlichen Bräuchen, wie zum Beispiel den Segen der Sternsinger, die Feier von Gottesdiensten oder das Lesen der Heiligen Schrift. Ich wünschte mir: Jede Begegnung mit einem Christen sollte zu einer Gottesberührung werden. Dann würden wir alle mitwirken an der Evangelisierung.

Dorothee Wanzek