Pfarrei St. Elisabeth Tangermünde nimmt Abschied von Kirche
Die Zukunft in die Hand nehmen
Fotos: Dorothee Wanzek
Zum letzten Mal die Kirchenglocken läuten, zum letzten Mal in der eigenen Kirche Eucharistie feiern – in der Steckelsdorfer St.-Josefs-Kirche flossen am zweiten Adventswochenende viele Tränen. „Manche verlieren mit diesem vertrauten Raum ein Stück Heimat“, sagte Diakon Matthias Marcinkowski in seiner Predigt. Im Auftrag des Bistums Magdeburg hatte er die Katholiken in Tangermünde und Steckelsdorf in den vergangenen Monaten beim Abschiednehmen von ihrer Pfarrei St. Elisabeth und bei der Suche nach Zukunftswegen für das kirchliche Leben an beiden Orten begleitet.
Johannes Klaus denkt besonders gerne an die Taufe seiner Tochter zurück, die vor 22 Jahren in der St.-Josef-Kirche stattfand, und an schöne Gemeinschaftserlebnisse mit dem einstigen Familienkreis. „Noch vor einem halben Jahr wollte ich an der Profanierung heute gar nicht teilnehmen“, erinnert sich der 53-Jährige. Auch wenn er es angesichts der kleiner und älter werdenden Gemeinde wirtschaftlich richtig findet, sich von den Immobilien zu trennen, schmerzt es ihn bis heute, dass die Gottesdienstgemeinde Steckelsdorf in den Beschluss des Kirchenvorstands, die Kirche zu schließen, nicht einbezogen war und erst spät davon erfuhr. Trotzdem hat er sich entschieden, den Abschied mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen. In Gesprächen mit Diakon Marcinkowski sei ihm bewusst geworden, dass ihm noch wichtiger als die Kirche mit Gemeinderaum und Pfarrhaus eigentlich die Gemeinschaft mit den Christen in der Region ist. „Wir geben die Gebäude und eine Verwaltungsform auf, aber keine Menschen“, so hatte es der Diakon in der Predigt zum Ausdruck gebracht.
„Ich sehe meine Berufung jetzt darin, mit meiner Frau zusammen den verbliebenen Gläubigen in Steckelsdorf noch eine Zeitlang ihre Heimat zu erhalten“, sagt Johannes Klaus. Er hat sich für die ehrenamtliche Leitung von Wortgottesfeiern ausbilden lassen. In einer digitalen Community, die er ins Leben rief, werden Termine und andere kirchliche Informationen aus der Region geteilt. Nach den Gottesdiensten der vergangenen Monate in St. Josef hat er die kleine Gemeinde zu Austauschrunden bei Kaffee und Kuchen zusammengerufen. „Was brauchen wir, um mit dieser Situation umgehen zu können?“, fragten sich die Versammelten, und: „Wie kann es hier gut weitergehen?“
Das Alte gut zu Ende führen
„Bevor man etwas Neues beginnt, muss man das Alte gut zu Ende führen“, sagt Johannes Klaus. Weihnachten wollen die Steckelsdorfer ein letztes Mal in ihrer Kirche feiern, mit Wortgottesfeiern, aber ohne vorheriges Glockengeläut. Sie stellen noch einmal einen Weihnachtsbaum und eine Krippe auf, bevor die Kirche zum Jahresende geschlossen wird. Dann gehören Steckelsdorf und Tangermünde zur Pfarrei St. Anna in Stendal. Die Pfarrei, die demnächst ein ehrenamtliches Leitungsteam erhält, wird auch für den Verkauf von Grundstück und Gebäuden zuständig sein. An den Vorbereitungen haben sich Steckelsdorfer Gemeindemitglieder beteiligt. Sie haben die Kirche und das 6000 Quadratmeter große Gelände auf Vordermann gebracht und für das erforderliche Verkehrswertgutachten Zuarbeit geleistet.
Ab Januar ist die St. Josefs-Gemeinde bei den evangelischen Nachbarn zu Gast. Pfarrerin Katrin Brandt zeigte sich am Ende des Profanierungs-Gottesdienstes betroffen vom Verlust der Kirche. „Auch wir verbinden mit diesem Haus schöne Erinnerungen an viele gemeinsame Erlebnisse, zum Beispiel bei den ökumenischen Jugendkreuzwegen“, sagte sie und lud die Katholiken herzlich ein, ihr nahe gelegene Gemeindehaus und die umliegenden evangelischen Kirchen mit zu nutzen. „Jetzt rücken wir enger zusammen“, stellte sie in Aussicht.
Sich von Gott leiten lassen
„Auch wenn vieles noch offen ist, es ist gut, dass sich in Steckelsdorf und auch in Tangermünde Ehrenamtliche gefunden haben, die Verantwortung übernehmen und gestalten wollen“, freut sich Matthias Marcinkowski. Tröstlich finde er auch, das für einige Einrichtungsgegenstände der Kirche bereits neue Nutzungen gefunden wurden. Sechs Kirchenbänke und die Muttergottesfigur finden beispielsweise künftig Platz in der Kapelle des Altenpflegeheims Sandau – dem dritten Gottesdienstort der bisherigen Pfarrei Tangermünde. Er ist dankbar, dass die Christen der Pfarrei Tangermünde noch einmal Zusammenhalt bewiesen haben und zur Abschiedsfeier nach Steckelsdorf gekommen sind. Auch der künftige Pfarreisitz Stendal war vertreten. „An einem solchen Tag dürfen wir betrübt sein und uns Sorgen machen, wie es mit der Gottesdienstgemeinde und der Gemeinschaft weitergeht“, sagte er den Mitfeiernden, „wir dürfen uns aber auch Anregungen aus dem Evangelium holen.“ Anknüpfend an die biblische Erzählung von den Jüngern auf stürmischem See, die sich von Jesus alleingelassen fühlen, wies er auf den dreifachen Zuspruch hin, den die verängstigten und zweifelnden Männer in ihrer unsicheren Lage bekommen: „Habt Vertrauen. Ich bin es. Fürchtet euch nicht.“ Neues könne beginnen mit einer Gemeinde, die sich dafür öffne, erläuterte der Diakon. „Gott schenkt uns Mut und Stärke, wenn wir ihm unsere Ängste hinhalten“, sagte er. Oft zeige er sich allerdings anders als erwartet.
„Wir haben uns hier alleingelassen gefühlt“, sagte Ursula Rensmann, bis vor kurzem Pfarrgemeinderatsvorsitzende von Tangermünde. Sie wolle nicht länger nach hinten schauen, denn das verenge den Blick. „Trotz allem gehe ich fröhlich in die Zukunft“, betonte sie. Sie vertraue darauf, dass Gott den Weg der Christen der bisherigen Pfarrei St. Elisabeth weiter begleite. Auch Johannes Klaus ist zuversichtlich. Am Tag nach der Profanierung war er Gast der evangelischen Adventsfeier in Steckelsdorf. „Erstaunlich, wie viele Menschen ich dort schon kannte und wie viele sich auf die Zusammenarbeit mit uns freuen“, erzählte er.