Kontroverse um Berliner Franziskusschule
Schule im Umbruch
Foto: Walter Wetzler
Ende August nimmt die Sankt Franziskusschule im Berliner Stadtteil Schöneberg zum letzten Mal Grundschüler auf. Wenn die neuen Erstklässler ihre Grundschulzeit nach sechs Jahren beenden, wird das nach aktuellem Stand der Planungen das Ende für den Grundschulzweig der traditionsreichen katholischen Schule sein.
Anlass für die Veränderungen ist der große Sanierungsbedarf der Schulgebäude. Die notwendigen Bauarbeiten im Vollbetrieb der Schule durchzuführen, wäre nach Einschätzung von Architekten für alle Beteiligten unzumutbar. Aktuellen Vorschriften entsprechend muss die Schule nach der Modernisierung mehr Fläche pro Schüler bereitstellen. Künftig werden hier statt bisher mehr als 800 nur noch rund 550 Mädchen und Jungen unterrichtet.
Wie die Schule dann aussehen wird, ist derzeit noch nicht endgültig entschieden. „Aus heutiger Sicht und Planung spricht alles für den Aufbau einer dreizügigen weiterführenden Schule“, schrieb Generalvikar Manfred Kollig auf TAG DES HERRN-Nachfrage. „Diese soll auf jeden Fall integrativ und inklusiv sein und somit Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Milieus Chancen bieten“, führt er weiter aus. Die Bauphase werde aber auch genutzt, um mit dem Bezirk und anderen Schulträgern den zukünftigen Bedarf an Schulplätzen zu prüfen. Bisher gehört neben dem Grundschulzweig eine so genannte Integrierte Sekundarschule mit Gymnasialzweig zur Sankt Franziskusschule. Gerüchte, denen zufolge sich das Erzbistum künftig auf das Gymnasium konzentrieren will, bestätigte Pater Manfred Kollig nicht.
Mike Schuster ist als Vater und als Pfarreiratsvorsitzender von Sankt Matthias eng mit der Franziskusschule verbunden. „Weder die Pfarrei Sankt Matthias, auf dessen Grundstück die Schule teilweise steht noch die Elternschaft war in die bisherigen Entscheidungen einbezogen“, kritisiert er. Ausgerechnet die Grundschule aufzugeben, hält er für ein falsches Signal. Er verweist auf den exzellenten Ruf der Schule, die dem Montessori-Konzept folgt. Eltern, deren Kinder eine der vier katholischen Kindertagesstätten auf dem Pfarrei-Territorium besuchten, schätzten die Grundschule nicht zuletzt als wertvolle Weiterführung dessen, was bei ihren Kindern grundgelegt wurde. „In unsere Gottesdienste in Sankt Matthias kommen etliche Familien, die erst über Kitas und Grundschule an die Kirche herangeführt wurden“, sagt Mike Schuster. Er kenne Familien, die eigens wegen dieses umfassenden katholischen Bildungsangebots nach Schöneberg umgezogen seien.
Dies zugunsten des Gymnasialzweigs aufzugeben, hält er für falsch. Mit dem Canisius-Kolleg der Jesuiten gebe es bereits in Wurfweite der Franziskusschule ein renommiertes katholisches Gymnasium.
„Synodalität leben, nicht nur darüber reden!“
Er selbst kenne die Gerüchte um anstehende Veränderungen an der Franziskusschule bereits seit mehr als einem halben Jahr. Alle diesbezüglichen Anfragen und Bedenken, die er bisher den Verantwortlichen des Bistums gegenüber geäußert habe, seien nicht ernst genommen worden. „Als Ehrenamtlicher, dem die katholische Kirche sehr am Herzen liegt und der hier einen großen Teil seiner Zeit und Kraft einsetzt, wünsche ich mir, dass diejenigen, die tagtäglich von Synodalität reden, diese auch leben, wenn es um die konkrete Einbeziehung bei zukunftsträchtigen Entscheidungen geht“, sagt er. Das Erlebte lasse ihn mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück.
Vertreter der Landes-und Bezirkspolitik sind alarmiert und suchen das Gespräch mit Eltern und Vertretern der anderen Orte kirchlichen Lebens. Einige Grundschuleltern planen für den 28. Juni (nach Redaktionsschluss dieser Zeitung) eine Protestkundgebung vor der Franziskusschule. Ihre Kritik gilt der Entscheidung, den Grundschulbetrieb auslaufen zu lassen, mangelnder Transparenz und fehlendem Fingerspitzengefühl in der Kommunikation.
„Ich darf Ihnen mit großer Freude mitteilen, dass wir in diesem Jahr das Projekt zur Modernisierung der Katholischen Schule Sankt Franziskus beginnen“, hieß es unter anderem in einem Brief des Generalvikars, den die Eltern im Januar erhielten. Des Weiteren stand dort: „Fest steht schon jetzt: Wir bauen für Sie und wir bauen auf Sie! Die Zukunft der Franziskusschule soll von vielen kreativen Köpfen und tüchtigen Händen gestaltet werden. Sie sind Teil dieser Zukunft.“
Dass ab 2024 keine weiteren Grundschulkinder aufgenommen werden, haben die Eltern in einem weiteren Brief erst vor zwei Wochen erfahren. Gerade diejenigen, die noch jüngere Kinder haben, für die sie mit der Franziskusschule geplant hatten, sind nun enttäuscht. Der freudige Brief vom Jahresbeginn hatte bei ihnen andere Erwartungen geweckt.
Manche hatten ihre Sorgen dem Erzbischof in persönlichen Briefen mitgeteilt. In einer von Schulabteilungsleiterin Birgit Hoyer unterzeichneten Sammelantwort bedankt sich die Bistumsleitung für die Wertschätzung der hohen Qualität der Grundschule und ihrer Mitarbeiter. Man teile diese Hochachtung und habe die Anliegen aufmerksam zur Kenntnis genommen. Bei der Neuentwicklung sollten nicht nur Integration und Inklusion, sondern auch Montessori-Pädaogik und Nachhaltigkeit Eingang finden, sichert Birgit Hoyer zu. Die Schulabteilung werde das Lehrerkollegium an der Schulentwicklung beteiligen.
Die Neuaufstellung der Franziskusschule sei Teil eines Entwicklungsplan für alle 26 Schulen des Bistums, sagte Generalvikar Kollig gegenüber dem TAG DES HERRN. Dahinter stehe eine schon vor einigen Jahren getroffene Grundsatzentscheidung der Bistumsleitung, einen – auch finanziellen – Schwerpunkt auf Bildung zu legen. Diese Entscheidung komme beispielsweise auch in der Gründung eines Kita-Zweckverbands zum Ausdruck, der die katholischen Kindertagesstätten stärken soll oder in der Einrichtung eines Studiengangs für Religionspädagogik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen. Das Erzbistum habe sich entschieden, alle Schulstandorte zu sichern und die Lehrkräfte nach Möglichkeit zu halten. „Schon seit mehreren Jahren investieren wir in die Sanierung und den Bauerhalt der Gebäude und in die Qualität der Schulen, werben wir intensiv um Lehrkräfte“, betont Kollig.
Den Vorwurf, eine mögliche Stärkung des Gymnasialzweigs widerspreche dem von Papst Franziskus stark betonten kirchlichen Auftrag, an die Ränder zu gehen, wies er zurück. „In allen Schultypen leisten wir einen entscheidenden Beitrag zu Integration und Verständigung“, betonte er. Die Schulen des Erzbistums stünden allen Kindern offen, unabhängig von Herkunft, Konfession und Religion.
Welche Franziskusschule gibt es in fünf Jahren?
Das vom Erzbistum erhobene Schulgeld liege im Vergleich mit anderen freien Trägern im unteren Bereich. Zudem bestehe die Möglichkeit der Schulgeld-Ermäßigung. „Von der Bildung der Kinder und Jugendlichen hängt es wesentlich ab, wie sich die Ränder in unserer Gesellschaft zukünftig entwickeln: ob mehr oder weniger Menschen in prekäre Situationen geraten und ob sich Menschen für diejenigen, die an den Rändern leben, engagieren oder nicht“, ist Pater Manfred Kollig überzeugt.
Für den weiteren Prozess der Schulentwicklung sicherte er zu, auch die Pfarrei St. Matthias und die Eltern stärker zu beteiligen: „Wir schauen auf das Schuljahr 2028/2029. Dann soll die Schulsanierung in die entscheidende Phase gehen. Welche Franziskusschule es danach geben wird, darüber werden wir mit der Schulgemeinschaft, mit den Verantwortlichen in der Pfarrei und im Bezirk sprechen.“