Medienstelle des Bistums Erfurt

Bücherwürmer und Menschenfreunde

Christina Balint (links) mit Jan und seiner Mutter Agnieszka Pyka-Goldner

Fotos: Julia Reinard

Christina Balint (links) scannt die ausgeliehenen Bücher von Jan und seiner Mutter Agnieszka Pyka-Goldner.

Die Medienstelle des Bistums Erfurt ist für alle offen – das zeigt sie mit ihrem Angebot, ihren Veranstaltungen und ihrem persönlichen Umgang mit den 8500 Gästen im Jahr.

Christina Balint kann sich Namen und Gesichter außergewöhnlich gut merken: Wer drei Mal etwas bei ihr in der Medienstelle des Bistums Erfurt ausgeliehen hat, dessen Namen tippt sie, ohne nachfragen zu müssen, in die Suche des Bibliothekssystems ein. Bei rund 2000 Nutzern ist das eine Kunst – sie nimmt es selbstverständlich: „Ich habe ein gutes Namensgedächtnis“, bestätigt sie. Am Morgen hat sie das Rolltor hochgefahren und damit die Bibliothek geöffnet. Seit 31 Jahren ist das ihr Ort. Die Buchhändlerin und Bibliothekarin hat die Medienstelle gemeinsam mit Jork Artelt aufgebaut und 1994 eröffnet.

Heute sind in der ersten Etage gelbe Stühlchen aufgereiht, davor eine Leseecke samt Mikrofon, Leinwand und einem Aufsteller mit jahreszeitlich passenden Sätzen in großer Schrift. Um halb zehn rauschen 23 Grundschüler der Steigerwaldschule und ihre Betreuer hinein und setzen sich. Die Kinder lesen mal stockend, mal flüssig Sätze vor. Sie stammen vom Schriftsteller Paul Maar, erklärt Christina Balint; greift dann zum ebenfalls von ihm verfassten Buch „Wer ist der Größte?“ und liest mit geübter Stimme. Kollege Markus Böttcher projiziert die Bilder des Buches auf eine Leinwand.

Anlaufstelle für jeden Gast – die Religion ist egal

Auch andere Schulen und die Kindergärten der Umgebung – katholische, evangelische und konfessionslose – sind häufig in der Medienstelle zu Gast. Insgesamt zählte sie voriges Jahr 8500 Gruppen- und Individualbesucher. Auch jetzt ist der Kalender wieder bunt hinterlegt mit vereinbarten Terminen.

Nach der Lesung gehen die Kinder über die Wendeltreppe in die zweite Etage: die Welt der Bücher, Christina Balints Reich. Dort sitzen sie zu zweit und zu dritt auf bunten Sesseln und schmökern – in der Erzählung „Das Neinhorn“, zum Beispiel oder im Sachbuch „Wir entdecken die Dinosaurier“. Es ist Bewegung im Raum, aber doch verhaltener als anderswo. Auch im kleinsten Zimmer finden die Kinder Bücher oder sie sammeln beim an der Wand angebrachten Holz-Spiel „Obstgarten“ Früchte ein. Der Raum beherbergt Pappbücher für Kleinkinder und einen Wickeltisch. „Der war uns wichtig“, erzählt Christina Balint, da die Babys bis dahin auf dem Teppichboden gewickelt worden seien. Das Team bemerkt die Bedürfnisse seiner Besucher und reagiert darauf. Inzwischen gibt es eine Kaffeemaschine und junge Mütter treffen sich, um hier einen entspannten Vormittag mit ihren Babys zu verbringen. Christina Balint legt auch schon mal ein Buch zurück, wenn sie merkt, dass jemand daran Interesse zeigte. Sie sagt, Kinder bis etwa zwölf Jahre seien die Haupt-Zielgruppe der Medienstelle. Für sie gibt es ein breites Angebot, wenn auch mit „Mut zur Lücke“, wie sie es nennt. So gibt es zwar „Prinzessin Lillifee“ und die „Eiskönigin“, aber nicht „Paw Patrol“.

„Danke!“, rufen die Schüler, winken und gehen, Christina Balint winkt zurück und lächelt. Die Medienstelle mit ihren 23 700 Medien wird wieder zur ruhigen Oase im geschäftigen Erfurt. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil das Team die Rückendeckung des Bistums spürt. „Wir werden wahrgenommen und gefördert“, sagt Christina Balint. Die Medienstelle ist dabei sowohl ein niedrigschwelliges Angebot für die Bevölkerung als auch Ort für konfessionelle Literatur: Im „Religionsraum“ steht an einem Regalfach zum Beispiel „Religionsunterricht Oberstufe“. Es gibt Ratgeber für die Gestaltung von Kindergottesdiensten, für die Arbeit mit älteren Menschen und die beliebte Reihe „Religionspädagogische Praxis“. Online wurde ein Medienportal ergänzt – das allerdings aus Lizenzgründen nur für Menschen aus dem Bistum Erfurt nutzbar ist.

Kleines, aber engagiertes Team

Inzwischen stehen Jan und seine Mutter Agnieszka Pyka-Goldner an Christina Balints Schreibtisch. Jan hatte die Medienstelle öfter mit seinem katholischen Kindergarten besucht, seitdem seien sie fast wöchentlich hier, erzählt die Mutter. Heute, um ein Buch über Planeten auszuleihen, das Jan in der Schule vorstellen wird.

„Es gibt viele Eltern, die möchten, dass ihre Kinder lesen“, sagt Christina Balint. Sie selbst lese „pausenlos“. „In meiner Freizeit!“, fügt sie schnell hinzu. Sie wirkt verständnisvoll und ruhig. Leidenschaftlich wird sie, wenn es um Bücher oder Kinder geht. Was sie an Literatur für Kinder vermisse? „Bücher, die mehr am Alltag der Kinder dran sind und etwas weniger ‚mit Zauberei lösbar‘.“ Jemand wie Christine Nöstlinger fehle ihr, die für kleinere Leser schrieb, deren Lebenssituation klar benannt habe und immer auf der Seite der Kinder gewesen sei.

Markus Böttcher mit einem Kamishibai
Markus Böttcher mit einem Kamishibai (japanisches Papiertheater).

Beim Team sind dagegen kaum Wünsche offen, finden alle vier Mitarbeiter, von denen einige in Teilzeit tätig sind. „Wir sind ein sehr kleines Team, aber ein hochengagiertes“, sagt Christina Balint. Sie überlegen sich oft neue Projekte und Veranstaltungen, prüfen, wie sie sie umsetzen können – und starten einfach. Das gelingt durch ein selbst verwaltetes Budget sehr gut. So nahmen sie im April an der „Nacht der Bibliotheken“ teil, haben einen monatlichen Spieleabend eingeführt und veranstalten regelmäßig öffentliche Lesungen.

Die sich windende Treppe hinab landet man wieder bei Markus Böttcher. Er verleiht Spiele oder Erzähltheater. Auch sogenannte Kamishibai – A3-große Bilder, die man in einen Holzrahmen schiebt – seien sehr beliebt: „Kamishibai sind ein Hype. Sie werden mittlerweile auch gern privat für Kindergeburtstage ausgeliehen“, erzählt der 51-jährige pädagogische Mitarbeiter. Dafür werden sie in große Filztaschen verpackt und mitgenommen. 

Nachmittags geht die Tür häufig auf für Kinder und Eltern. Auch die Großen finden inzwischen Bücher für sich, Ratgeber und Romane, das sei so „mitgewachsen“. Besonders viele Besucher kommen an den langen Tagen, wenn Markus Böttcher die Türen erst nach 18 Uhr schließt und das Rolltor herunterfährt – geschafft und zufrieden. Bis zum nächsten Tag mit seinen Terminen und Besuchern.

Julia Reinard