Als Neugetaufte und Konvertierte im Bistum Magdeburg
„Vergesst uns Neue nicht!“
Foto: Johanna Marin
Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Jana Hertwig fröhlich winkend aus dem Fenster quer über den Hof ihr „Hallo!“ ruft, öffnet Kerstin Drobe vorsichtig die Tür, lächelt und streckt zögerlich die Hand zur Begrüßung aus. Trotzdem haben die beiden Frauen etwas gemeinsam: Sie wurden als Erwachsene getauft und haben sich im Bistum Magdeburg beim „Wochenende für erwachsene Neugetaufte, Suchende und Interessierte“ kennengelernt. Es wird von der Fachakademie für Gemeindepastoral angeboten. „Für uns ein absoluter Glücksfall“, betont Jana Hertwig, „denn wir Neuen haben sehr viele Fragen, sind frisch, unverbraucht und manchmal etwas naiv.“ In dem Kurs können sie diese Fragen stellen, ohne Angst, etwas verkehrt zu machen. „Wir haben sozusagen bei Null angefangen“, wirft Kerstin Drobe schmunzelnd ein, „und unseren Platz in der Kirche inzwischen gefunden.“
Sie führt durch ihre Taufkirche Zur Heiligsten Dreieinigkeit in Halle. Die Decke ist hoch, durch das Oberlicht fallen Sonnenstrahlen auf die bunt gestrichenen Wände und die im Halbkreis aufgereihten Kirchenbänke. So hell und umarmend wie der Kirchraum wirkt, wurde sie auch in der Gemeinde aufgenommen. „Mein Sohn kam Ende der dritten Klasse zu mir und sagte: ‚Mama, ich will mich taufen lassen‘“, erzählt die gelernte Krankenschwester, „also rief ich im Pfarrbüro an.“ So begann ihr Weg: Sie begleitete den Jungen als Betreuerin auf Religiöse Kinderwochen und in die heilige Messe. „Die Evangelien, die haben mich berührt“, sagt sie, „und wenn mein Sohn sonntags mal keine Lust auf die Messe hatte, war ich traurig.“ In Halle aufgewachsen, kannte sie viele Gemeindemitglieder zudem schon seit ihrer Kindheit. Weihnachten 2022 kam für sie der Wendepunkt. Zurück von der Christmette saß sie gemütlich auf dem Sofa, griff zum Handy und tippte eine Mail an Bruder Clemens Wagner vom Franziskanerorden in ihrer Gemeinde: „Ich will mich taufen lassen.“
Es war eine Vollendung
Der Wunsch in ihr wurde immer größer. Bei ihrer Taufe standen ihr Mann, ihr Sohn und ihre ganze Familie an ihrer Seite. Selbst ihr Chef war gekommen. „Eigentlich hatte ich vor, die Feier ganz klein zu halten“, erzählt Kerstin Drobe, „aber dann wollten immer mehr Leute dabei sein.“ Über die Frage, ob die Taufe für sie Zielpunkt einer langen Vorbereitung oder Startschuss für etwas Neues war, muss sie nicht lange nachdenken: „Es war eine Vollendung“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Ein langer Weg, der auch von spirituellen Erlebnissen geprägt war, und bei dem sie das Gesangbuch ihrer Großmutter von 1923 begleitete, mündete in dem Erlebnis: „Ich mache bei der Eucharistie nicht mehr Platz für die anderen in der Bank, sondern kann mit nach vorne kommen.“
Jana Hertwigs Weg zur katholischen Kirche war etwas gewundener. „Ich wurde bereits 2010 evangelisch getauft. Ein aktives Glaubensleben kannte ich aber nicht.“ Irgendwann kehrte sie all dem den Rücken, erzählt sie. „Ich hatte den Glauben einfach vergessen.“ Die Vermieterin einer Ferienwohnung brachte sie schließlich auf die katholische Spur. Die beiden hatten sich im Urlaub über ihre Konfessionen ausgetauscht. Als Jana Hertwig 2022 in einer Lebenskrise Hilfe suchte, wurde die Frau, eine polnische Katholikin, ihre erste Ansprechpartnerin. „Ich musste mich entscheiden, welchen Weg ich gehen will. Verharre ich in der Dunkelheit des Raumes oder nähre ich das Licht meiner Kerze, die ich noch zögerlich in den Händen hielt“, sagt Jana Hertwig. Eine zeitlang besuchte sie abwechselnd die katholischen Gottesdienste der Pfarrei Carl Lampert und die evangelischen in ihrem Heimatort Bennstedt. Schon nach ihrer ersten heiligen Messe wusste sie: „Hier bin ich zu Hause.“ Sie erzählt: „Von da an begann ein wunderbarer Weg, der mir bis heute noch manchmal unerklärlich ist.“ Aus der Dankbarkeit über den Segen erwuchs bald das Verlangen nach der Hostie.
Sehnsucht nach der Kommunion
Jana Hertwig konvertierte im Mai 2023, Kerstin Drobes Taufe fand im selben Monat statt. Da kannten sich die beiden Frauen noch nicht. Doch während Kerstin Drobe über ihren Sohn und die ehrenamtliche Arbeit mit Kindern schon Anschluss in ihrer Gemeinde gefunden hatte, suchte Jana Hertwig weiter. Sie lebt auf dem Dorf, die heilige Messe findet nur alle zwei Wochen statt. „Fahren muss man immer“, weist sie auf die regionalen Unterschiede hin. Ihre Heimatgemeinde habe sie liebevoll aufgenommen. „Doch die Eucharistie ist mir zu wichtig, ich brauche sie jede Woche – sie nährt mich.“ Deshalb fuhr sie ins Kloster Helfta, wo sie auf ihrem Weg auch spirituelle Erfahrungen machte. „Insbesondere die Gertrudskapelle dort ist – auch heute noch – mein ganz besonderer Kraftort. Aber mit dem Herrn kann ich im Grunde überall reden“, sagt sie und lächelt in sich hinein. Ihren Wissensdurst versuchte sie ebenfalls zu stillen. Antworten auf ihre Fragen fand sie schließlich in dem Kurs für Neugetaufte.
So lernten die beiden Frauen sich kennen. Es brauche Gemeinschaft, sind die beiden sich einig. „Egal ob gleich hinter der Haustür oder mit dem Auto erreichbar. Den Glauben zu erleben, nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern auch mit anderen – das haben wir erfahren“, sagt Jana Hertwig. Kerstin Drobe nickt und findet, dass der Kurs für Neugetaufte, Suchende und Interessierte genau das bietet: „Hier konnte man sich vorbehaltlos öffnen, Fragen stellen und gemeinsam nach Antworten suchen.“ Besonders wichtig seien für sie auch die praktischen Hinweise für den Glaubensalltag. „Wir sind eine Mäh-Gruppe“, sagt Kerstin Drobe und zückt ihr Handy, um das Foto eines Plüschtier-Schafs zu zeigen – das Maskottchen ihrer Gruppe. „Weil wir eine Gruppe aus Lämmern sind“, wirft Jana Hertwig lachend ein, „wie frisch geboren, noch unsicher auf den Beinen.“ Natürlich habe man da noch Fragen, sagt Jana Hertwig. Sie denkt, dass man die erwachsenen Neugetauften vor allem über Bildung erreichen könne. Dabei erhofft sie sich insbesondere von Priestern und Diakonen Führung. „Vergesst uns Neue nicht!“, bittet sie. Kerstin Drobe wünscht sich den Austausch mit anderen Neugetauften. Eine Art Religionsunterricht für Erwachsene. Inzwischen hält sie mit anderen Gemeindemitgliedern Religionsstunden für Kinder – dabei lerne sie selbst auch immer was, erzählt sie.
Taufe und Glauben bewusst erleben
So unterschiedlich wie ihre Wege zur katholischen Kirche waren auch die Reaktionen aus dem Umfeld. Kerstin Drobes Mann habe es mit einem Lächeln und einem „Mach ruhig!“ quittiert, erzählt die Krankenschwester. Vor allem der Satz ihres Chefs, selbst evangelisch, ist ihr in Erinnerung geblieben: „Von Ihnen hätte ich auch nichts anderes erwartet.“ Ihre Taufe fügte sich in ein Gesamtbild ein. Jana Hertwig hingegen stieß oft auf die Frage: „Wieso glaubst’n du an Gott?“ Doch ihre Mutter, ihre Kinder und ihre Freunde stärkten ihr den Rücken. Sie hat das Gefühl, dass Neugetaufte den Glauben intensiver erleben können. Und Kerstin Drobe fügt hinzu, was eine Frau aus ihrer Gemeinde zu ihr gesagt hat: „Du hast es gut: Du kannst bewusst erleben, was ich als Baby gar nicht mitbekommen habe.“
Das nächste Wochenende für erwachsene Neugetaufte, Suchende und Interessierte findet vom 23. bis 25. Mai statt. Anmeldung hier.