Neues Prämonstratenser-Kloster in Magdeburg
Ein „heiliger Bezirk“ mitten in der Diaspora
Oliver Gierens
Am Ende waren Pater Clemens Dölken die Strapazen der vergangenen Monate deutlich anzumerken. Während hunderte Gäste, darunter der Generalabt der Prämonstratenser aus Rom, Jos Wouters, und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), versammelt waren, um das neu gebaute Kloster des Ordens direkt am Magdeburger Elbufer zu segnen, musste sich der Prior des Magdeburger Prämonstratenser-Konvents zwischendurch hinsetzen. Es war ein langer Weg bis zur feierlichen Eröffnung des Neubaus: 2018 begannen die ersten Bauarbeiten auf dem Gelände der „Ökumenischen Höfe“, einem Areal zwischen der katholischen St.-Petri- und der evangelischen Wallonerkirche. Ein Jahr später machte ein Baggerfahrer beim Ausheben der Baugrube eine folgenschwere Entdeckung: In der alten Stadtmauer zum Elbufer hin legte er eine romanische Stube frei – und die Archäologen legten die Baustelle für gut zwei Jahre still.
Erst im Herbst 2020 konnten die Arbeiten weitergehen, ein Jahr später feierten die damals vier Ordensmänner ein Richtfest unter Corona-Bedingungen. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg sorgten wiederum für Materialknappheit und steigende Kosten: 3,6 Millionen Euro hätten es ursprünglich werden sollen, jetzt sind es zwei Millionen mehr geworden. Die ursprünglich kalkulierte Summe sei zwar insbesondere durch Spenden ausfinanziert, sagt Pater Clemens, doch für die zusätzlichen Kosten bittet der Orden weiterhin um Spenden.
Besonderes Geschenk: Reliquie des Ordensgründers
Dabei ist das Experiment eines Klosterneubaus mitten in einem weitgehend entchristlichten Gebiet ohnehin ein Wagnis: Nur rund drei Prozent der Sachsen-Anhalter sind katholisch in einer Region, die stark von der Reformation geprägt wurde. Doch bereits zuvor gab es den Prämonstratenser-Orden, der auch in Magdeburg seine Wurzeln hat. 1120/21 wurde er im französischen Prémontré vom heiligen Norbert von Xanten (um 1082-1134) gegründet, der später Magdeburger Erzbischof wurde. Mit dem Kloster Unser Lieben Frauen siedelte er „seinen“ Orden auch an der Elbe an, wurde dort sogar beerdigt. Im Zuge der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges verließen die „Norbertiner“, wie sie auch genannt werden, die Stadt und nahmen die sterblichen Überreste ihres Ordensgründers mit nach Prag, wo sie bis heute bestattet sind. Zumindest ein Stück davon ist jetzt nach Magdeburg zurückgekehrt: Zur Klostereinweihung übergab Ministerpräsident Haseloff, selbst praktizierender Katholik, eine Reliquie des heiligen Norbert an die Ordensleute.
Erst 1991, kurz nach der Wiedervereinigung, kehrte Pater Clemens Dölken vom Kloster Duisburg-Hamborn aus in die Elbestadt zurück, fünf Jahre später entstand hier ein Priorat, also eine von Hamborn abhängige Ordensniederlassung. Bisher wohnten die Ordensbrüder in einer alten Villa im Stadtteil Cracau, weit weg von der Innenstadt und mit wenig Platz für Gäste. Das ändert sich nun schlagartig – und das ist auch gewollt. Denn die „Ökumenischen Höfe“ sind ein Gemeinschaftsprojekt der katholischen und evangelischen Gemeinden. St. Petri ist seit einigen Jahren offiziell katholische Universitätskirche, die benachbarte Wallonerkirche beherbergt die evangelische Studentengemeinde. Daneben sind die katholische Pfarrei St. Augustinus, die evangelische Altstadtgemeinde und die evangelisch-reformierte Gemeinde auf dem Gelände ansässig. Jetzt ziehen auch die Prämonstratenser, die seit Jahren Augustinuspfarrei und katholische Studentengemeinde seelsorgerisch betreuen, auf das Areal.
„Rückzug der Christen ins Private darf es nicht geben“
„Magdeburg hat einen neuen heiligen Bezirk“, sagte Ministerpräsident Haseloff in seinem Grußwort während des Gottesdienstes zur Klostereinweihung. Zudem seien die „Ökumenischen Höfe“ offen für die ganze Gesellschaft, um miteinander für Frieden einzutreten, so Haseloff weiter. Bewusst wurde der Gottesdienst mit einem Grußwort des evangelischen Regionalbischofs Johann Schneider ökumenisch gefeiert – schließlich wollen die Konfessionen unter dem Druck der Diaspora und einer weiter nachlassenden Kirchenbindung enger zusammenwirken. „Wir haben keine Zeit mehr, als Christen auseinanderdividiert zu leben“, unterstrich Abt Albert Dölken aus dem Mutterkloster Hamborn. Die Kirchen hätten die Aufgabe, Menschen zusammenzuführen und so im Geiste Norberts und des heiligen Augustinus zu wirken, nach dessen Ordensregel die Prämonstratenser leben. Einen Rückzug der Christen ins Private dürfe es nicht geben, so Abt Albert.
Doch trotz aller Freude und ökumenischer Eintracht an diesem Tag: Der Klosterneubau falle in einer Zeit zunehmender Verunsicherungen und tiefgreifender Veränderungen in Kirche und Gesellschaft, betonte Bischof Gerhard Feige in seiner Ansprache. So falle die Einweihung des neuen Klosters in eine Zeit, in der Christen angesichts der Postmoderne vor die enorme Herausforderung gestellt seien, die Botschaft des Evangeliums wieder einmal auf eine neue sowohl verständliche als auch glaubwürdige Weise Menschen nahezubringen.
Schließlich, so Feige, habe man sich auch im Bistum Magdeburg bereits von Ordensgemeinschaften verabschieden müssen. „Ich bewundere die Kraft und den Elan, den Mut und die Zuversicht, die sich mit dem Bau verbinden“, betonte Feige – und doch schwangen angesichts der Kirchenkrise und der schwindenden Zahl an Priester- und Ordensberufungen auch nachdenkliche Töne in seinen Worten mit. Rund 1200 Prämonstratenser gibt es derzeit weltweit, davon noch rund 60 in Deutschland. Drei Ordensbrüder leben in Magdeburg, es waren schon mal vier.
Das neue Kloster, so betont Pater Clemens Dölken, soll auch jungen Männern offenstehen, die sich für das Ordensleben interessieren und für einige Zeit in der Gemeinschaft mitleben wollen. Zugleich soll auf dem Gelände noch einiges passieren: Das alte Pfarrhaus aus den 1970er Jahren soll vor allem für Jugendarbeit wieder hergerichtet, ein ehemaliger Lutherturm perspektivisch wieder aufgebaut werden. Viele Pläne für eine kleine Ordensgemeinschaft, die zumindest in Europa nicht gerade von Novizen überrannt wird. „Gemeinsam versuchen wir auf je eigene und vielfältige Weise, uns den gegenwärtigen Herausforderungen schöpferisch zu stellen“, fasste es Bischof Feige zusammen. „Dafür wollen wir beten und um Gottes Segen bitten.“