Ricarda Lang diskutiert auf dem Sachsensofa über Migration

Heißes Eisen, ruhiger Dialog

Image
Ricarda Lang im Gespräch
Nachweis

Fotos: Uwe Soeder

Caption

Ricarda Lang spricht nach dem Ende der Podiumsdiskussion mit einem Zuhörer. In den Händen halten sie die Friedenslichter, die als Hoffnungszeichen beim Sachsen-Sofa verteilt werden.

Prominente Politiker diskutieren in Glashütte auf dem Sachsen-Sofa über Migration. Der Austausch ist besonnen und sachorientiert. Es wird um eine Akzeptanz in der Bevölkerung gerungen. Draußen protestieren Rechtsextreme.

So viel Polizei dürfte vor der ehemaligen katholischen Kirche in Glashütte selten zu sehen sein. Oben am steilen Hang des Müglitztals in dem früheren Sakralgebäude, das inzwischen Veranstaltungs-Forum der Uhrenfirma Nomos ist, steht an diesem Abend eine Couch, schwarz-gelb bezogen, die Farben des sächsischen Wappens. Eine prominente Politikerin, die darauf Platz nehmen soll, ist Ricarda Lang.

Taizé-Gesang gegen Auto-Hupen

Das hat die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“ auf den Plan gerufen. Deren Anhänger protestieren mit einem Autokorso, der von Heidenau herüberkommt, gegen den Auftritt der Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Grüne in dem ost­erzgebirgischen Städtchen. Die Evangelische und die Katholische Akademie haben Ricarda Lang auf ihr Sachsen-Sofa eingeladen, zur Diskussion mit Sachsens Ausländerbeauftragtem Geert Mackenroth (CDU) und Claudia Nikol, die beim Umweltzentrum in Dresden mit Flüchtlingen arbeitet. „Weites Herz, begrenzte Möglichkeiten?“, lautet das Motto. Um Migration und Integration soll es gehen, ein heißes Eisen.

Vor Beginn stimmt der katholische Pfarrer Vinzenz Brendler in einer Hoffnungsandacht mit Blockflöte den Taizé-Gesang „Meine Hoffnung und meine Freude“ an. Stephan Bickhardt, Direktor der Evangelischen Akademie, mahnt zu Besonnenheit und zum Hören auf Argumente.
Von draußen schallen Autohupen herein. Sven Gleißberg, parteiloser Bürgermeister der Stadt, wirkt nervös. Wichtigster Arbeitgeber seiner 1700-Einwohner-Stadt sind die zehn Uhrenmanufakturen. Die dort beschäftigten Fachleute stammen aus mehr als einem Dutzend Ländern. Kommt es hart auf hart, fürchtet er, könnten unschöne Zeichen in die Welt gehen, wo Glashütte einen guten Ruf genießt. In einer Ecke des Raums erkennt Gleißberg AfD-Anhänger aus dem Ort. Doch der Protest draußen läuft ohne größere Krawalle ab. Die Diskussion drinen wird zum entspannten Austausch.

Schneller Arbeit, mehr Akzeptanz für Migranten

Als ein brennendes Problem auf dem Debattiermöbel spricht Ricarda Lang an, dass Flüchtlingen so lange die Möglichkeit zur Arbeit versagt bleibt. An vielen Stellen würden händeringend Fachkräfte gesucht. Und die Flüchtlinge wollten arbeiten, um schnell von Schutzsuchenden zu Steuerzahlern zu werden. Arbeitsverbote für sie müssten abgeschafft werden. Außerdem solle man ihre Berufsabschlüsse schneller anerkennen. „Arbeit ist der zentrale Schlüssel für Integration“, meint sie.

Sie  fordert bessere finanzielle Unterstützung für die Kommunen, die an ihre Grenzen gekommen seien. Bürokratie müsse abgebaut, Flüchtlinge in Europa besser verteilt werden. Das Dublin-Abkommen sieht sie als gescheitert an. Grundsätzlich aber solle jeder, der Schutz brauche, ihn auch bekommen. Doch wer kein Recht zu bleiben habe, müsse ausreisen. Rechtsstaatlich sei das über Abkommen zu regeln.

Geert Mackenroth warnt: Würden für Migration keine Lösungen gefunden, die eine breite Mehrheit des Volkes akzeptiere, werde es zu den Wahlen ein böses Erwachen geben. Könnten Flüchtlinge schneller arbeiten, steigere das ihre Akzeptanz und entlaste die Kommunen. Und die deutsche Sprache würden sie am besten beim Arbeiten lernen.

Claudia Nikol berichtet, wie ihre ehrenamtlichen Mitstreiter und die Flüchtlinge sich durch einen Wust an Papieren zu kämpfen hätten. „Es ist ihr großer Wunsch, dass das einfacher wird.“

Sachsensofa in Glashütte
Am 8. Februar wurde offen und lösungsorientiert diskutiert. Etwa 140 Menschen waren der Einladung zum Sachsen-Sofa mit dem Titel „Weites Herz, begrenzte Möglichkeiten?“ zu den Themen  Integration und Migration gefolgt.

Rechtsextremen nicht Thema überlassen

Scharfe Erwiderungen aus dem Publikum bleiben aus. Ein Arzt aus Jordanien meldet sich zu Wort. Seine Ausbildung werde in Sachsen nicht anerkannt. Kollegen von ihm wären in andere Bundesländer gegangen, weil das dort einfacher sei. 

Eine Zuhörerin wendet vorsichtig ein, dass etliche Migration als nicht gelungen empfinden, Parallelgesellschaften und Ablehnung der Demokratie erlebten. Wolle man die Spaltung der Gesellschaft überwinden, müsse man Befürwortern wie Gegnern von Migration etwas geben, sagt Geert Mackenroth. Dazu gehöre auch, Menschen ohne Bleiberecht mit Nachdruck zu bitten, das Land zu verlassen. Ricarda Lang meint: „Wir dürfen das Thema nicht den Rechtsextremen überlassen.“ 

Tomas Gärtner