Starke Frauen in der Kirche
Frauen, die das Leben lieben

Foto: Johanna Marin
Auch die Priorin des Klosters, Irene Gassman (rechts), inspiriert die Pilgerinnen. Juliana Gombe (links) hält die Begegnung mit dem Handy fest.
Vor meinem Fenster schreitet gerade eine Benediktinerin in ihrem grauen Arbeitsgewand durch den Klostergarten und ruft dem Gärtner lachend Anweisungen zu. Sie ist eine von vielen Frauen, denen ich diese Woche begegnen darf: bei der Pilgerinnenreise vom Bistum Magdeburg ins Kloster Fahr in der Schweiz. Eigentlich sind wir auf den Spuren der Mystikerin Mechthild von Magdeburg unterwegs, doch in geselliger Runde erzählen die siebzehn ökumenischen Pilgerinnen auch von anderen Frauen, die sie begeistert haben.
„Ich habe euch doch gesagt: wir sollen die Menschen froh machen!“ Ulrike Bundschuh ist evangelische Pfarrerin – und stellt mit diesem Zitat eine der wohl bekanntesten Katholikinnen vor: Elisabeth von Thüringen. Sie ist beeindruckt davon, wie furchtlos die Königstochter Kontakt zu den Armen aufnahm. In Elisabeths Gerechtigkeitssinn findet sie Parallelen zur heutigen Gesellschaft: Weil die Armen nichts zu essen hatten, aß auch die Heilige nur wenig. „Auch heute müssen wir uns fragen, wo unser Essen eigentlich herkommt, wer dafür gearbeitet und wer daran verdient hat“, sagt die Pfarrerin. Sie bewundert, wie Elisabeth sich um die Ärmeren kümmerte: „Wer aus der sozialen Arbeit kommt und mal bei der Tafel gearbeitet hat, weiß, dass das nicht immer einfach ist. Die Menschen schämen sich, Neid spielt eine Rolle.“ Genau deshalb gefällt Ulrike Bundschuh Elisabeths Botschaft – die Menschen eben nicht nur satt, sondern auch froh zu machen.
Charismen nicht gegeneinander ausspielen
Annette Thaut, die selbst Mutter von vier erwachsenen Kindern ist, stellt eine weitere Frau vor, die angepackt hat – und dafür nicht gelobt wurde. Martha, die Schwester Marias. Sie ist die Patronin der Hausfrauen und Köche, dabei sagte Jesus ihr, dass sie sich auf das Unwesentliche konzentriert hätte, dass ihre Schwester Maria, die Jesus zu Füßen sitzt und ihm lauscht, es richtig macht. Vielleicht stürzte Martha danach in eine Sinnkrise, überlegt Annette Thaut. Und zugegeben – wer würde das nicht, wenn Jesus einem vorwirft, dass man sich mit Unwesentlichem aufhält? Andererseits bestimmen Haushalt und Essen auch heute unseren Alltag – dass Menschen sagen, sie würden sich selbst eher in Martha wiederfinden als in Maria, habe ich schon häufiger gehört. Doch Annette Thaut erzählt den Frauen, die hier im Kreis sitzen, noch von einem anderen Blick auf Martha: „Martha war streitlustig und mutig und hat eine der ersten Hauskirchen mitbegründet.“ Das wisse man aus dem Johannesevangelium, sagt sie, denn: „Johannes wusste, dass es in der Kirche starke Frauen braucht.“ Und dann gelingt es Annette Thaut, Maria und Martha miteinander zu vergleichen, ohne sie gegeneinander auszuspielen. Denn Maria, so sagt sie, stehe für das kontemplative, nachdenkliche Christentum. Martha hingegen sei Sinnbild für das tätige, aktive Christentum – und beides braucht es.
Juliana Gombe ist in Angola aufgewachsen. Frauen hätten hier in Deutschland viel mehr Chancen und Möglichkeiten als in ihrer Heimat, erzählt sie. Dass es dennoch auch hier nicht allen gut geht, weiß sie – sie ist gesetzliche Betreuerin für Menschen, die ihre Behördengänge aufgrund einer Behinderung nicht allein bestreiten können. Juliana Gombe stellt die erste schwarze Frau vor, die jemals heiliggesprochen wurde: Josefine Bakhita. Eine aus dem Sudan entführte Sklavin, die sich nach ihrer Befreiung taufen ließ und einem Frauenstift beitrat. Was sie an ihr fasziniert? Auf die Frage, was sie tun würde, wenn sie ihren Entführern begegnen würde, entgegnete Josefine Bakhita einst: „Ich würde niederknien und ihnen die Hände küssen – denn sonst wäre ich heute nicht katholisch und nicht Ordensfrau.“ Vor so viel Dankbarkeit und Glückseligkeit zieht Juliana Gombe den Hut: „Wie mutig sie war!“
Talente dort einbringen, wo sie helfen können
Wie so oft, wenn Menschen zusammenkommen, fließen auch bei dieser Pilgerinnenreise viele Talente zusammen. Angela Degenhardt schnappt sich ihre Gitarre und stellt die Schriftstellerin Hilde Domin vor, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung in den 1930er Jahren ins Exil gehen musste. Die Gemeindereferentin erzählt uns nicht die Geschichte, die hinter der Frau steht, sondern lässt ihr Gedicht in einem Lied wirken: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“, singt sie Hilde Domins Worte, während die anderen Pilgerinnen lauschen. Auch Angelika Pohler setzt ihr Talent ein, um eine umstrittene Frau vorzustellen: Die Apostelin Junia, die im Römerbrief genannt wird und bei der Exegeten sich uneinig waren, ob der Name aus dem Griechischen mit „Junius“ oder „Junia“ zu übersetzen sei. In der Einheitsübersetzung von 2016 findet sich die weibliche Form. Angelika Pohler ist studierte Grafikerin. „Junia hat mich berührt und ich dachte, wenn Gott mir schon diese Begabung gegeben hat, wieso soll ich sie nicht malen?“, sagt sie in die Runde und verteilt kleine Portraits. Junia mit langem rotem Haar, einen Kelch zum Abendmahl in der Hand – „Ich stelle sie mir als Leiterin einer Hausgemeinschaft vor“, sagt Angelika Pohler, die ihre Version der Junia mit fließenden Wasserfarben gemalt hat.
Zu guter Letzt meldet sich eine Pilgerin zu Wort, die selbst das Bundesverdienstkreuz erhalten hat. Monika Schwenke ist ebenfalls vierfache Mutter und Abteilungsleiterin bei der Caritas im Bistum Magdeburg. „Brauchen wir eine bestimmte Funktion oder Position in einer Institution?“, fragt sie in den Raum. „Ich finde, alle Frauen, die wir uns heute gegenseitig vorgestellt haben, haben in ihrem Leben ganz vielen Menschen geholfen – ohne dabei irgendeine Position innezuhaben. Und wir reden bis heute von ihnen!“
Und wenn ich mir so anschaue, wie die Schwestern im Kloster Fahr von ihrer Gemeinschaft erzählen, oder die Pilgerinnen von ihrem Leben, von ihrer DDR-Vergangenheit, ihren Projekten und ihren Kindern, Enkeln und Familien, denke ich, dass wir gar nicht so weit in die Vergangenheit schauen müssen, um Vorbilder zu finden. Manchmal reicht auch der Blick nach links und rechts – oder eben aus dem Fenster in den Klostergarten.