Pro & Contra: Tanzverbot am Karfreitag
Tanzen – an jedem Tag im Jahr?
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Pro
"Ein Tanzverbot finde ich zumutbar"
// Adrian von den Eicken
Als Jugendlicher, der eigentlich gern frischen Wind in das christliche Leben bringt, fällt es mir oft schwer, Traditionen anzunehmen, die schon älter sind als ich selbst. Trotzdem finde ich das Tanzverbot am Karfreitag gut.
Der Karfreitag ist für uns Christen ein zentraler Feiertag, an dem wir uns an den Tod Jesu erinnern. Sein Opfer am Kreuz symbolisiert die bedingungslose Liebe Gottes und die Erlösung für die Menschheit. Mir ist es wichtig, diesen Tag mit Respekt und Besinnung zu begegnen, fernab von der Hektik des Alltags.
Genau dazu bietet das Tanzverbot am Karfreitag Gelegenheit. Indem ich mir bewusst die Zeit nehmen kann, über die Bedeutung des Leidens Jesu nachzudenken, kann ich seine Botschaft der Liebe und Vergebung tiefer verstehen und versuchen, diese auch im Alltag zu leben – zum Beispiel im Umgang mit meinen Mitmenschen.
Mir ist natürlich bewusst, dass viele Menschen in Deutschland nicht mehr an Gott glauben. Wohl nicht wenige werden die Bedeutung von Karfreitag gar nicht kennen. Eigentlich möchte ich ihnen deshalb auch nichts vorschreiben oder gar verbieten.
Das Ruhegebot an Karfreitag zu achten, ist für mich aber ein Zeichen dafür, dass wir als Gesellschaft – in einem zumutbaren Maße – bereit sind, Rücksicht auf den Glauben des Mitmenschen zu nehmen. Das Tanzverbot aus religiösen Gründen gilt nur an sehr wenigen „stillen Tagen“ im Jahr. Ansonsten darf getanzt und gefeiert werden. Warum auch nicht? Auch ich selbst bin gern unter Leuten und schätze die Gemeinschaft.
Aber das Leben besteht für mich aus mehr als nur Unterhaltung und Vergnügen. Auch für Menschen, die so glauben und denken wie ich, sollte es Raum für Besinnung geben. Eben das drückt das gesetzliche Tanzverbot aus. Dafür würde ich mir Verständnis und Toleranz wünschen.
Übrigens: Wer sich auch an Karfreitag in geselliger Runde treffen möchte, kann das ja tun. Das Tanzverbot steht dem nicht im Wege. Gaststätten dürfen zwar keine laute Musik spielen, aber ganz normal Getränke ausschenken. Auf einen geselligen Kneipenabend muss also auch an Karfreitag niemand verzichten.
Contra
"Mein Gott, warum darf ich nicht feiern?"
// Elisabeth Marx
Keine öffentlichen Veranstaltungen, keine Fußballspiele, keine Partys – jeden Freitag vor Ostern. Je nach Bundesland sogar auch an den Tagen davor und danach. Grund dafür ist Karfreitag, der Feiertag zum Gedenken an Jesu Leiden und Tod. Im Christentum ein wichtiger Tag, darum im christlich geprägten Deutschland auch gesetzlicher Feiertag.
In erster Linie bedeutet das für die meisten Menschen: keine Arbeit, keine Einkaufsmöglichkeiten. Wie auch jeden Sonntag. Wie an jedem Tag, an dem Tod und Auferstehung Christi gefeiert werden. Diese christliche Tradition ist zum Glück auch im Sinne der Work-Life-Balance von nicht-christlichen Arbeitnehmern tief in der Gesellschaft und Gesetzen verankert.
Aber das zusätzliche Verbot geht zu weit. Laut dem Religionsmonitor 2023 der Bertelsmann-Stiftung ist nur noch ein Viertel der deutschen Bevölkerung katholisch, etwas weniger evangelisch, einige wenige Deutsche gehören anderen, nicht-christlichen Religionen an. 44 Prozent der deutschen Bevölkerung sind konfessionslos. Für mehr als die Hälfte der Bevölkerung spielt Karfreitag keine Rolle, Tendenz steigend.
Das kann man bedauern, aber mit dieser Situation müssen wir umgehen. Auf der Grundlage kann die Glaubens- und Religionsfreiheit nicht mehr in dem Maße Grundrechte wie das Versammlungsrecht aller bestimmen, zu der auch das Recht auf gemeinsames Tanzen gehört. Verbote bringen nur etwas, wenn sie nachvollziehbar sind. Das können viele nicht mehr. Deswegen gilt: Wenn die Gesellschaft den Karfreitag nicht mehrheitlich zelebriert, gibt es keinen Grund, dem Großteil der Bevölkerung das Tanzen zu untersagen.
Warum einer Gesellschaft Verbote auferlegen, deren Gründe für sie ohne Bedeutung sind? Warum den Menschen in ihre persönliche Lebensgestaltung eingreifen? Niemand hindert Christen daran, den Tag still zu begehen. Aber genauso darf niemand daran gehindert werden, den Tag laut zu begehen. Das gilt für Karfreitag, wie für alle anderen „stillen“ Feiertage, etwa Totensonntag oder Volkstrauertrag.