Interview mit Pia Stapel
10 Jahre im Dienst für Behinderte
2011 wurde die Stiftung Katholische Behindertenhilfe gegründet, um intensiv und zielgerichtet mit und in den zugehörigen Einrichtungen der Behindertenhilfe zu arbeiten. Von Beginn an ist Pia Stapel Geschäftsführerin der Stiftung.
Was war damals das Ziel dieses Zusammenschlusses?
Vor Gründung der Stiftung gehörten die Einrichtungen mit zum großen „Gemischtwarenladen“ des Diözesan-Caritasverbandes. Durch die Bündelung der Behindertenhilfe-Einrichtungen sollte ein neuer starker Verbund aufgestellt werden, in dem sehr viel intensiver und näher an den Einrichtungen gearbeitet werden kann. Auf diese Weise sollen die Angebote für die Menschen mit Beeinträchtigung besser aufeinander abgestimmt und weiterentwickelt werden können. Außerdem ermöglicht der Zusammenschluss auch die systematische Zusammenarbeit mit Blick auf übergreifende Themen wie zum Beispiel Verwaltung, Fortbildungen oder Qualitätsmanagement.
In den letzten zehn Jahren sind viele Schritte zur Erreichung dieser Ziele gegangen worden und die Stiftung hat sich als Erfolgsmodell gezeigt. Wir bleiben auf diesem Weg und werden die Stiftung mit ihren Strukturen und mit ihrer Haltung „mitten ins Leben“ auch in Zukunft noch weiter ausbauen.
Von Zeit zu Zeit kommt vor allem bei einigen Mitarbeitenden die Frage auf, warum sie nicht mehr beim Diözesan-Caritasverband oder beispielsweise direkt bei der Heimstatt Röderhof angestellt sind. Warum ist das so?
Die Rechtsform „Stiftung“ wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass hier eine neue dauerhafte Struktur geschaffen werden sollte, auf die sich sowohl Bewohner und Beschäftigte als auch Mitarbeiter und externe Partner verlassen können. Der Stiftungszweck ist sehr klar formuliert und verdeutlicht die Fokussierung auf „die Förderung, Unterstützung und Weiterentwicklung katholischer Behindertenhilfe im Bistum Hildesheim“. Das ist unsere Aufgabe.
Außerdem verfügen wir damit auch über eine anerkannte Gemeinnützigkeit und halten durch die geordnete Gremien- und Aufsichtsstruktur (Stiftungsvorstand, Stiftungsrat, bischöfliche Stiftungsaufsicht) die Standards guter Unternehmensführung ein.
Wir sind als Stiftung nun also Dienstgeberin für alle Mitarbeitenden der sechs Stiftungseinrichtungen, die sich aber natürlich daneben richtigerweise auch sehr ihren jeweiligen Einrichtungen zugehörig fühlen und dort starke Dienstgemeinschaften pflegen. Die Stiftung ist bildlich gesprochen das Dach, unter das sich alle stellen und das alles zusammenhält.
Der Slogan „Mitten ins Leben“ ist so etwas wie der Leitspruch der Stiftung. Was verstehen Sie selbst unter diesem Motto?
Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, dass alle Menschen ihren Platz im Leben finden, an dem es ihnen gut geht und der für sie passt. Das muss selbstverständlich auch für Menschen mit einer Beeinträchtigung gelten.
Mit der Stiftung wollen wir dafür Ermöglicher sein: Wie können wir Menschen so unterstützen und begleiten, dass sie mitten in ihr eigenes Leben finden? Die Antwort ist dabei sehr unterschiedlich, denn die Bedürfnisse der Menschen sind individuell sehr verschieden und es gibt keine gleiche Lösung für alle. Das ist eine große Herausforderung, aber gleichzeitig auch Motivation, unsere Angebote immer wieder zu überdenken und weiterzuentwickeln.
Wenn Sie zurückblicken, was waren für Sie die „Highlights“ in der Geschichte der Stiftung?
Die ersten zehn Jahre Stiftung sind gefühlt wie im Flug vergangen und das Jubiläum bringt mich jetzt dazu, wirklich einmal innezuhalten und bewusst zurückzuschauen. Schlussendlich ist tatsächlich sehr viel passiert!
Als Beispiele möchte ich den Aufbau des „Ideenbahnhofs“ in Baddeckenstedt nennen, wo wir verschiedene tagesstrukturierende Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen etabliert haben und auch schon Kooperationen mit anderen Caritas-Partnern hatten und in Zukunft noch haben werden.
Daneben haben wir vor einigen Jahren den großen Prozess „Neue Räume schaffen“ in der Heimstatt Röderhof begonnen, bei dem es um die Sanierung der Gebäude auf dem Campus in Diekholzen und damit verbunden auch um eine konzeptionelle Neuausrichtung und weitere Öffnung nach außen geht. Die St.-Franziskus-Schule kann mittlerweile schon mit großer Begeisterung tolle neue Räume nutzen.
In Hannoversch Münden haben wir es geschafft, nach vielen vergeblichen Ansätzen neue Räumlichkeiten für die Verwaltung und die Tagesstruktur des Caritas-Wohnen Hann. Münden zu finden. Somit ist die Einrichtung nun mit einem dezentralen Wohnangebot und einem zentralen „Kern“ in der Innenstadt neu aufgestellt.
Ich könnte hier noch viele weitere Beispiele nennen. Was sie alle verbindet ist, dass wir uns immer wieder gewachsene Strukturen und schon lange bestehende Herausforderungen vornehmen und für die Zukunft neue Lösungen finden. Stichworte sind dabei eine zielgenaue Dezentralisierung, der vermehrte Aufbau von Kooperationen und das immer noch weitere Hereinholen der Welt – Inklusion ist keine Einbahnstraße!
Im Sommer soll das 10-jährige Jubiläum der Stiftung mit einem „Domhoffest“ gefeiert werden. Was ist da geplant?
Wir möchten am 18. Juni gemeinsam mit möglichst vielen Bewohnerinnen und Bewohnern, Beschäftigten und Mitarbeitenden unsere Stiftung und damit unsere Gemeinschaft feiern! Es soll ein großes, fröhliches Fest werden, wo gegessen, getrunken, gelacht und vielleicht sogar getanzt wird. Auch unser Bischof Heiner wird dabei sein und das Fest zusammen mit uns mit einem Gottesdienst eröffnen. Wir werden bei der Organisation und Gestaltung des Festes von der Sozialagentur Cluster unterstützt, die schon ein tolles Rahmenprogramm zusammengestellt hat.
Natürlich steht und fällt die Umsetzung des Festes mit dem Stand der Corona-Pandemie im Sommer. Falls wir dadurch zu sehr eingeschränkt würden, werden wir das Fest verschieben oder eine andere Alternative finden. Aber es wird in irgendeiner Form auf jeden Fall früher oder später stattfinden. Ich freue mich schon sehr darauf!
Was würden Sie sich zukünftig für die Stiftung wünschen, wenn Sie drei Wünsche frei hätten?
Als erstes wünsche ich mir einen neuen Landesrahmenvertrag, der eine individuellere Begleitung der Menschen mit Beeinträchtigung möglich macht – das heißt, mehr Unterstützung bei der individuellen Freizeitgestaltung, mehr Wahlmöglichkeiten für alle bei der Wohnform (allein, kleine WG, Wohngruppe …) und eine saubere Klärung der Schnittstellen, damit wir nicht immer wieder an den gleichen Baustellen hängen bleiben (zum Beispiel der Einsatz von ambulanten Pflegediensten, wo das nötig und hilfreich ist).
Weiterhin wünsche ich mir, dass die Bürokratie wieder mehr eingefangen wird. Gerade vor Ort in den Einrichtungen haben die Mitarbeitenden mittlerweile so viel zu tun mit Dokumentation, Verwaltung und Prüfungen. Es muss wieder mehr Netto-Zeit für die Menschen übrigbleiben, damit wir unseren Auftrag „mitten ins Leben“ auch erfüllen können. Corona verstärkt diesen Aufwand natürlich gerade sehr und ist nicht verhandelbar, aber es wird auch eine Zeit nach Corona geben!
Schließlich wünsche ich mir, dass wir unsere Werte und Prinzipien, die wir in unserem Leitbild zusammengefasst haben, weiterhin leben und pflegen können. Der Geist, der in der Stiftung herrscht, ist so großartig gewachsen – darauf müssen wir unbedingt weiter aufbauen.
Fragen: Edmund Deppe