Hungertuch aus Barnstorf

15 Einzelarbeiten aus dem Homeoffice

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Eine ökumenische Künstlergruppe aus Barnstorf hat ein Hungertuch zur Corona-Pandemie gestaltet. Die Patchworkarbeit macht deutlich, dass diese schwierige Zeit einer Wüstenwanderung gleicht.


Das Hungertuch aus Barnstorf mit 15 Motiven zur Pandemie-Zeit. Foto: Simone Brauns-Bömermann

Der Sonntagmorgen „Am Rosengarten“ in Barnstorf versprach kein Fasten – jedenfalls kein Sonnenfasten. Im Gottesdienst in und vor der Kirche St. Barbara und St. Hedwig stellte die ökumenische Künstlergruppe ihr Corona-Hungertuch vor. Es setzt sich diesmal aus 15 Einzelarbeiten auf Leinwand zusammen. 

„Die Wüste“ lautet das passend zur Corona-Pandemie gewählte Motto. Die Hobbykünstler um Reinhard Börger hatten nicht wie sonst gemeinsam an einem großen Tuch gearbeitet, sondern jeder für sich zu Hause im Homeoffice. Später wurden die Motive zu einer Patchworkarbeit zusammengefügt. 

Für die Präsentation wählte die Gemeinde den ersten Fastensonntag. „Corona hat uns alle voll im Griff. Aber wir Künstler haben trotzdem unsere kreativen Oasen im Homeoffice entdeckt“, sagte Reinhard Börger. 

Die 15 Exponate spiegeln Ängste, die Sehnsucht nach Nähe, die Veränderung der Menschen in der Pandemie, aber auch Mut, Vertrauen und Hoffnung wider. „Das haben wir so noch nicht erlebt. Viele Menschen machen sich Sorgen um ihre Existenz, das Mit-einander und die Zukunft. Man muss sich selbst aushalten und kann nicht weglaufen“, erklärt Börger weiter. „Das sind Wüstenzeiten, wie Jesu sie durchgestanden hat während seiner 40-tägigen Reise durch die Wüste.“ 

Wie Emma McLaughlin und Friederike Schierholz die Wüste der Corona-Zeit erleben, schilderten die beiden im Gottesdienst. „Ich wollte vor Corona weniger mit dem Handy machen. Pustekuchen, daraus wurde nichts. Ins Kino und schwimmen gehen, fehlen mir sehr, aber ich hoffe, dass wir alle aus der Zeit lernen. Ich gebe nicht auf, ich halte an meinen Träumen und Hoffnungen fest“, sagte Emma McLaughlin. 

Das Hungertuch lädt zum Erkunden ein


Das Coronavirus, so zeigt es dieser Ausschnitt des Hungertuchs, beherrscht
auch die Berichterstattung in den Medien. Foto: Simone Brauns-Bömermann

„Ja, langsam nervt es, das C-Wort. Aber mein Mann und ich haben einen krisenfesten Job, Großeltern, die bei der Kinderbetreuung helfen, wenn ein Kind heult, eins aufs Klo muss und das dritte Hausaufgaben macht, während ich meine Schüler von zu Hause aus unterrichte“, berichtet Friederike Schierholz. „Der erste Lockdown schien mir, als durchquerte ich eine Wüste, sehe aber Grün. Jetzt denke ich: Das ist eine vor mir her fliehende Fata Morgana.“ 

Trotzdem findet Schierholz, dass es ihrer Familie gutgehe, sie gelernt habe, dass es nicht immer fünf Kindertreffen-Termine am Nachmittag sein müssten und die Kinder weniger nach der Kita fragten. „Das Einzige, was ich vermisse, ist das echte Gefühl der Selbstbestimmtheit.“ Das Hungertuch lädt zum Erkunden ein, auch wenn es eigentlich dazu bestimmt ist, den Altar zu verhüllen, damit auch die Augen fasten. Mal ist das kleine Virus groß in einer Zeitung dargestellt, mal trennt es die Menschen wie eine unüberwindbare Klippe. Mal ist das Virus gefangen, wie im Fischglas eingesperrt, mal liegt es im Sarg, gestorben in der Wüste. Eine Darstellung zeigt es gefangen im Rapunzelturm. Die abstrakteste Arbeit reduziert sich auf den Horizont zwischen Erde und Himmel und spiegelt Hoffnung. Dass das Virus aber der Choreograph in dieser Zeit ist, zeigen alle Werke.

Simone Brauns-Bömermann