Auftritt der Zirkusfamilie Trumpf

Akrobatik im Gottesdienst

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Heiligabend ohne Christmette? Für viele undenkbar. Auch für Pfarrer Hans-Günter Sorge. Damit möglichst viele Menschen trotz Corona-Beschränkungen teilnehmen können, organisiert er einen Drive-In-Gottesdienst in Zeven – der Altar steht im offenen Zirkuszelt. Als besonderes Highlight gibt es einen Auftritt der Zirkusfamilie Trumpf.


Gehen gemeinsam durch die schwierige Zeit: Katja und
Ronny Trumpf mit Hündin Penny. Die Zirkusfamilie ist seit
acht Monaten mit ihrem Zirkus Minimax bei Oyten gestrandet.
 

Der Wind fegt kalt über die Wiese hinter der Feuerwehr in Bassen. Es ist fast null Grad in der Vorweihnachtszeit. Umrahmt von einem kleinen Zaun stehen die gut zehn Wohn- und Versorgungswagen der Zirkusfamilie Trumpf wie eine Wagenburg dicht an dicht. Zwischendrin sind Gehege für die Tiere aufgebaut: Hühner, Meerschweinchen, Hunde, Tauben und die Laufenten Lisa und Bert haben hier ihren Platz gefunden. Es beginnt zu nieseln. „Gemütlich geht anders“, sagt Zirkus-Chef Ronny Trumpf und bittet in einen der Wohnwagen.

Er ist weihnachtlich dekoriert und gemütlich gestaltet. Der kleine Wohnwagen ist das Zentrum der siebenköpfigen Familie. Hier wird gemeinsam gegessen, erzählt und gerade in der Vorweihnachtszeit viel zusammen gespielt. Jetzt, am Vormittag, sind Zirkus-Chef Ronny und seine Frau Katja allein. Die Kinder sind in der Schule. Das Ehepaar steckt bunte Leuchtballons zusammen, die sie in der Umgebung verkaufen. „Wir müssen sehen, dass etwas Geld reinkommt“, sagt Katja Trumpf. Denn eigentlich wäre jetzt – kurz vor Weihnachten – Hochbetrieb im Zirkus. In diesem Jahr wäre der Zirkus Minimax Teil eines großen Weihnachtszirkus’ bei Osnabrück gewesen mit täglich mehreren Vorstellungen. Doch Corona hat hier einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Seit dem Frühjahr sitzt der kleine Zirkus in Bassen, wenige Kilometer außerhalb von Oyten, fest.

Es ist schwer, zur Untätigkeit verdammt zu sein

Die Corona-Krise hat den Familienbetrieb in eine schwere Existenzkrise gestürzt. Denn keine Auftritte bedeutet keine Einnahmen. „Es ist schwer für uns, so zur Untätigkeit verdammt zu sein“, sagt Katja Trumpf. Doch die 40-Jährige und ihr ein Jahr jüngerer Mann bewahren sich ihren Optimismus. Auch für die fünf Kinder, die zwischen sechs und 19 Jahren alt sind. „Wenn wir Großen den Kopf hängen lassen, was sollen dann die Kinder machen?“, so Ronny Trumpf.

So gut es eben geht, haben sie sich in der Zeit des Stillstands eine Routine geschaffen. Sie gehen gerade an den Wochenenden viel in der Natur spazieren, Pilze sammeln und versuchen so gut es geht weiter zu trainieren. Doch da nicht genug Platz ist um das Zirkuszelt aufzubauen, wird das jetzt, in der kalten Jahreszeit immer schwieriger. Umso mehr haben sich die Trumpfs gefreut, als sie vor einigen Wochen einen Anruf von Pfarrer Hans-Günter Sorge bekamen. Sorge, der als Springer im Bistum Hildesheim immer dort aushilft, wo Not am Mann ist, war in diesem Jahr vom Pfarrer der Rotenburger Corpus Christi-Gemeinde Stefan Reinecke gebeten worden, ihn an den Weihnachtstagen zu unterstützen. Für Sorge eine Selbstverständlichkeit. Ein Thema bereitete dem Pfarrer jedoch Kopfzerbrechen: Gerade Weihnachten wollen viele Menschen an einem Gottesdienst teilnehmen, doch angesichts der Corona-Auflagen mit einer Begrenzung der Teilnehmerzahlen wird dies nicht für alle möglich sein. So war schnell die Idee geboren, einen Drive-In-Gottesdienst zu gestalten und dafür den Festplatz in Zeven, das zur Rotenburger Corpus Chris­ti-Gemeinde gehört, zu nutzen.

 


Ronny Trumpf trainiert mit Hündin Lucy. Er weiß, wie
wichtig regelmäßige Übung für Mensch und Tier ist.

Eine tolle Gelegenheit, mal wieder aufzutreten

Es ist nicht der erste Auto-Gottesdienst für Hans-Günter Sorge. Schon zu Ostern und Himmelfahrt hat er in Hildesheim auf dem Schützenplatz Drive-In-Gottesdienste gehalten. „Eine saubere Sache“, sagt der Pfarrer und lacht. Für ihn ist es das Live-Erlebnis was zählt. Ein im Radio oder per Livestream übertragener Gottesdienst würde viele Menschen einfach nicht so ansprechen. Im Auto sind sie live dabei, können hupen oder Licht machen. „Ich habe in Hildesheim Menschen mit Tränen in den Augen vom Platz fahren sehen“, sagt der Pfarrer. Für ihn als Seelsorger das Signal, dass es der richtige Weg ist. Um den Gottesdienst an Heiligabend, der um 16.30 Uhr beginnt, zu etwas ganz Besonderem zu machen, sucht Sorge den Kontakt zur Zirkusfamilie Trumpf und bittet um Unterstützung. Durch einen Artikel in der  KirchenZeitung erfuhr der Pfarrer von ihrer Notlage. Im September hatte der Zirkus nämlich einen Open-Air-Auftritt vor der Kirche in Achim, den die St.-Matthias-Gemeinde  organisiert hatte.  Zirkus-Chef Ronny Trumpf war anfangs überrascht, als im Herbst der Anruf von Pfarrer Sorge kam, fing aber schnell Feuer. „Es ist eine super Idee und für uns eine tolle Gelegenheit, mal wieder aufzutreten“, sagt der 39-Jährige.

Krippenspiel mit Trommler, Kamel, Schafen und Eseln

Einige Tage vor Heiligabend werden die Trumpfs das Zirkuszelt auf dem Zevener Festplatz aufbauen. Die Seiten bleiben zur besseren Belüftung, aber auch für die gute Sicht von allen Seiten offen. Dort wird sich der Altarraum befinden. Ein etwas anderes Krippenspiel wird es während des Gottesdienstes geben, bei dem der achtjährige Jake eine tragende Rolle als „Little Drummer Boy“ spielen wird. Little Drummer Boy („Der kleine Trommler“) ist ein amerikanisches Weihnachtslied. Es erzählt die Geschichte eines armen Jungen, der es sich nicht leisten kann, dem neugeborenen Jesus ein Geschenk zu machen und daher für ihn auf seiner Trommel spielt. Und so kommt dann auch Papa Ronny ins Spiel, der seinerseits eine Kostprobe seines Könnens mit waghalsiger Jonglage und Feuerspucken geben wird. Auch der elfjährige Steven ist dabei. Um das Vergnügen und das Erlebnis für die Gottesdienstbesucher perfekt zu machen, organisiert Pfarrer Sorge auch noch einige tierische Besucher. Die Kamelfarm Visselhövede wird mit zumindest einem Kamel, einigen Schafen und Eseln vor Ort für zusätzliche Atmosphäre sorgen. Auch für die Zirkusfamilie Trumpf ist das eine Premiere: „Einen Auftritt während eines Gottesdienstes hatten wir auch noch nicht“, sagt Katja Trumpf und lacht. Gerade Ronny Trumpf freut sich sehr darauf, denn der Glaube bedeutet ihm viel. „Gerade jetzt, wo die Zeiten für uns schwer sind, finde ich auch Halt im Glauben“, sagt er.

Heiligabend wird die Familie nach dem Gottesdienst in Zeven dann zurückkehren zu ihrem Platz in Bassen. Für das Weihnachts-Festessen ist schon gesorgt: Ein freundlicher Nachbar hat der Familie eine Gans geschenkt. Überhaupt ist die Unterstützung und Hilfsbereitschaft vor Ort groß. Immer wieder bekommen sie Lebensmittelspenden für sich oder Futter für die Tiere. „Das hilft uns, durch die schwere Zeit zu kommen“, sagen die Trumpfs. Für das nächste Jahr haben sie noch keine Pläne gemacht, die Hoffnung ist aber groß, dass der Zirkus im Frühjahr oder Sommer endlich wieder auf Tour gehen kann.

Martina Albert