Die Caritas kümmert sich um Menschen, die auch im Alter zu Hause wohnen bleiben wollen
Ambulant, individuell, täglich
Im Alter versorgt sein: die Caritas kümmert sich um Menschen, die auch im Alter zu Hause wohnen bleiben wollen. Manchmal reicht es, wöchentlich die Medikamente vorzusortieren, andere Patienten werden mehrfach am Tag besucht. Protokoll einer Einsatztour in Gieboldehausen im niedersächsischen Eichsfeld.
6.30 Uhr, der Bewegungsmelder knipst das Licht an, in der Dunkelheit wird ein kleines weißes Auto mit rotem Caritas-Schriftzug sichtbar. Für Ulla Ring ist es so unersetzlich wie ihr Smartphone. Mit dem Auto fährt sie in den nächsten Stunden von einem Patienten zum nächsten. Den Einsatzplan zeigt das Telefon – und es registriert die jeweiligen Einsatzzeiten.
„Seit 13 Jahren bin ich für die Caritas unterwegs“, erzählt Ring. Für die eigenen Kinder hat sie eine Pause in ihrem eigentlichen Beruf eingelegt. Anschließend entschied sie sich für die Pflege, absolvierte sogar noch eine dreijährige Ausbildung zur examinierten Pflegekraft. „Das Schulgeld musste ich damals selbst zahlen“, berichtet Ring. Für sie hat es sich gelohnt: mittlerweile arbeitet sie als stellvertretende Teamleitung und fährt als „Springerin“ Touren, wenn Kollegen verhindert sind. Auch heute ist sie vertretungsweise unterwegs. Dennoch kennt sie alle Patienten persönlich, weiß die Adressen auswendig.
Nach kurzer Fahrt um ein paar Häuserecken sucht sie wieder einen Parkplatz. Ring wird erwartet, die Haustür ist angelehnt. Die Patientin liegt noch im Bett, soll aber innerhalb der nächsten Stunde zur Tagespflege gebracht werden. „Wer zur Tagespflege geholt wird, den müssen wir in der Tour vorziehen“, erklärt Ring. Die Tagespflege entlastet Angehörige und hilft den Patienten, soziale Kontakte zu knüpfen.
Für mehr aktivierende Pflege fehlt die Zeit
Bevor es soweit ist stehen Aufrichten, Waschen, Eincremen und Anziehen auf dem Programm. Allein kann die Patientin das nicht mehr und hadert mit sich selbst. Ring beruhigt und erklärt, „wenn Sie alleine aufstehen, fallen Sie nur hin“. Und sie lobt die Mitarbeit, erwähnt immer wieder, was sie gerade macht. Schließlich hebt sie die Patientin in den Rollstuhl. Zähne werden noch geputzt, das kann die Patientin noch, zumindest wenn Ring daneben steht und lobt: „das machen Sie ganz prima“.
Was die Patienten selbst können, sollen sie auch selbst tun. „Aktivierende Pflege könnte noch viel mehr sein, nicht nur Zähneputzen, aber dazu fehlt die Zeit“, erklärt Ring. Eine halbe Stunde ist flugs vergangen.
Nächste Station: Kompressionsstrümpfe anziehen. Auch hier brennt das Licht, lehnt die Haustür erwartungsfroh an und die Patientin sitzt schon bereit. Wenn Angehörige noch in der Nähe wohnen, fährt die Caritas nur morgens zum Anziehen der maßgefertigten Strümpfe. Wer alleine lebt, den besucht die Caritas auch zum Ausziehen am Abend.
7.57 Uhr, laut Tourenplan gibt es schon rund eine Viertelstunde Verspätung. „Eigentlich liegen Sie genau in der Zeit“, beruhigt Hermine Gerhardy. Die Caritas komme immer gegen 8 Uhr. Die 86-Jährige freut sich über den kleinen Plausch beim Kompressionsstrumpfanziehen, da geht es für Ring auch schon weiter.
8.20 Uhr, auf dem Tourenplan steht die erste Medikamentengabe des Tages. Bei einem an Demenz und Diabetes erkrankten Herrn muss Insulin gespritzt werden. Ring erklärt geduldig jeden Handgriff. „Wir pflegen individuell und gehen täglich neu auf unsere Patienten ein“, fasst sie später zusammen. Wichtig sei, sich in die Patienten hineinzuversetzen, das jeweilige Schamgefühl zu achten.
Obwohl der Tourenplan ein ständiger Kampf gegen die Zeit ist, scheint die Pflegerin immer genau passend zu kommen, wird überall freundlich empfangen. Ihre Hilfe kommt an, sichtbar, spürbar, direkt. Für manche Wohnungstür hat die Caritas Schlüssel bekommen, die nachts im Tresor lagern. Auch pfiffige Lösungen wurden erdacht, um ins Haus zu kommen, etwa wenn mit einem Korb der Schlüssel heruntergelassen wird, sobald die Caritas am Eingang unten ankommt.
Im Pflegeteam sind gute Absprachen sehr wichtig
9.42 Uhr, plötzlich klingelt das Mobiltelefon. Bei einer anderen Tour fehlen Medikamente. Schnell findet Ring eine Lösung, Arzt und Apotheke werden informiert, die Medizin noch rechtzeitig organisiert.
Das Handy ist ständiger Begleiter. Mit ihm kann das Pflegeteam untereinander extra gesicherte Nachrichten versenden. Die Caritas versucht zwar, möglichst täglich die gleichen Pflegekräfte zu den gleichen Patienten zu schicken. Doch selbst wenn weder Erkrankung noch Urlaub des Personals dazwischen kommen, spätestens nach 12 Tagen Dienst am Stück gibt es zwei Tage frei. Da sind gute Absprachen untereinander viel wert. „Der Dienstplan ist eine ständige Herausforderung“, erklärt Ulla Ring am Ende der Tour gegen 11 Uhr. Das Auto parkt sie startklar für den nächsten Einsatz an der Caritasstation.
Johannes Broermann