Glaubenswoche der Jugend

Auf der Suche nach einem neuen Format

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Papier ist nicht mehr zeitgemäß: Die Arbeitshilfe zur Glaubenswoche der Jugend wird eingestellt – wegen mangelnder Nachfrage. Die Herausgeber finden das schade, stellen sich aber den Tatsachen: Jugendliche müssen sie heute anders erreichen.


Nach dieser Ausgabe ist Schluss: Maria Springwald hat die
Arbeitshilfen der letzten Jahre noch im Regal stehen. Fotos: Sandra Röseler

„Eigentlich kann ich gar nichts richtig gut“, sagt Leon und schaut ratlos auf den Klebezettel, der vor ihm liegt. Der Schüler überlegt kurz, dann fällt ihm doch noch etwas ein: „Ich kann sehr, sehr gut kochen“, sagt er und lächelt schüchtern. Auch die anderen Neunt-und Zehntklässler, die mit Leon in einem Stuhlkreis im Glandorfer Pfarrheim zusammensitzen, haben darüber nachgedacht, was ihre Stärken sind: Reiten oder Fußballspielen steht auf den Zetteln, die sich die Schüler jetzt auf den Arm kleben.

„Und nun überlegt euch mal, welche Stärken eure Mitschüler haben könnten“, sagt Sina Klöver. Die evangelische Jugendreferentin hat mit ihrer katholischen Kollegin Michelle Van de Walle die Glaubenswoche organisiert, die im Dekanat Osnabrück-Süd noch regelmäßig stattfindet. Das Konzept dazu gibt es seit mehr als 30 Jahren: Einmal im Jahr findet im Bistum eine Themenwoche statt, während der sich Jugendliche mit verschiedenen Glaubensfragen beschäftigen können – zum Beispiel mit Stärken.

W-Lan im Jugendraum, Gebete aufs Handy

Das Dekanat Osnabrück-Süd hat daraus ein eigenes Programm entwickelt: Die Glaubenswoche ist hier ein ökumenisches Projekt, das vor allem in Schulen angeboten wird. Anstelle des Religionsunterrichts arbeiten Michelle Van de Walle und ihre Kollegin vom evangelischen Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte mit den Schülern zwei Stunden lang zu einem bestimmten Thema zusammen. Bislang haben sich die beiden Jugendreferentinnen dabei an der Arbeitshilfe zur Glaubenswoche orientiert, die das Bistum einmal im Jahr herausgibt.

Doch genau dieses Heft wird in diesem Jahr eingestellt. Grund dafür ist das gesunkene Interesse, sagt Maria Springwald, die im Bistum unter anderem für Glaubenskommunikation  zuständig ist. „Die Nachfrage hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen.“ Woran das liegen kann, darauf hat die Referentin für Junge Erwachsene eine klare Antwort: „Jugendliche haben einfach keine Zeit und keine Lust mehr, sich eine Woche lang mit einem Thema zu beschäftigen.“

Für die Mitarbeiter des Bistums sei die Vorbereitung der Arbeitshilfe außerdem sehr aufwendig. Ein achtköpfiges Team aus Priestern, Sozial- und Religionspädagogen war bislang jedes Jahr sechs Monate damit beschäftigt, auf 100 Seiten Aktionsideen, Planspiele und Arbeitsblätter zu den jeweiligen Glaubensthemen zu entwickeln. „Die Grundidee ist nach wie vor super“, findet Maria Springwald. „Aber die Glaubenswoche als Din-A4-Format auf Papier brauchen wir nicht mehr.“

Ihrer Meinung nach muss sich Jugendarbeit heute stärker auf andere Kanäle konzentrieren: W-Lan in die Jugendräume bringen oder Gebetstexte aufs Smartphone senden zum Beispiel. „Wir müssen mit Jugendlichen anders kommunizieren“, sagt Springwald. Auch die Themen müssten sich verändern: „Es gibt ja zum Beispiel ein großartiges Schreiben vom Papst, in dem es auch darum geht, eine sexuelle Identität zu entwickeln. Damit dürfen wir die Jugendlichen nicht alleine lassen.“ Nachhaltigkeit und Ökologie seien weitere Themen, die junge Leute gerade beschäftigen.

Dass die Arbeitshilfe zur Glaubenswoche eingestellt wird, findet Maria Springwald zwar schade, aber auch notwendig: „Wir dürfen nicht einfach weitermachen, nur weil es immer so gemacht worden ist.“ Es sei gut, dass das Bistum in dieser Frage realistisch ist.

„Die Jugendlichen würden sonst nicht auftauchen“

„Es ist schade, aber ich kann es verstehen“, sagt auch Michelle Van de Walle, die Jugendreferentin aus dem Dekanat Osnabrück-Süd. „Die Glaubenswoche wird hier bei uns noch sehr gut angenommen“, sagt sie. Seit kurzem werde die Themenwoche sogar zweimal im Jahr abgehalten, weil die Termine sonst gar nicht mehr unterzukriegen wären. Allein im Januar hatten sich zwölf Schulgruppen angemeldet.

Damit Jugendarbeit in Zukunft auch wieder vermehrt außerhalb der Schulen stattfinden kann, soll es im Bistum bald mehr sogenannte Denkfabriken geben. „Bei diesem Konzept geht es darum, Jugendliche zu befähigen, sodass sie mit ihren Ideen in den Gemeinden nicht auf Ablehnung stoßen“, erklärt Maria Springwald. Konkret bedeutet das: Bei einer Denkfabrik werden alle Beteiligten, zum Beispiel der Kirchenvorstand und die Jugendvertreter im Vorfeld an einen Tisch gebracht, um darüber zu sprechen, wie Jugendarbeit in der Gemeinde stattfinden kann. „Wir wollen eine Haltung vermitteln.“

Warum die Glaubenswoche in den anderen Dekanaten nicht mehr so gut ankommt wie in Osnabrück-Süd, kann Michelle Van de Walle sich nicht erklären. „Hier bei uns ist das ein gewachsenes Ding“, sagt sie. „Kirchliche Jugendarbeit hat auf dem Land noch einen hohen Stellenwert“, findet auch Sina Klöver. Sowohl von evangelischer als auch von katholischer Seite würden viele Leute mithelfen. „Wir haben das Gefühl, dass es wirklich gut läuft.“

Deshalb wird es die Glaubenswoche dort auch weiterhin geben – auch ohne Arbeitshilfe. Aus den Vorlagen der vergangenen Jahre wollen Van de Walle und ihre Kollegen jetzt eigene Konzepte entwickeln. „Während der Glaubenswoche können wir Jugendliche erreichen, die sonst überhaupt nicht bei uns auftauchen würden“, sagen sie. Zum Beispiel die Realschüler aus Glandorf, mit denen die beiden Jugendreferentinnen gerade zusammensitzen.

Die Schüler haben sich mittlerweile überlegt, welche Stärken ihre Mitschüler haben könnten und ein Stichwort besonders oft aufgeschrieben: Hilfsbereitschaft. Das überrascht dann auch den Neuntklässler Leon: „Das hätte ich nicht gedacht.“

Sandra Röseler