Tipps für Kirchengemeinden
Aufheben fürs Archiv
Kirchengemeinden sind verpflichtet, ein Archiv zu führen. Kirchlichen Vereinen und Verbänden steht es dagegen frei, Dokumente für die Nachwelt aufzubewahren. Experten geben Tipps, was archiviert werden sollte.
Es kommt immer wieder vor, dass sich ein Kolpingmitglied meldet oder die Schriftführerin der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) und beim Diözesanarchiv in Osnabrück nach Material über die Ortsgruppe des Verbandes fragt. Es soll eine Chronik geschrieben werden und der neue Vorstand kann vor Ort keine Schriftstücke finden. Dann muss Historikerin Sonja Drehlmann, die im Diözesanarchiv in Osnabrück arbeitet, oft mitteilen, dass auch in ihren Beständen wenig vorhanden ist.
Sonja Drehlmann stellt fest, dass die Ehrenamtlichen zu wenig über ihr Verbandsleben sammeln: „Die denken, es ist nicht wichtig.“ Dabei könnten Protokolle und Mitgliederlisten Anhaltspunkte liefern, womit sich die Kolpingsfamilie, Frauengruppe oder Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) befasst hat. Hinzu komme ein strukturelles Problem: Wo jahrzehntelang derselbe Vorstand und derselbe Vorsitzende im Amt war, habe dieser möglicherweise Akten angelegt und Material gesammelt. Doch wenn das alte Team ausscheidet und ein neuer Vorstand kommt, würden die Aktenordner und Kartons mit Fotos und Zetteln oft nicht übergeben. Im Gegenteil: Der bisherige Vorsitzende behält das Material und mistet aus oder es fällt nach seinem Tod den Angehörigen in die Hände, die die Sachen wegwerfen.
Sammlung übergeben
Drehlmanns Appell an alle Vorstandsmitglieder: geordnet aufbewahren und rechtzeitig übergeben. Eine Schlüsselfunktion hat oft die Schriftführerin. Ihre Protokolle sind eine Quelle von Wissen für die Nachwelt und sollten abgeheftet weitergegeben werden. Das, was lose in einer Kiste gesammelt wurde, Liederzettel und Programmhefte von Veranstaltungen wie Jubiläen oder Weiberfastnacht, sollte man ebenfalls an den neuen Vorstand übergeben, vielleicht durch eine Liste ergänzt, auf der man Stichpunkte zu den Fundstücken notiert.
Viele der Ehrenamtlichen bewahren für ihren Verband letztendlich das auf, was ihnen am wichtigsten erscheint, also Rechnungen und Quittungen, hat Georg Wilhelm vom Diözesanarchiv in Osnabrück festgestellt. Doch eine Rechnung über eine Busfahrt sagt nur etwas über den Preis und das Ziel aus, nicht über den Anlass der Reise: War es ein Ausflug? War es eine Pilgertour? Ging es zu einer Seligsprechungsfeier oder zu einer KAB-Demonstration für die Grundrente? Das ist allen, die bei der Fahrt dabei waren, ganz klar. Doch sobald aus dem Kreis der Reisenden niemand mehr lebt oder sich gut genug erinnern kann, sagt die Rechnung allein nichts aus. Man sollte sie beschriften und den Anlass der Fahrt dahinter notieren.
Sinnvoll ist das Aufheben von Mitgliederlisten und Protokollen der Jahreshauptversammlungen, ihnen kann man einiges entnehmen. Wie viele Männer und wie viele Frauen sind bei Kolping Mitglied? Wie lange schon? Wo 30-Jährige für eine 25-jährige Mitgliedschaft geehrt wurden, lässt das darauf schließen, dass sie zusammen mit ihren Eltern in den Verband eingetreten sind, als Mitglied im Familienkreis. Selbst wenn Protokolle nur kurz aufführen, welche Aktivitäten es im Jahr gegeben hat, sagt dies etwas über das Selbstverständnis des Verbandes aus.
Fotos sichern und beschriften
Für Fotos gilt dasselbe wie für Schriftstücke: Material nützt nichts, wenn die Beschriftung fehlt. Sonja Drehlmann hat ein Negativbeispiel auf dem Tisch liegen: ein dickes Fotoalbum von einer Kolpingveranstaltung. Die Männer auf den Bildern tragen Anzüge, auf den Tischen steht Bier und Schnaps, das Tapetenmuster imHintergrund lässt auf die frühen 1970er Jahre schließen. Keins der Bilder ist beschriftet. Wann die Veranstaltung war, wo sie stattfand und was gefeiert wurde, bleibt unklar, und wer auf den Fotos zu sehen ist, auch. Georg Wilhelm hat auf Fotos vom Gottesdienst aber den schmächtigen jungen Mann hinter dem Altar erkannt. Inzwischen ist er Rentner und Mitglied des Domkapitels. Nun könnte man recherchieren, wann er in dieser Gemeinde Kaplan war, um herauszufinden, von wann die Fotos sind.
Es gilt also: Wenn bei Ereignissen fotografiert wird, sollten die jpg-Dateien auf eine CD gebrannt werden und zusammen mit einer Liste, die die Bilder erläutert (Wer ist drauf? Wer hat fotografiert), aufbewahrt werden. Im besten Fall macht man im Drogeriemarkt Abzüge von den Fotodateien und hebt diese auf.
Katechese dokumentieren
So wie Vereine und Verbände ihre Arbeit dokumentieren sollten, so können auch Ehrenamtliche in der Katechese ihre Tätigkeit skizzieren, denn dies gibt Aufschluss über das Gemeindeleben. Wann wurde der Kirchenchor gegründet? Wer bereitet Krabbelgottesdienste vor? Seit wann sind Eltern aktiv an der Erstkommunionvorbereitung beteiligt? Wie viele Kinder sind es, wie viele meldeten sich später zum Messdienerkurs an? Wie läuft die Firmvorbereitung ab, welche Aktionen gibt es bei uns: Wann sind wir auf dem Jakobsweg gepilgert, wann nach Taizé gefahren?
Vieles mag den Beteiligten nicht wichtig erscheinen, doch die Aktivitäten geben Antwort auf die Frage: Was macht uns als Gemeinde eigentlich aus? Sonja Drehlmann appelliert an die Ehrenamtlichen, mehr zu archivieren: „Sie sind das Gedächtnis der Gemeinde!“
Andrea Kolhoff