Auf ein Wort

Augen, die geweint haben

Manche Dinge sehen nur Augen, die geweint haben. Die Trauer, so schmerzlich sie ist, ist wohl Ausdruck unserer stärksten Liebe.

„Tränen sind das Grundwasser der Seele“, so lautet ein Wort, das dem heiligen Augustinus zugeschrieben wird. Maria von Magdala weint am Grab, wie Jesus am Grab von Lazarus, dem geliebten Freund, geweint hat. Ihre ganze Trauer bringt sie durch den Satz ins Wort: „Sie haben meinen Herrn weggetragen und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.“ Durch den furchtbaren Tod ihres geliebten Rabbi ist Maria Herren-los, ja Gott-los geworden. Die Leere des Grabes spiegelt ihre innere Leere. Letztlich erinnert dies an Psalm 22, den Jesus am Kreuz betet: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 15,34)

Es gibt Situationen, in denen wir uns gottverlassen fühlen, wo wir IHN nicht mehr verstehen und sich Leere breit macht. Maria weint und zeigt ihre Trauer, ihre Not. Doch im Grab, am Ort des Todes ist das Leben nicht zu finden. Auf die Frage: „Warum weinst du, wenn suchst du?“ wendet sie sich vom Grab ab und sieht den Gärtner vor sich stehen. Liebevoll wird sie von ihm in ihrer Trauer abgeholt, indem er sie beim Namen ruft: „Maria!“ Damit gehen ihr die Augen und das Herz auf, sodass sie zum Bekenntnis findet: „Mein Meister!“

Manche Dinge sehen nur Augen, die geweint haben. Die Trauer, so schmerzlich sie ist, ist wohl Ausdruck unserer stärksten Liebe. Maria von Magdala ermutigt uns, diese Liebe zuzulassen. Maria findet durch sie zu einer tieferen Erkenntnis: „Ich habe den Herrn gesehen!“ Das macht sie glücklich, denn, wie es Paulus sagt: Die Liebe hört niemals auf (1. Korintherbrief 13,8).

Johannes Eckert