Verkauf von Neujahrskuchen zugunsten Krebskranker
Backen im Drei-Minuten-Takt
Foto: Anna Solbach
Dort gilt: backen, Gutes tun und sich austauschen. An jedem Wochentag ist eine andere Gruppe mit jeweils zehn Personen an der Reihe und lässt das Waffeleisen heiß laufen. Die Termine werden schon ein Jahr im Voraus gebucht. Wichtig ist es zunächst, die Hygienevorschriften einzuhalten. Das heißt: die Haare mit einer Haube bedecken und Kittel anziehen. Die Teilnehmer haben dann alle Hände voll zu tun. Sie sitzen an einem langen Tisch, backen frische Waffeln und rollen sie zu einem Hörnchen. Das Waffeleisen gibt den Takt vor. Nach etwa drei Minuten ertönt ein akustisches Signal und der Neujahrskuchen ist fertig.
Annelene Ewers füllt die Behälter systematisch mit Teig nach, den sie nach einem alten Rezept zusammengemischt hat, und packt die fertigen Leckereien in Eimer. Das Konzept für die Benefizbackaktion hat sie selbst entwickelt und jedes Jahr verfeinert. Sie ist gelernte Hauswirtschafterin und hat viele Jahre Berufserfahrung in der Landwirtschaft. Arbeitsabläufe steuern und optimieren, das liegt ihr. Und Wohltätigkeit ist eine Herzensangelegenheit der früheren Meppener Ratsfrau und Ortsvorsteherin. Sie hat die Benefizaktion 2010 zugunsten des Krebsfonds Ludmillenstift ins Leben gerufen. „Nächstes Jahr werden wir das 15-jährige Bestehen feiern“, sagt sie.
Hilfsbereitschaft entsteht im Herzen
Mittlerweile sind weitere Backaktionen in Bokeloh, Helte, Geeste und Holthausen gestartet. Wer nicht mitbackt, kann auch anderweitig helfen und zum Beispiel spenden: für Eier, Butter, Mehl und Kandis oder Waffeleisen. Im vergangenen Jahr konnten 4430 Waffeleimer gefüllt werden. „Das ergibt eine Spendensumme von 39.870 Euro“, sagt Annelene Ewers. Darauf ist sie stolz.
Für die Neujahrskuchen verbacken die Frauen kiloweise Mehl und Kandis. Annelene Ewers verrät aber gern auch ihr Rezept für eine normale Haushaltsmenge:
500 Gramm Kandis mit einem dreiviertel Liter Wasser aufkochen und abkühlen lassen.
200Gramm Butter schmelzen, zwei Eier verquirlen.
Alle Zutaten mit zwei Päckchen Vanillezucker, einem Päckchen Vanillepuddingpulver und 500 Gramm Mehl verrühren.
Über Nacht im Kühlschrank ruhen lassen, am nächsten Tag auf einem Waffeleisen für Neujahrskuchen ausbacken.
Vom Verkaufserlös der Neujahrshörnchen profitiert der Krebsfonds Ludmillenstift. Annelene Ewers und das ehrenamtliche Team des Vereins helfen damit Familien in finanzieller Sicht. Sie übernehmen Fahrtkosten oder Kosten für eine Haushaltshilfe, bieten mithilfe des Projekts „Sonnenbrücke“ eine psychologische Betreuung für Kinder krebserkrankter Eltern oder unterstützen Betroffene bei der Rückkehr in den Alltag nach der Krebstherapie. „Hilfsbereitschaft kann nicht durch Erlässe hergestellt werden, sie muss in den Herzen der Menschen entstehen.“ Dieses Zitat steht auf dem Dankesbrief, den Annelene Ewers jedes Jahr nach der Benefizaktion an die teilnehmenden Gruppen verschickt.
Backen von Neujahrskuchen hat Tradition
Das Neujahrskuchenbacken ist ein alter Brauch im Emsland und im Münsterland, in der Grafschaft Bentheim und im niederländischen Twente. Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr waren früher die einzigen arbeitsfreien Tage im Jahr. An den langen Winterabenden vertrieb man sich die Zeit gern mit dem Backen von Neujahrskuchen. Direkt am Herdfeuer, denn dort war es warm und gemütlich.
Verwendet wurden damals langstielige Kucheneisen über dem offenen Herdfeuer. Dazu brauchte man eine Menge Glut, und deshalb wurde das Feuer an den Backtagen so richtig angeheizt. Und weil man die Neujahrskuchen gerne auch an Nachbarn, Freunde und Verwandte verschenkte, wurden große Teigmengen verarbeitet.
In die Backen der Zangeneisen gravierte man früher Motive ein, vor allem Jahreszahlen, Namen und Initialen. Diese drückten sich als Muster in die Neujahrskuchen ab. Beliebt im katholischen Emsland und im Münsterland waren Kucheneisen mit religiösen Darstellungen.
Nach dem Ende des offenen Herdfeuers ging der Brauch des Backens von Neujahrskuchen nicht unter. Zunächst backte man über dem Feuerrungsraum der Kochmaschinen und später mit elektrischen Eisen, die auch in kleinen Wohnung noch bequem genutzt werden können. Im Vergleich zu früher hat der Teig heute eine andere Rezeptur, und er wird flüssiger zubereitet.
Quelle: Emslandmuseum Lingen