Notfallseelsorge Osnabrück

Beistand für die Angehörigen

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Wenn die Rettungssanitäter wieder losfahren, bleiben die Notfallseelsorger bei den Angehörigen. Sie können Menschen stützen, die eine Todesnachricht erhalten. Die Notfallseelsorge in Osnabrück ist ökumenisch organisiert. Für ihre Arbeit gibt es jetzt einen Preis.


Wenn ein schwerer Unfall passiert, sind auch Notfallseelsorger im Einsatz. Foto: fotolia

Anlässe für Notfallseelsorge werden in Fernsehfilmen oft dramatisch inszeniert: mit Blaulichtspiegelung auf regennassem Kopfsteinpflaster, Polizisten, die an einer Eingangstür schellen, und Menschen, die die Todesnachricht erstarren lässt oder zum Zusammenbruch bringt. Tatsächlich fanden die meisten Einsätze, die Notfallseelsorger Thomas Herzberg in der Vergangenheit hatte, tagsüber statt. Zum Beispiel, weil ein älterer Herr einen Herzinfarkt erlitten hatte, Wiederbelebungsversuche erfolglos blieben und die Rettungssanitäter die Ehefrau des Verstorbenen nicht alleine lassen wollen.

In solchen Fällen wird Herzberg von der Rettungsleitstelle informiert, setzt sich ins Auto und kommt zu der Familie ins Haus. Für die Rettungskräfte sei sein Erscheinen eine Erleichterung, sie könnten dann mit besserem Gewissen wegfahren, berichtet der evangelische Pastor der Osnabrücker Bonnus- und Martinsgemeinden. Für Angehörige, die unter dem Schock eines Todesfalls stehen, sei es in dem Moment entlastend, nicht alleine zu sein. Herzberg versucht dann herauszufinden, wen die Angehörigen anrufen können, ob es Freunde, Nachbarn oder Verwandte gibt, die kommen können, um den Betroffenen beizustehen.

„Das Familiensystem ist wichtig“, sagt Thomas Herzberg, und es sei normalerweise auch gut zu aktivieren. Unsere Welt sei noch nicht so herzlos geworden, dass es keinen Trost im Verwandten- oder Freundeskreis gebe. In einem Fall hatte beispielsweise eine Frau im mittleren Alter ihren Mann verloren. Freundinnen blieben bei ihr, um sie zu stützen, und eine Dame aus diesem Freundeskreis bot an, sich auf den Weg zur Mutter des Verunglückten zu machen, damit auch die ältere Dame nicht alleine sei. Man merke oft, dass es noch soziales Miteinander in unserer Gesellschaft gibt, sagt Herzberg.

Warten, bis jemand da ist, der dann bei den Betroffenen bleiben kann – so macht es auch Pastoralreferent Thomas Randelhoff. Er ist im Klinikum Osnabrück als Krankenhausseelsorger beschäftigt, hat aber auch die Beauftragung zur Notfallseelsorge und übernimmt zusammen mit Herzberg einen großen Teil der Dienste in der ökumenischen Notfallseelsorge.

Die Seelsorger, darunter auch Diakone und einige Ehrenamtliche, tragen sich jeweils für einen 24-Stunden-Dienst von 7 bis 7 Uhr ein. Während des Dienstzeitraums müssen sie telefonisch erreichbar sein. Zum Einsatz kommt es nur, wenn die Rettungsleitstelle anruft.

Im Jahr 2018 waren es zum Stichtag 22. Oktober 70 Einsätze für die Notfallseelsorger im Gebiet Osnabrück – zum Überbringen einer Todesnachricht, zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall, oder auch als Beistand für Menschen, deren Angehöriger plötzlich verstorben ist oder Suizid begangen hat.

Reaktionen zwischen Flucht und Totstellen

Wenn Michael Randelhoff bei Angehörigen eintrifft, wird er oft mit Verhaltensmustern konfrontiert, die dem Menschen durch die Evolution vorgegeben sind und auf eine Art steinzeitliches Verhaltensprogramm zurückgreifen: „Flucht, Kampf oder Totstellen“. Manche Menschen wirken dann wie eingefroren, sind völlig gelähmt und wissen nicht, was sie tun sollen. Andere  gehen in eine Art Kampfmodus, schreien und schlagen um sich, wollen die Nachricht nicht akzeptieren.

Dann gibt es diejenigen, die kopflos aus dem Haus laufen, quasi die Flucht ergreifen. In jedem Fall bleibt der Notfallseelsorger und wartet darauf, dass sie wieder zu Alltagshandlungen fähig werden, sich ein Glas Wasser nehmen oder Kaffee kochen. Oft müssen auch noch die anderen Verwandten informiert werden. Das nimmt Randelhoff den Menschen nicht ab, aber er ist bei ihnen, wenn sie mit ihren Kindern oder Geschwistern telefonieren.

Das ökumenische Team der Notfallseelsorger in Osnabrück kann Unterstützung gebrauchen, ebenso die anderen Teams im Bistum. Einmal im Jahr findet in Haus Ohrbeck in Holzhausen eine Fortbildung für Hauptamtliche statt. Wer als Priester, Diakon, Gemeinde- oder Pastoralreferent  das „Grundmodul Notfallseelsorge“ besucht hat, kann anschließend in ein Team in seinem Dekanat einsteigen.

Am Ende eines Einsatzes wird ein kurzes Protokoll geschrieben, das von den Leitern der Notfallseelsorge ausgewertet wird. Wer einen besonders belastenden Einsatz hatte, dem bieten die Leiter der Notfallseelsorger ein Gespräch zur Aufarbeitung an.

Im Dekanat Osnabrück-Nord ist es Notfallseelsorger Thomas Wirp, der die Einsatzprotokolle erhält. Der Pastor in der Pfarreiengemeinschaft Ostercappeln/Schwagstorf/Bad Essen würde sich wünschen, dass mehr Kollegen in der Notfallseelsorge mitarbeiten. Der Aufwand sei nicht groß. Er habe im Jahr 2018 zum Beispiel nur drei Einsätze gehabt.

Andrea Kolhoff

 

Ökumenepreis für Projekt

Im Land Niedersachsen ist innerhalb des Systems der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) eine Begleitung von Rettungskräften geregelt. Vielerorts gibt es innerhalb der Strukturen von Polizei und Feuerwehr Ansprechpartner für belastete Retter.

Die kirchliche Notfallseelsorge, die in Osnabrück seit 21 Jahren besteht, richtet sich an Menschen, die Beistand nach einem tödlichen Unfall oder Suizid eines Angehörigen brauchen. Sie wird von den christlichen Kirchen getragen und ist ökumenisch organisiert. Evangelische Pastöre, katholische Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten und auch Ehrenamtliche sind als Notfallseelsorger aktiv.

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Osnabrück (ACKOS) hat den Ökumenepreis für 2018 an die Notfallseelsorge vergeben. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert und prämiert Initiativen und Aktionen, die der Ökumene dienen.