Interview mit Rat Christian Hennecke und Jörg-Dieter Wächter
Breite und Spitze
Für die Entscheidung, die Bildungsarbeit neu zu ordnen und im Zuge dieser Maßnahme drei Bildungshäuser zu schließen, hat das Bistum viel Kritik einstecken müssen. Zwei Verantwortliche, die Leiter der Hauptabteilungen Bildung und Pastoral, Jörg-Dieter Wächter und Christian Hennecke, nehmen Stellung.
Vor allem wird dem Bistum eine mangelnde Einbindung der Verantwortlichen vor Ort und der Gremien vorgeworfen. Gerade hat eine Petition, die einen ergebnisoffenen Dialog über die Zukunft der Bildungshäuser fordert, 1000 Unterschriften bekommen. Tatsächlich kam der Beschluss ja von Oben und war zudem ziemlich überraschend. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Wächter: Der Bischöfliche Rat und in Folge der Bischof haben eine Neuordnung der Bildungslandschaft beschlossen. Dies ist in der Tat eine Leitungsentscheidung. Wir mussten diese Entscheidung vor dem Hintergrund der Gesamtverantwortung für das Bistum treffen. Wichtig war es uns, ein Konzept zu erarbeiten, bei dem die Dinge gut zusammenpassen und das zukunftsorientiert ist. Die Bildungshäuser haben im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten durchaus gute Arbeit geleistet. Die Versäumnisse liegen beim Bistum, denn es gab kein vorgegebenes Ziel, kein verbindliches Profil und keine Idee, wohin man die Einrichtungen entwickeln wollte. Jetzt geht es neben Sparbemühungen vor allem um eine Fokussierung der Bildungsarbeit mit einer klaren Ausrichtung.
Hennecke: Die Entscheidung, Häuser zu schließen, kommt ja nicht aus dem Off. Wir ringen schon seit Jahren um die Profilierung der Bildungshäuser, insbesondere bei den Einrichtungen, die vor allem als Beleghäuser genutzt wurden. Das Vorhalten von Häusern führt ja nicht schon zu guter Bildungsarbeit. Dabei verschlingt allein der Unterhalt der Häuser alljährlich hohe Beträge.
Sie sprechen von einer Neuordnung der Bildungslandschaft, von Aufbruch. Ist das Schließen von drei Bildungshäusern vor Ort nicht zunächst einmal ein ziemlicher Abbruch?
Hennecke: Das sehe ich nicht so. Es ist ja gerade das Ziel, vor Ort Bildung anzubieten. Tatsächlich gab es einige, die bewusst in ein bestimmtes Haus gegangen sind und für die diese Häuser echte Orte des Glaubens waren. Aber es ist ja nicht so, dass das ganze Bistum in diesen Häusern ein- und ausgegangen ist. Im gesamten Norden des Bistums haben wir überhaupt kein Bildungshaus, dennoch gab es dort Bildungsarbeit. Bildung hängt nicht an Häusern, Tagungshäuser gibt es genug. Die Frage muss lauten: Wie kann das Bistum vor Ort und regional Bildungsprozesse unterstützen? Und wie gelingt es uns, mit den vorhandenen Ressourcen an den verbleibenden Standorten das Profil zu schärfen?
Wächter: Man kann nicht von der Hand weisen, dass für diejenigen, die die bisherigen Strukturen geschätzt haben, etwas zu Ende geht, und dies schmerzlich für diesen Kreis ist. Wir werden das nicht ersetzen können. Aber wir wollen Bildung anders gestalten. Wir sehen zum Beispiel, dass Bildung immer weniger über Wochenkurse geschieht. Häufig werden Bildungsveranstaltungen sehr viel dezentraler, kürzer, mit viel weniger Aufwand durchgeführt, als wir das aus der klassischen Arbeit der Bildungshäuser her kennen. Das Nutzerverhalten im Bildungsbereich verändert sich, dem muss man Rechnung tragen. Die hausgebundene Bildung nimmt ab, das erleben wir auch in anderen Bistümern und in der evangelischen Kirche.
Unterschätzen Sie nicht die Bedeutung von festen Orten?
Wächter: Als wir die Entscheidung vorbereitet haben, hat Frau Dr. Bendels, die Direktorin des St. Jakobushauses, auf genau diesen Aspekt hingewiesen. Sicher ist ein Haus mit einer eigenen Atmosphäre besonders geeignet, Begegnungen und Erfahrungen zu ermöglichen. Das ist eine Frage, die wir noch nicht zu Ende gedacht haben. Zugleich würde ich sagen, der Ort, an dem ich etwas erleben, etwas erfahren kann, das ist der Ort zwischen mir und dem anderen. Und das muss nicht ein Haus oder ein lokalisierbarer Ort sein.
Bislang wurde gesagt, die künftige Bildungsarbeit solle geistlicher, regionaler, digitaler und lebensnaher werden. Was heißt das konkret?
Wächter: Wir müssen sowohl in die Breite als auch in die Spitze wirken. Die Idee, in die Breite zu wirken, wollen wir in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung realisieren. Die Erwachsenenbildung hat eine lange Tradition, vor Ort Bildung anzubieten. Wenn ich daran denke, wie viele Veranstaltungen die KEB zu theologisch ethischen und zu gesellschaftspolitischen Fragen anbietet, wenn ich sehe, wie sie sich dem Thema Migration annimmt, dann glaube ich, dass dies ein sehr guter Partner für uns ist. Wenn es um ein Wirken in die Spitze geht, dann ist zunächst einmal der Umzug der Akademie von Goslar nach Hannover von Bedeutung. Eine Akademie in der Landeshauptstadt kann die urbanen Räume nutzen, liegt in der Nähe zu den Verwaltungszentren und zur Politik, kann die ökumenische Zusammenarbeit ausbauen. Sie kann eine Stadtgesellschaft bedienen, soll aber nicht nur auf Hannover beschränkt sein, sondern auch digitale Angebote machen und in die Fläche gehen. Warum soll es nicht im Celler Schloss oder in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel Veranstaltungen geben, Orten, die bislang vom Katholischen Forum genutzt wurden? Warum diskutieren wir das Thema Erderwärmung nicht im Klimahaus in Bremerhaven oder laden zum Gespräch über Atomkraft nach Gorleben ein? Oder wir gehen an Orte, an denen es man nicht von Kirche erwartet, zum Beispiel in den Rammelsberg oder in eine Justizvollzugsanstalt. Das ist ein komplementäres Modell. Auf der einen Seite kann man in einem Zentrum präsent sein, wo der gesellschaftliche und politische Diskurs stattfindet und gleichzeitig im Bistum, das ja sehr weit verzweigt ist, wichtige Themen aufgreifen. Was noch von Bedeutung ist: Die Akademie kann auf die tiefgreifenden Arbeiten des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover zurückgreifen, das im gleichen Haus untergebracht ist und bereits viele gesellschaftliche Themen bespielt.
Hennecke: Ich möchte noch einige andere Punkte nennen. Die Zeitkontingente der Engagierten sind begrenzt, daher ist ein Angebot von ortsnaher Bildung wichtig. Wir müssen klären, welche konkreten Bedarfe es gibt, das ist ein Prozess, der jetzt beginnt. Und wir werden die potenziellen Nutzer an diesem Prozess beteiligen. Wir steuern darauf zu, dass die Hauptberuflichen in der Pastoral noch stärker als bisher andere Menschen befähigen und es ihnen ermöglichen, zu wachsen. Auch das Digitale wird eine größere Rolle spielen. Gerade ist eine digitale Domschule im Entstehen, eine Plattform, auf der verschiedene Anbieter Bildungsangebote platzieren können. Digitale und persönliche Treffen schließen sich dabei nicht aus, sondern ergänzen sich. Mit digitalen Angeboten kann ich Orte erreichen, die ich sonst nie erreicht hätte. Digital ist das neue lokal. Dabei verabschieden wir uns nicht von der standortgebundenen Bildung, wir hinterlassen jetzt keine kahle Landschaft. Im Gegenteil, die Häuser, die wir haben, wollen wir stärken und bei Bedarf auch personell besser ausstatten. Wichtig ist darüber hinaus, dass sich die unterschiedlichen Anbieter mehr als in der Vergangenheit abstimmen. Es geht nicht darum, die Eigenständigkeit von Einrichtungen zu bremsen, aber es muss klar sein, wohin wir als Bistum unterwegs sind.
Interview: Matthias Bode