Pantomime-Künstler tritt auf

Bruder Tod sitzt mit auf der Bühne

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Pantomime über den Tod – geht das? „Aber ja“, sagt Christoph Gilsbach. Der Münsteraner Künstler tritt auf Einladung der Hospiz-Hilfe am 8. März in Meppen auf. Er nimmt seine Zuschauer mit auf eine Reise durch verschiedene Lebensstationen, zu denen auch der Tod gehört.


Wie ein Kumpel: Der Pantomime-Künstler Christoph Gilsbach erzählt mit der Figur „Bruder Tod“ ganz ohne Worte vom Leben in allen Facetten. Foto: Michael Bönte

Ihr Stück heißt „Das Leben. Eine lebendige Begegnung mit dem Tod“. Worum geht es darin?

Mein Stück ist eine Einladung, den Tod wieder in unser Leben aufzunehmen und ihn als Teil davon zu begreifen – nicht nur, weil wir weiterleben, sondern weil der Tod kein Ende ist. Man muss sich auf mein Stück am Anfang etwas einlassen, man muss die eigene Wahrnehmung verändern und sich auf die Stille, die Bewegung, die Ausstrahlung einlassen. Dann wird das ein feiner, spannender, auch emotionaler Theaterabend. Ich stelle ohne Worte, manchmal begleitet von improvisierter Livemusik, in neun Bildern unterschiedliche Lebenssituationen dar. Zum Beispiel das spielende Kind, den jungen Soldaten, den alten Mann und die Mutter, die um ihr totes Kind trauert. Dabei treffen die Personen auf „Bruder Tod“, der als gesichtslose Figur in einen Umhang gehüllt neben mir wie ein Kumpel auf der Bühne sitzt. „Bruder Tod“ schaut die Zuschauer immer direkt an. Mancher behauptet sogar, „Bruder Tod“ lächelt manchmal und hat sich gerade ein kleines bisschen bewegt.

Oft wird beklagt, dass zu wenig über Tod und Trauer geredet wird. Sie wählen bewusst eine Auseinandersetzung ohne Worte. Was kann Pantomime mehr erreichen als ein Gespräch?

Pantomime kann die Leute im Innern erreichen, weil sie ohne das Wort und ohne Erklärungen ganz mit sich sein können. Meine Bilder treffen auf eine innere Resonanz, jeder Zuschauer sieht und empfindet sie auf seine eigene Weise. Ich rege die persönliche Erlebniswelt dadurch an. Wenn ich die Zuschauer nach einer Vorstellung später noch mal wiedertreffe, sagen mir viele: „Das hat mich tief berührt, das beschäftigt mich immer noch.“ Das kommt offenbar viel in Gang, auf einer ganz neuen Ebene.

Warum liegen Ihnen diese Themen besonders am Herzen?

Natürlich ist mir der Tod in meinem Leben schon begegnet. Freunde und Verwandte sind gestorben. Mit dem Tod gehen auch immer Trauer, Verlustangst und auch Verzweiflung einher.

Es gab für mich ein persönliches Schlüsselerlebnis. An einem Sommertag ist der Vater eines guten Freundes verstorben. Am Tag darauf bat mein Freund, ob wir uns im Biergarten treffen könnten. Als ich kam, stand neben ihm, vor einem leeren Platz, ein volles Bierglas. Ich schaute ihn fragend an, wie es ihm ginge, jetzt wo sein Vater nicht mehr da sei. Ihm ginge es gut, sagte er lächelnd, auf das Glas deutend: „Ich habe ihn doch mitgebracht!“. Dieser Bemerkung entsprang ein großer Trost. Es gab keinen Verlust, der Vater war anwesend. Nicht körperlich, aber in unseren Herzen war er unter uns. Dieser Gedanke hat mich nie wieder losgelassen und war für mich der Einstieg, mich sehr umfangreich mit dem Tod zu beschäftigen. Und je mehr ich mich mit ihm beschäftige, um so mehr Leben entdecke ich in ihm.

Aus diesem Gedanken ist der Tod für mich kein Ende, sondern ein Übergang in eine andere Dimension. Und dadurch bekommt unser Leben eine andere Bedeutung auch in unserem täglichen Tun. Wo liegt der Sinn meiner Existenz? Sich diese Frage zu stellen, kann ein schmerzlicher Weg sein, aber wenn ich mich ihr stelle, bekommt das Leben eine andere Wertigkeit.

Sie kommen aus einem katholischen Elternhaus. Spielt der Glaube noch eine große Rolle für Sie?

Glaube – ja, ich kann schon sagen, dass ich an eine höhere Macht glaube. Spiritualität spielt eine große Rolle für mich. In den Weltreligionen finden sich viele gleiche Ideen, deswegen sollten wir im Glauben mehr aufeinander zugehen.

In Ihren Stücken darf gern geschmunzelt werden. Sie bieten sogar Vorträge zum Thema Tod und Humor an. Wie passt das zusammen?

Ohne Humor ist das Leben doch nicht lebenswert. Ich spreche bei diesen Angeboten aus meiner Erfahrung als Klinikclown. Da lassen sich schöne Brücken bauen in die Hospizbewegung, in die Sterbebegleitung oder auch andere schwierige Situationen. Und es ergeben sich damit wunderbare Möglichkeiten, sich diese Situationen anders anzusehen. Ich setze mir dann auch mal die rote Nase auf und der Blick ändert sich. Mir wird bewusst – ich bin nicht an den Schmerz und das Leid gebunden. Ich kann als freier Mensch einen Schritt zur Seite tun und mich fragen: Ist es dann noch das gleiche? Bestimmte Dinge lassen sich durch den Humor verwandeln. Ich biete solche Vorträge oder Fortbildungen unter anderem gerne für Hospizhelfer und -helferinnen an und mache praktische Übungen, damit sie neue Impulse mit nach Hause nehmen können.


Szenen aus dem Pantomime-Programm von Christoph Gilsbach. Fotos: privat

Wie und warum sind Sie Pantomime geworden?

Während meiner Zivildienstzeit in Münster habe ich den bekannten Pantomimekünstler Marcel Marceau spielen sehen. Ich war total begeistert. Er hat kein Wort gesagt und doch wunderbare Geschichten erzählt. Das hat mich so berührt, dass ich anfing, Pantomimekurse zu belegen und kurz darauf ein Schauspielstudium begann, um die Pantomime von Grund auf zu erlernen.

Was macht es so spannend für Sie, Themen ohne Worte auszudrücken?

Unser damaliger Professor in Essen sagte immer: Im Grundsatz ist der Pantomime der eigentliche Schauspieler, weil er die Figur ohne Worte tragen muss. Wenn du das Gefühl oder den Charakter nicht in deinem Körper wiederfinden kannst, dann ist der Text abgetrennt und man ist nicht überzeugt von der Figur. Manchmal braucht eine Figur gar keine Worte und trotzdem ist alles klar.

Welche Themen stellen Sie besonders in Ihren Stücken dar?

Sicher nicht die ganz leichten, so wie es bei meinen Auftritten als Klinikclown für Kinder oder als Clown in Altenpflegeheimen auch nicht immer heiter zugeht, aber doch mit viel Humor. Bei meinen pantomimischen Arbeiten versuche ich, Themen wie das Leben, die Menschwerdung oder den Tod tiefer zu ergründen.  Mich reizen die anspruchsvollen Themen. Jetzt gerade arbeite ich an der „Passion Christi“, für die ich eine Brücke zu unserem täglichen Leben schaffen möchte. Das ist für mich und wird auch für die Zuschauer sicherlich sehr spannend.

Interview: Petra Diek-Münchow

Am Freitag, 8. März, um 19.30 Uhr lädt die Hospiz-Hilfe Meppen zum Pantomimeabend mit Christoph Gilsbach in die Propsteikirche St. Vitus in Meppen (Kuhstraße) ein. Am Samstag, 9. März, um 15 Uhr hält er einen Vortrag „Humor in der Sterbebegleitung“ im Gemeindehaus der Propsteigemeinde. Eintritt frei, Spenden sind für die Meppener Hospiz-Arbeit.