Osnabrück: "Schule ohne Rassismus"

Der Menschenwürde verpflichtet

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Die Thomas-Morus-Schule ist jetzt Teil des bundesweiten Netzwerks der "Schulen ohne Rassismus - Schulen mit Courage". Auf einem "Stolperstein" versichert die Schulgemeinschaft schriftlich, die Menschenwürde zu achten - sichtbar für alle unter der Decke des Schulgebäudes.


Die Schülerinnen und Schüler der Thomas-Morus-Schule haben die Urkunde erhalten und gehören jetzt offiziell zu einer „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Fotos: Florens Böwering

 

Auf die lange Wand in der Haupthalle der Thomas-Morus-Schule (TMS) in Osnabrück wirft ein Beamer Livebilder von Kameras aus allen Klassenräumen. Schulleiter Matthias Wocken nimmt so Kontakt zu allen Schülerinnen und Schülern auf. Es gibt eine Botschaft, die wichtig ist: Die TMS verpflichtet sich offiziell dazu, eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu sein. Damit ist sie eine von über 3600 Schulen in Deutschland, die diesem Netzwerk angehört.

Zu dieser Verpflichtung gehört, mindestens einmal im Jahr ein Projekt zu einer Form von Diskriminierung durchzuführen und dass die Schüler sich bei Konflikten untereinander sofort auf ihr Verhalten aufmerksam machen. Lehrer Felix Trentmann betont: „Es ist keine Auszeichnung für bereits geleistete Arbeit, sondern eine Selbstverpflichtung für die Gegenwart und die Zukunft.“ Die Vertreter aus den Klassen 5 bis 10 dürfen in der Haupthalle live an der Verleihung der Urkunde teilnehmen.

Mit einer symbolischen Tat bekennen sich die Schüler zu ihrem Engagement

Dies sei erst die zweite Aktion mit der kompletten Schulgemeinschaft seit Beginn der Corona-Pandemie, sagt Trentmann. An Aschermittwoch war zuvor die gesamte Schule gemeinsam in der Kirche. Auch wollte die TMS bereits 2020 dem Netzwerk der „Schulen ohne Rassismus“ beitreten, doch wegen der Pandemie musste die Veranstaltung dazu ausfallen. Jetzt konnte die Schule dies nachholen und tat dies an dem seit Beginn des Schuljahres monatlich begangenen Tag der Demokratie an der TMS.

Ihre Verpflichtung bekräftigen die Jugendlichen mit einer symbolischen Tat: Auf einem großen quadratischen „Stolperstein“, wie ihn Trentmann nennt, unterschreiben alle Schüler der Oberschule der Schulstiftung im Bistum Osnabrück den ersten Paragrafen des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es ist ein dauerhaftes Bekenntnis zum wichtigsten Grundsatz der Verfassung. Der „Stein“, ein Holzblock mit Platz für die Unterschriften, steht vorerst am Haupteingang der Schule. Danach soll er im Lichthof unter der Decke der Haupthalle hängen, wo ihn alle Schüler sehen können. „Er wird immer wieder heruntergelassen, damit weitere Schüler ihn unterschreiben können“, ergänzt Trentmann.


Auf einem großen „Stolperstein“ unterschreiben alle Schülerinnen und Schüler, dass sie die Menschenwürde achten.

Dass die Jugendlichen zu ihrer Verpflichtung stehen, davon ist Schülersprecherin Frida Stürenberg überzeugt. Für die monatlichen „Tage der Demokratie“ bereiteten die Schüler stets Präsentationen vor, zuletzt etwa zur Vielfalt sexueller Orientierung, sagt Stürenberg. „Es gibt Themen, die einem nahe kommen und über die man mit Freunden oder Familie redet“, sagt sie. Noch vor der Pandemie gab es ein Projekt, das persönliche Einzelschicksale verfolgter Juden den Schülern besonders nahe brachte. Sie haben alle Stolpersteine in Osnabrück geputzt und sich mit den Biografien der Ermordeten in Referaten auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang hat die TMS im Jahr 2019 auch die regelmäßige Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht im Osnabrücker Schloss veranstaltet – nur einen Monat nach dem Anschlag auf die Synagoge von Halle an der Saale im Oktober 2019. „Daraus erwuchs der Wunsch der Schule, auch nach außen dauerhaft ein Zeichen gegen Rassismus und für Courage zu setzen“, sagt Felix Trentmann.

Die Thomas-Morus-Schule folgt der Charta der Oberschulen im Bistum

Trotz der großen Worte, wägt der Lehrer auch die Schwierigkeiten des Schulalltags ab. Für ihn ist dieses soziale Engagement an der Schule eine Herzensangelegenheit, weshalb er den Schülern gerne die Wichtigkeit eines dauerhaften Austauschs über ein gesundes Miteinander vermittelt. Dass die Jugendlichen aber mal in Stress geraten und nicht nur die Schularbeit im Kopf haben, sondern auch ihre Freizeit, sorge dafür, dass man im Unterricht „nie alle erreicht. Wenn man zehn Prozent einer Klasse erreicht, ist das schon was wert“, sagt Trentmann. Weil es aber nicht darum gehe, Lektionen zu erteilen, sondern eine Atmosphäre an der Schule zu schaffen, in der sich alle ernst genommen fühlen, sieht Schulleiter Matthias Wocken die TMS auf einem guten Weg.

Die fünf Oberschulen der Schulstiftung im Bistum haben sich im vergangenen Jahr eine gemeinsame Charta gegeben. Werte wie Respekt und die demokratische Teilhabe der Schüler an Entscheidungen, sind für Wocken zwei von vielen Bausteinen: „Wir sind Schule gegen Antisemitismus mit entsprechendem Gütesiegel. In der Cafeteria achten wir darauf, ob wir auf alle religiösen Erfordernisse eingehen.“ Mit der Ankunft der Flüchtlinge aus dem Krieg in der Ukraine stellt sich die Schule der Herausforderung, neue Schüler ohne Deutschkenntnisse als gleichwertige Mitglieder in der Schulgemeinschaft willkommen zu heißen. „Die Schülerinnen und Schüler sollen ganz selbstverständlich akzeptieren, dass sie alle unterschiedlich abgeholt werden“, sagt Wocken und betont, dass derartige Unterscheidungen der Schülergruppen gar nicht erst gemacht werden dürften.

Florens Böwering