Die dunklen Seiten der Mutter Kirche

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Der Moderator und Buchautor Reinhold Beckmann.
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Foto: Steven Haberland - beckground tv + Filmproduktion GmbH

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Seine Familie stammt aus Twistringen nördlich von Osnabrück. Er selbst ist seit langem Hamburger: Reinhold Beckmann, Moderator und Buchautor.

Der Moderator und Journalist Reinhold Beckmann hat ein Buch über seine Mutter geschrieben. Sie lebte in einer katholischen Welt. Auch der Wahl-
Hamburger Beckmann ist katholisch. Seine Kirche aber sieht er heute kritisch.

Hamburg (kna). Die katholische Kirche hat nach Ansicht des Journalisten und Musikers Reinhold Beckmann in der Nazizeit versagt. Angesichts ihrer damaligen großen gesellschaftlichen Bedeutung hätte sie eine Chance ge-habt, dem Nationalsozialismus zu widerstehen und den Leuten in den Gemeinden mehr Schutz zu geben, sagte Beckmann in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. „Aber stattdessen versuchte sie mehr und mehr, den Nazis zu gefallen.“

Die Kirchenoberen hätten gemeint, den gemeinsamen Klassenfeind bekämpfen zu müssen, „den gottlosen Bolschewismus“. Beckmann, selbst Katholik, befand: „Wie sich der Bischof von Osnabrück, Wilhelm Berning, in den Schoß der Nazis gelegt und sich bis zu seinem Tod nie davon distanziert hat, ist eine große Enttäuschung.“

In dieser Woche ist Beckmanns Buch „Aenne und ihre Brüder“ erschienen. Darin erzählt er vom Leben seiner Mutter Aenne (1921–2019), deren vier Brüder im Zweiten Weltkrieg starben. Die Mutter wuchs in Wellingholzhausen, einem katholisch geprägten Dorf im Osnabrücker Land auf und war ihrem Sohn zufolge sehr gläubig. Entsprechend setzt er sich auch mit der Rolle der Kirche in der damaligen Gesellschaft und ihrem Verhältnis zum nationalsozialistischen Regime auseinander.


Aufräumen und Glaubwürdigkeit erneuern


Zur aktuellen Situation der katholischen Kirche sagte Beckmann: „Heute hege ich an der Institution Kirche große Zweifel, unter anderem weil sie nicht bereit ist, die widerlichen Übergriffe auf Kinder und Jugendliche aufzuarbeiten.“ Die Führungs- und Organisationsstrukturen im Vatikan seien eine Katastrophe. „Aber ich bin weiterhin Mitglied der katholischen Kirche. Und ich glaube nach wie vor daran, dass es da oben eine besondere Kraft und Energie gibt“, so der 67-Jährige, der als Kind Messdiener war.

Um die Glaubwürdigkeit der Institution wiederherzustellen, braucht es nach Ansicht Beckmanns eine konsequente Bereitschaft, wirklich aufzuräumen. Zudem sollte die Kirche vor allem dort sein, wo es den Menschen nicht gut geht. „Immerhin ist Papst Franziskus jemand, der betont, die Kirche müsse auf der Seite der Schwachen stehen“, sagt der Moderator. „Und darauf kommt es an.“

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe (10. September) auf Seite 8 eine Rezension des Buches „Aenne und ihre Brüder“.

kna