Impuls zum Sonntagsevangelium am 18.02.2024
Die Flut ist zurück
Foto: imago stock & people / Xinhua
Pedro Walpole erinnert sich gut an den 3. Dezember 2012. Der Jesuit und Umweltforscher war damals im Dorf Bentum, im Norden der Insel Mindanao auf den Philippinen. Er saß mit Dorfbewohnern zusammen, um mit ihnen das jährliche Kaamulan-Fest vorzubereiten, das mit Umzügen an die Gründung der Provinz erinnert.
Am Nachmittag fing es an zu regnen. Walpole, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für En-
vironmental Science for Social Change auf den Philippinen, erhielt von seinen Mitarbeitern Warnungen: Bleibt im Dorf, bringt euch in Sicherheit, sucht Schutz in festen Häusern – ein Taifun kommt direkt auf euch zu.
Ein Unwetter, das die Menschen bedroht – davon erzählt auch das Buch Genesis in der Bibel. Noach sammelt seine Familie, Tiere und Pflanzen und lässt ein riesiges Schiff bauen, um sie vor der todbringenden Sintflut zu schützen. Auch die Menschen auf den Philippinen kennen Fluten. „Im Jahr zuvor, 2011, brachte Taifun Sendong uns viel Regen. Aber dieses Mal sollte es anders werden. Der Wind war unglaublich stark“, sagt Walpole.
„Gott ist in der Stille des Gedenkens an die Toten“
Im Lauf des nächsten Tages erreichte der Sturm schnell 100 km/h und wütete weiter. Die ers-
ten Bäume stürzten um, Holzdächer wurden von den Häusern gerissen, Strommasten knickten ab. Walpole beriet sich mit dem Direktor der örtlichen Schule: Möglichst viele Menschen aus dem Dorf sollten Schutz im Schulgebäude suchen. „Ich versuchte, einige Nachbarschaften zu erreichen, aber es war unmöglich: Die Dächer flatterten nur so im Wind“, sagt Walpole.
Nach etwas mehr als 24 Stunden flaute der Sturm ab. Die Menschen begutachteten die Schäden. „Fast alle Bambusdächer waren fortgerissen. Alles, was nicht mitgenommen worden war, war vom Regen durchweicht“, sagt Walpole. Aber niemand war verletzt oder getötet worden. Rund 70 Dorfbewohner blieben eine weitere Nacht in der Schule. „Sie waren müde. Aber ihnen war nun leichter ums Herz“, sagt Walpole. „An diesem Abend feierten wir einen Gottesdienst in der Schule. Die Menschen sangen und alle spürten eine große Freude und Erleichterung, dass nichts Schlimmeres passiert war.“
Eine große Erleichterung und Freude – davon berichtet auch die alttestamentliche Lesung an diesem Sonntag. Nach der Sintflut spricht Gott zu Noach und verspricht: „Ich richte meinen Bund mit euch auf: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.“ Aber ist das so?
Der Taifun Bapho, der die Philippinen im Dezember 2012 traf, erreichte in der Spitze Windgeschwindigkeiten von 260 km/h. Eingestuft in der höchsten Kategorie 5, war er einer der stärksten Hurrikans in dieser Region. Mehr als sechs Millionen Menschen waren von den Schäden betroffen, über 1000 starben. Die meisten kamen auf der Ostseite der Insel Mindanao durch Sturzfluten ums Leben. Wie passen das Versprechen Gottes und diese und ähnliche Ereignisse zusammen?
Der Jesuit Pedro Walpole hat insgesamt mehr als 30 Stürme und Naturkatastrophen auf den Philippinen erlebt. Er sagt: „Ich habe Menschen gesehen, die nach dem Taifun Hayan 2013 Leichen aus dem Wasser zogen, um sie in Säcke zu legen. Mehr als 6000 Todesopfer gab es damals. Das Land war völlig verwüstet – so weit ich sehen konnte: Dörfer und Küsten zerstört und verlassen.“
Er tröstete die Gläubigen: „Ich sagte: Gott ist in der Stille; in der Stille des Landes, in der Stille unserer Herzen, in der Stille des Gedenkens an die Toten.“ Mitten in der Katastrophe erlebte er, wie der Glaube der Menschen wuchs. „Der Glaube und Gott standen außer Frage“, sagt er. Mit diesem Blick liest er auch die Geschichte von Noach und Gottes Bund. Der Text handele vom Fortbestehen der Menschheit, sagt Walpole: „Es ist eine wunderschöne Geschichte, die erzählt, wie Menschen nach einem unermesslichen Verlust weitermachen. Wie sie Hoffnung und Frieden finden.“
Diese Hoffnung trägt auch ihn, wenn er nach einer weiteren Naturkatastrophe Menschen beisteht. Angesichts der Erderhitzung macht er sich aber Sorgen: „Die Philippinen sind vom Klimawandel stark betroffen. Vor allem die Armen leiden unter den Folgen. Sie können sich nicht schützen. Niemand achtet auf sie – wir schauen nur auf die Wirtschaft, dass sie läuft.“ Aber es seien die Armen, die auf der Straße leben, an den Flussufern und Küsten, die in Gefahr sind.
„Dann gibt es uns nicht mehr“
Nach dem Taifun Odette im Jahr 2021 besuchte Walpole ein Fischerdorf auf einer Insel vor Mindanao und katalogisierte die verschiedenen Level der Sturmflut. Er sagt: „Nur wenige Häuser dort hatten eine zweite Etage. Ich fragte die Frauen: ‚Was macht ihr, wenn ein noch größerer Sturm mit höheren Wellen kommt?‘ Sie zuckten nur mit ihren Schultern und antworteten: ‚Dann gibt es uns nicht mehr. Wir beten, dass es nicht passiert.‘“
Die katholische Kirche auf den Philippinen kann die Menschen nur begrenzt unterstützen. „Sie ist gefangen in ihrer Struktur. Es gibt immer weniger Priester und Gemeinden“, sagt Walpole. Und selbst in ländlichen Gebieten hätte die Kirche die Arbeit der Bauern und Fischer und deren Sorge um Ernte und Ertrag nicht ausreichend gewürdigt. „Erst mit der Enzyklika Laudato si wächst nun das Verständnis für die Natur und den Klimaschutz“, sagt Walpole.
Gemeinsam mit anderen kirchlichen Gruppen und Verbänden versucht er zu helfen: mit Lebensmittelausgaben oder mit dem Bau sicherer Häuser. Walpole sagt: „Aber vor allem können wir an der Seite der Menschen sein. Wir können sie begleiten, sie Gottes Mitgefühl vergewissern und immer wieder daran erinnern: Liebe und Versöhnung sind der Weg und die einzige Möglichkeit, der Welt Hoffnung zu geben.“ Der Bund Gottes, daran glaubt er fest, hat Bestand.