Weihbischof Losinger beim Jahresempfang des Katholischen Büros Niedersachsen
Die Folgen künstlicher Intelligenz

Jahresempfang des Katholischen Büros Niedersachsen: Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger über Technik und Ethik.

Technik: Weihbischof Anton Losinger.
Es gehört schon zu den besonderen Momenten des traditionellen Jahresempfangs des Katholischen Büros. Da spricht ein katholischer Weihbischof über selbstfahrende Autos, Pflegeroboter und das Verhältnis von großen Datensammlungen und das Gesundheitssystem. Sowohl klug wie charmant, sowohl kenntnisreich wie Probleme auf den Punkt bringend.
Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger ist Theologe und Ökonom, in beiden Fächern promoviert. Vor allem ist er seit 2008 Mitglied des deutschen Ethikrates, der sich beispielsweise mit der Folgenabschätzung neuer Technologien befasst.
Daher stellt Losinger seine Ausführungen vor weit über 200 Gästen des Jahresempfangs unter eine Frage: Können sich Menschen der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz überhaupt noch entziehen? Seine Antwort: Nein. Aber der Prozess kann und muss gestaltet werden.
Beispiel 1: Selbstfahrende Autos. Nach Losingers Einschätzung wird das führerlose Auto kommen. „Die wichtige Aufgabe ist die Verbesserung der Situation aller am Straßenverkehr Beteiligten“. Aber es gibt „Dilemma-Situationen“, etwa unvorhersehbare Unfallsituationen. Entscheidet sich ein rasend schnell arbeitender Algorithmus der künstlichen Intelligenz in eine Gruppe Kinder zu fahren oder in eine Gruppe älterer Menschen? „Hier ist unsere Auffassung als Ethikrat ganz deutlich“, betont Losinger: „Jede Qualifizierung nach körperlichen Merkmalen, Alter oder Geschlecht ist untersagt.“ Klare Regeln für Algorithmen.
Das gilt auch für Beispiel 2: Pflegeroboter. Sie können Pflegekräften körperliche Arbeiten abnehmen oder Essen oder Medikamente verteilen. Ihre Grenze haben sie dort, wo sie Pflegebedürftigen Nähe und Zuwendung vorspielen.
3. Beispiel: „Big Data“, also große Datensammlungen, und das Gesundheitssystem. Natürlich sind Fortschritte in der Vorbeugung und der Therapie von Krankheiten durch das Sammeln von Daten möglich und nötig, legt Losinger dar. Gleichzeitig werden aber dadurch Patienten durch das Verknüpfen solcher Datenbanken immer „gläserner“. Die Entdeckung genetischer Defekte werde genauer: „Was heißt das aber für das Leben eines Menschen mit Behinderung, insbesondere des ungeborenen Lebens?“, fragt Losinger.
Fazit des Weihbischofs: Die künstliche Intelligenz rüttelt an den Grundwerten der Gesellschaft. „Menschenwürde ist aber nicht verhandelbar“, betont Losinger. Wirtschaftliche Interessen dürften nicht die Oberhand bekommen. Die Wissenschaft müsse die menschliche Perspektive im Blick behalten. Auch die Parlamente müssten sich in ihren Gesetzen um eine umfassende ethische Folgenabschätzung von Technik bemühen.
Das Spannungsfeld von Politik und Technik hatten zuvor in ihren Grußworten der stellvertretende Landtagspräsident Bernd Busemann und Kultusminister Grant Hendrik Tonne aufgegriffen. Sowohl für den Christ- wie den Sozialdemokraten ist ein enger Dialog zwischen Politik und Kirche dabei unerlässlich.
Rüdiger Wala