Diskussion beim Katholikenrat

Die Kirche der Zukunft

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Wie sieht die Kirche der Zukunft aus? Papst Franziskus hat dazu eingeladen, sich über diese Frage Gedanken zu machen. Der Katholikenrat trägt als Sprachrohr der Gläubigen die Meinungen aus dem Bistum Osnabrück zusammen. Beim Podiumsgespräch zeigt sich: So einfach ist es mit den Antworten dann auch nicht.


Man muss wissen, wohin man gucken will: Beim Podiumsgespräch ging es um die Kirche der Zukunft. Foto: Matthias Petersen

Noch wenige Augenblicke bis zum Beginn der Übertragung. Der Katholikenrat hat zur Podiumsrunde eingeladen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sitzen bereits in ihren Sesseln. Über das Internet soll die Veranstaltung gleich übertragen werden, damit nicht nur die Mitglieder des Laiengremiums daran teilhaben können. Bischof Franz-Josef Bode ist noch etwas unsicher und fragt seinen Pressesprecher, wo denn die Kamera sei: „Man muss doch wissen, wo man hingucken muss.“ Mit seinem erklärenden Satz hat der Bischof den Abend gewissermaßen eingeläutet. Es geht um die Kirche der Zukunft, und da  muss man schon wissen, wohin man gucken will.

Moderatorin Susanne Haverkamp steigt mit provozierenden Gedanken ein. Sie stellt sich Szenarien vor, die im Jahr 2042 Wirklichkeit werden könnten: die Wahl des Bischofs durch eine Abstimmung, an der alle Gläubigen mitwirken können; die Priesterweihe von drei Frauen und einem Mann; die Versteigerung des Domschatzes, um mit dem Erlös die Arbeit der Caritas zu finanzieren. „Traum oder Alptraum?“, will sie jeweils wissen und richtet ihre Fragen nicht nur an den Bischof, sondern auch an Seelsorgeamtsleiterin Martina Kreidler-Kos, Caritasdirektor Johannes Buß, Kaplan Michael Schockmann und Jugendvertreterin Ruth Sandersfeld. 

Dass die Sache mit den Träumen für die Zukunft nicht so einfach ist, macht der Bischof gleich klar. „Schwierig“, so seine kurze Erwiderung auf den Vorschlag mit der Bischofswahl. Später erläutert er, dass er bei einem solchen Vorgehen wohl nie Bischof von Osnabrück geworden wäre: „Mich kannte hier doch keiner.“ Und Johannes Buß, an den die Frage mit dem Domschatz ging, erwähnt neben gewisser Sympathie, die Caritasarbeit zu finanzieren, auch einen anderen Gesichtspunkt: „Ich würde wohl einen kleinen Teil des Schatzes für mich ersteigern, um ihn nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Wir müssen doch auch etwas hinterlassen.“ Anders dagegen die Frage nach der Priesterweihe für Frauen: Niemand erhebt Einwände, Träume sind erlaubt.

Papst Franziskus hat die Katholiken in aller Welt zu einem Synodalen Prozess eingeladen, der strukturell nichts mit dem Synodalen Weg der deutschen Kirche zu tun hat, sich aber ähnlichen Gedanken widmet: Wie soll die Kirche der Zukunft aussehen? Der Katholikenrat hat es übernommen, im Bistum Meinungen einzuholen, um diese über die Bischofskonferenz nach Rom zu schicken. Mehrere Monate lang konnten auf einer Internetseite Statements abgegeben werden. 74 Einzelpersonen, Gruppen oder Verbände haben sich beteiligt, für Katholikenratsvorsitzende Katharina Abeln ein enormes Ergebnis. Pfarrgemeinderäte sind dabei, eine Ökumenekommission, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, auch eine Schulklasse. 

Gibt es im Bistum nicht auch mal einen Streit?

Weil allen klar ist, dass manche Frage – siehe zum Beispiel Frauenweihe – keineswegs auf Bistumsebene entschieden wird, hat Moderatorin Haverkamp das Podiumsgespräch geteilt. Erst sind die Themen dran, die hier in der Diözese angegangen werden können. So hören die Zuschauer davon, dass es im Bistum ein gutes Miteinander gibt, dass viele Projekte und Ideen laufen. Aber gibt es nicht auch mal Streit, will die Moderatorin wissen. Habe nicht jemand geschrieben, das Miteinander laufe nur dann super, wenn es der Pfarrer zuließe? 
An diesem Abend ist nicht die Zeit, Details anzusehen. Themen werden angerissen, in die Tiefe kann es nicht gehen. Ja, es gebe bei Priestern auch mal Unzufriedenheit, räumt Michael Schockmann ein. Unzufriedenheit über die eigene Situation, aber auch über die Gemeinde, die nicht so will, wie man es sich vorstellt. Nicht jeder fühle sich ausreichend wertgeschätzt. Der Bischof ruft dazu auf, sich bei Streitereien Hilfe von außen zu holen. Caritasdirektor Buß wünscht sich den Mut, zum Beispiel im Pfarrgemeinderat das Wort auch einmal gegen die Meinung des Pfarrers zu führen. Ruth Sandersfeld bemängelt, junge Leute würden in der Kirche nur dann ausreichend gehört, wenn sie einem Gremium angehörten. Schließlich lobt Johannes Buß den Einsatz der Kirche für benachteiligte Menschen, wünscht sich aber mehr Möglichkeiten, sie an Entscheidungen teilhaben zu lassen. 

Die Moderatorin bleibt bei ihrer Linie der provokanten Fragen: Wenn die großen Dinge nicht umsetzbar seien, dann könne man doch wenigstens halblegale Dinge tun? Bei diesem Begriff fühlt sich der Bischof offenbar herausgefordert: „Wir tun es ja schon“, sagt er, möchte allerdings statt „halblegal“ lieber davon sprechen, dass die „Möglichkeiten des Kirchenrechts so weit wie möglich ausgeschöpft werden“. Dabei denkt der Bischof an die Beauftragung von Laien für die Gemeindeleitung, an die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, an die Beauftragung von Laien für die Taufspendung. „Wir suchen nach Lösungen“, sagt er und erinnert daran, dass er genau deshalb bittere Briefe von mehreren Seiten erhalte: von jenen, denen das zu weit geht, ebenso wie von jenen, die nicht länger auf wirksame Veränderungen warten wollen. Er wolle nicht, dass ein einzelnes Bistum in Streitfragen vorpresche. Wenigsten mit den direkten Nachbarn möchte er sich abstimmen und weiß mit Hildesheim, Hamburg und Münster gute Partner an seiner Seite.

Und dann geht’s doch ins Detail: Ob denn die Gemeinden nicht an der Auswahl ihres Pfarrers beteiligt werden könnten, will jemand wissen. In Münster zum Beispiel stellen sich oft zwei oder drei Priester der Gemeinde vor. 72 Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften gibt es im Bistum, 2008 war die Planung, in jeder dieser Einheiten einen Pfarrer einsetzen zu können. In absehbarer Zeit würden bis zu 20 Einheiten einen Laien als Gemeindeleiter haben, so die Aussicht des Bischofs. „Ich habe ja gar nicht die Leute, um eine Auswahl zu ermöglichen.“ Aber es gebe Gemeindeprofile, anhand derer ein geeigneter Pfarrer gesucht werde. Und Michael Schockmann gibt zu bedenken, dass der Priester ja theologisch gesehen das Gegenüber der Gemeinde sei. Ob da eine Bewerbung der richtige Weg ist?

„Ich verstehe die Einwände, aber es geht doch voran“

Kein Podiumsgespräch ohne Schlussrunde: Mit welchen Hoffnungen sie in die Zukunft gehen, will Susanne Haverkamp abschließend wissen. Schnell wird klar: Die Antwort ist differenziert, je nachdem welche Generation gefragt ist. Martina Kreidler-Kos, 54 Jahre alt, sieht „große Veränderungen“, wenn man mal auf die Zeit von vor zehn oder 20 Jahren zurückblicke. „Ich verstehe die Einwände, es sei immer noch zu langsam, aber es geht doch voran.“ Jugendvertreterin Sandersfeld (21) sieht das anders: „Wenn Sie von 20 Jahren reden, dann ist das bei mir das ganze bisherige Leben. Es fühlt sich einfach langsam an.“ Andererseits: In einer Region wie Ostfriesland mit geringer Katholikendichte „werden wir keine andere Wahl haben, als zu improvisieren. Man muss mit Veränderungen anfangen, sonst werden die Dinge nie legal.“

Matthias Petersen

Ein Statement zur Weltsynode der Katholikenratsvorsitzenden Katharina Abeln sehen Sie ebenso auf unserer Facebook-Seite wie eine Aussage von Andreas Eyink zum assistierten Suizid.