„Die Kirche muss sich bewegen“
Mechthild Exner-Herforth aus Walsrode ist eines der Gesichter von Maria 2.0 im Bistum Hildesheim. Die 58-Jährige setzt sich mit viel Kraft und Engagement für Veränderungen in der katholischen Kirche ein.
Ein dreiviertel Jahr ist es her, dass Mechthild Exner-Herforth zusammen mit Mitstreiterinnen aus ganz Deutschland ihr Thesenpapier an Kirchentüren im ganzen Land angebracht haben. Im Vorfeld der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz forderten sie tiefgreifende Reformen der Kirche. Vielerorts wurden die Plakate schnell wieder abgehängt, doch in St. Maria in Walsrode mitten in der norddeutschen Diaspora blieb das Thesenpapier an der Kirchentür bis heute hängen. Es ist die Heimatgemeinde von Mechthild Exner-Herforth. „Darüber freue ich mich sehr“, sagt sie. Mit den Thesen fordern die Frauen und Männer, die der Bewegung Maria 2.0 angehören, unter anderem einen Zugang von Frauen zu allen Ämtern in der Kirche, die schonungslose Aufklärung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche, eine den Menschen zugewandte Sexualmoral sowie die Aufhebung des Pflichtzölibats. „Wir wollen das System Kirche nicht stürzen, sondern aus unserem Glauben heraus von innen verändern“, erklärt Mechthild Exner-Herforth. Dies sei ihrer Überzeugung nach unabdingbar.
Für Veränderungen in der Kirche stark machen
„Damit die Kirche den Menschen weiter etwas zu sagen hat, muss sich dringend etwas tun“, ist die Walsroderin sicher. Es dürfe nicht sein, dass Machtsysteme fortgesetzt werden, die einschränken und beschränken und mitunter auch eine destruktive Kraft entwickeln. Dabei gehe es auch – aber nicht nur – um den Zugang von Frauen zu Weiheämtern. „So viele Frauen, die ich kenne, tragen den Glauben fest im Herzen, fühlen sich berufen und sind außerdem in der Lage, die Menschen zu begeistern. Und diese Frauen sollen den Priesterdienst nicht ausüben dürfen. Das kann und darf doch nicht sein!“, bringt Mechthild Exner-Herforth ihren Unmut auf den Punkt. Dass Veränderungen in der Kirche eine langfristige Aufgabe sind, ist ihr bewusst, aber die große Aufmerksamkeit, die Maria 2.0 mit ihren Aktionen erreicht und auch der synodale Weg lassen sie dennoch zuversichtlich sein. Von den deutschen Bischöfen wünscht sie sich dabei mehr Mut. Mut auch dazu, die Ergebnisse des deutschen synodalen Weges in der Weltkirche zu vertreten und sich für Veränderungen stark zu machen. „Sie müssen auch bereit sein, nötige Veränderungen eigenständig umzusetzen“, fordert die Walsroderin. „Mut zum träumen und Kraft zum kämpfen“, das sei ihr Motto, nachdem sie in der Reformbewegung handele.
Aufgewachsen ist Mechthild Exner-Herforth im Münsterland, einer tief katholisch geprägten Gegend. Der katholischen Kirche ist sie ihrer gesamten Kindheit und Jugend eng verbunden. Später kommt sie beruflich und privat nach Walsrode und bekommt nach der Geburt ihrer Tochter Kontakt zur örtlichen Gemeinde und beginnt, sich dort für junge Familien zu engagieren, ruft erst eine Krabbelgruppe und später einen Familienkreis ins Leben. Bis heute organisiert sie das jährliche Krippenspiel, ist als Lektorin, Wortgottesdienst-Leiterin und Kommunionhelferin sowie im Pfarrgemeinderat und dem Dekanatspastoralrat aktiv. „Die Kirche lebt von Engagement“, sagt sie. Für sie ist es selbstverständlich mitzumachen und zu stützen – „so soll es in einer Gemeinschaft sein.“ Auch während ihres Berufslebens – die Walsroderin war viele Jahre als Managerin in der Heimtierfuttermittel-Branche stark eingebunden – hat sie sich engagiert. „Etwas zu machen und zu bewegen, das liegt mir im Blut“, sagt sie und lacht.
In Sachen Einsatz für die Rechte der Frauen in der Kirche sei sie selbst so richtig erst 2018 während des Katholikentags in Münster wach geworden. Dort ist auch das Diakonat der Frauen Thema. Klar wird damals: Es gibt so viele Frauen, die Veränderungen wollen. Und doch bleibt Mechthild Exner-Herforth eine andere Szene im Kopf: „Die Frauen standen wie bettelnd vor dem Bischof um ihre Ideen vorzutragen“, sagt sie und ärgert sich noch immer über die Symbolik. „Wie kann das sein, dass nur Männer in der Kirche darüber entscheiden, was Frauen können und dürfen? Kirche lebt doch von Buntheit und Vielfalt und nicht vom Ausschluss.“
Ein Jahr später wird in Münster Maria 2.0 gegründet, eine Woche lang streiken die in Kirche engagierten Frauen. Als Graswurzelbewegung will Maria 2.0 einen Reformprozess anstoßen und immer wieder Impulse setzen und zum Nachdenken anregen. Mechthild Exner-Herforth ist begeistert und überrascht über die Symbolkraft, die das entfaltet. Einige Monate später fährt die Walsroderin zusammen mit einigen anderen Frauen aus dem Dekanat zur Demo nach Münster, kommt dort in Kontakt zu Gitta Matthes und Winfried Wingert, mit denen sie die Initiative Maria 2.0 im Bistum Hildesheim ins Leben gerufen hat. Zusammen mit Martina Manegold-Strobach finden sie sich zu einem tatkräftigen Team zusammen. Kurz bevor die Corona-Pandemie alles verändert, rufen sie in Hildesheim zu einer Demonstration im Vorfeld der Bischofskonferenz auf, an der mehr als 300 Menschen teilnehmen. Sie überreichen Bischof Heiner Wilmer ihre Forderungen und fühlen sich von ihm ermutigt und bestärkt.
Ein frischer Wind wird viele mitnehmen
In der Corona-Zeit verlegen sich die Treffen von Maria 2.0 ins Internet. Auch die bundesweite Vernetzung treiben die Aktiven voran. Sie mündet schließlich im öffentlichkeitswirksamen Thesenanschlag vom Frühjahr 2021. Damit landet Maria 2.0. sogar in den Tagesthemen. „Das war mehr Aufmerksamkeit, als wir uns erhofft hatten“, freut sich Mechthild Exner-Herforth noch immer.
Sie ist fest überzeugt, dass der Weg der Veränderung weitergehen muss. Der synodale Weg –auch im Bistum Hildesheim – sei ein Anfang aber noch lange nicht das Ziel. Auch wenn ihr klar ist, dass der Weg ein langer sein wird: Aufgeben ist keine Option für die Walsroderin: „Ich glaube fest an die Wandelfähigkeit unserer Kirche und an den Heiligen Geist, der uns inspiriert. Ich bin mir sicher, dass frischer Wind viele Menschen mitnehmen und neu für Kirche begeistern wird.“
Martina Albert