Onlinefachtag im Bistum Osnabrück

Die Kirche muss über Sex reden

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Wie können wir als Kirche über Sex sprechen? Nicht mit ausgrenzenden Geboten, sondern offen und lebensnah? Mit solchen Fragen befasste sich ein Onlinefachtag. Am Ende fordern viele Gäste, „dass endlich etwas passiert“.


Ein offener Umgang mit Sexualität ist wichtig. Deshalb gab es einen extra Fachtag. Foto: Dom Medien

Über 170 Frauen und Männer haben sich zu dem Fachtag „Über Sex muss man reden“ angemeldet – es ist die vierte große Diskussionsrunde, mit der das Bistum den Reformprozess des Synodalen Weges (siehe auch „Stichworte“) begleitet. Vor allem Hauptamtliche aus Gemeinden, Beratungsstellen, Jugendbüros und Verbänden sitzen vor der Kamera – auch Bischof Franz-Josef Bode schaltet sich dazu.

Das Interesse der Gäste ist spürbar groß: weil sie bei ihrer Arbeit erleben, wie weit sich Kirche bei diesem Thema von den Menschen entfernt hat. Die Leiterin des Seelsorgeamtes, Martina Kreidler-Kos, bringt es auf den Punkt: Von allen vier Foren im Synodalen Weg ist ihrer Ansicht nach das Thema Sexualität und Partnerschaft das, was die Menschen am dichtesten in ihrer Lebensrealität betrifft. „Wir befinden uns hier nicht auf irgendeiner kirchlichen Spielwiese, sondern in einer entscheidenden Zukunftsfrage der Kirche.“

Genau das spiegelt sich in den Referaten und Wortbeiträgen. Den wissenschaftlichen Unterbau liefert der Berliner Sexualwissenschaftler Klaus Beier. Er belegt, wie wichtig Sexualität für menschliche Grundbedürfnisse ist, wie vielfältig sich diese äußern kann und dass die sexuelle Orientierung unwillentlich festgelegt wird: „Das ist Schicksal und keine Wahl.“ Solche Fakten nicht anzuerkennen und Menschen deshalb auszugrenzen, empfindet er als unchristlich. 

Dass die traditionelle Sexualmoral der katholischen Kirche schon lange hinter der Lebensrealität zurückbleibt, konstatiert der Osnabrücker Moraltheologe Elmar Kos. Er fordert stattdessen eine weiter gefasste „Beziehungsethik“: die Erotik und Lust als Wert an sich anerkennt, die eine offene Sprache ermöglicht, die Menschen mit Orientierung zur Seite steht und ihnen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zugesteht. Ansätze für eine solche Beziehungsethik erkennt Kos in dem Papstschreiben „Amoris laetitia“ („Die Freude der Liebe“). Grundsätzlich schickt er eine Mahnung  in die Runde: „Das ist kein Thema für Randgruppen. Hier entscheidet sich, ob die Kirche noch als Instanz wahrgenommen wird, die bei den Menschen ist.“

Wie schwierig es in der pastoralen Praxis ist, mit Menschen über Sex zu reden, erzählen die Pastoralreferentinnen Inge Zumsande und Nina Lubberich. „Ich merke, dann werden wir sprachlos und unsicher, darin sind wir nicht sehr geübt“, sagt Zumsande. Beiden ist dabei aber wichtig, Menschen zu signalisieren: „Du bist willkommen, so wie du bist.“ Konkret regen sie zum Beispiel an, Sexualität in der Firmvorbereitung, in Predigten und der Elternarbeit mehr anzusprechen. „Wir müssen da mutiger werden.“

Der Bischof kann keine Alleingänge machen

Bischof Franz-Josef steht hinter vielen der Wortbeiträge und will das Gespräch über die „Vieldimensionalität von Sexualität“ weiter fördern. Die Frage von gelingenden Beziehungen ist für ihn ganz entscheidend: „Wenn ich eine verklemmte Weise der Beziehung lebe, habe ich auch ein verklemmtes Bild von Gott.“ Zugleich erklärt er aber auch, dass er nicht einfach Alleingänge machen kann. „Sie können sich vorstellen, dass ich manchmal nicht in der Haut des Bischofs stecken möchte, es dann aber doch muss.“ In der Frage zum Beispiel nach arbeitsrechtlichen Konsequenzen für homosexuelle Mitarbeiter verweist er auf die Grundordnung der katholischen Kirche, in die auch er eingebunden sei. Daneben lasse sich aber vieles im Einzelfall regeln. 

Erkennbar machen, dass wir gute Gedanken haben

In der Diskussion melden sich die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Wort: „Wie viel Geduld wird uns noch abverlangt, bis sich etwas verändert?“, heißt es. Auch Kreidler-Kos wünscht sich „Maßnahmen, anhand derer die Menschen erkennen, dass wir gute Gedanken haben.“ Andere Teilnehmer schlagen Fortbildungen für pastorale Teams, einen Umbruch in der Priesterausbildung und eine geschlechtergerechte Sprache auf allen Ebenen des Bistums vor. Und sie drängen auf eine pastorale Arbeit, die niemanden ausgrenzt. Also mehr Zuspruch statt Anspruch, sagt Kreidler-Kos. Mit einer Haltung, die jedem Menschen das Gefühl gibt: „Du bist gut so, wie du bist.“ Mehrere Gäste ermutigen ausdrücklich den Bischof, wegweisende Entscheidungen zu treffen. Und von den norddeutschen Bistümern Osnabrück, Hamburg und Hildesheim „dürfen die gern in die Welt gehen“.

Petra Diek-Münchow

 

Der Fachtag war der Einstieg in eine Vortragsreihe. Die nächsten Termine:

  • "Eindeutig mehrdeutig – die Vielfalt des Menschseins in seiner Sexualität": 14. Juli, 18 bis 19.30 Uhr
  • "Vulva Maria" – von Frauenkörpern, Sex und Macht": 7. September, 18 bis 19.30 Uhr

Alle Veranstaltungen finden kostenlos online statt.