Die Passion zum Kennenlernen

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Foto: Marco Heinen 

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Jesus (Yonatan Pandelaki) im „Zwiegesang“ mit Maria (Miriam Mareen Wolter).

Das Musical „Die Passion“, das mit 160 Stimmen in Itzehoe, Heide und Neumünster aufgeführt wird, erzählt die Passionsgeschichte Jesu mit Songs aus Pop und Rap und schafft so einen neuen Zugang – nicht nur für junge Leute.

„Jesus verspätet sich einen Augenblick, er hat ein technisches Problem mit seinem Auto. Pilatus kommt auch gleich. Und hat Maria schon ein Mikro?“ Zu Beginn der Probe für das Musical „Die Passion“ in der evangelischen Kirche St. Michaelis in Itzehoe-Breitenfelde ist die Stimmung gelöst und doch sehr konzentriert, obwohl sich rund 120 Menschen versammelt haben. An diesem Tag sind es noch gut zwei Wochen hin bis zur Premiere, die am 9. März in der barocken St. Laurentii-Kirche im Zentrum der Stadt stattfinden wird. Weitere Aufführungen sind im Stadttheater Heide am 16. März sowie am 23. März im Theater in der Stadthalle in Neumünster (jeweils 19 Uhr, Karten: www.die-passion-2024.de) ge­plant, wobei Neumünster bereits „restlos ausverkauft“ ist, wie die Initiatoren sagen.

Bekannte Hits von großen Künstlern

Die Initiatoren, das sind Chris­toph Merkel, katholischer Kirchenmusiker der evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Neumünster, Anne Petersen, Kirchenmusikerin für Jazz, Rock und Pop im evangelischen Kirchenkreis Dithmarschen und Stephan Reinke, Kantor für Popularmusik in Itzehoe und Beauftragter im evangelischen Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf. Wobei die Sache mit der Konfession, die spielt bei diesem Projekt eigentlich gar keine Rolle, ebenso wenig, ob jemand überhaupt kirchlich verbunden ist. Einige sind dabei, „weil sie einfach Lust auf Singen“ haben, wie Anne Petersen im Gespräch kurz vor der Probe sagt. Denn um mitzumachen, müssen die Teilnehmer nur bei Stimme sein und Lust haben, sich viele Probenabende um die Ohren zu hauen, bevor das Stück mit insgesamt rund 160 jungen wie auch älteren Teilnehmern – Chor, Musiker und Techniker – auf die Bühne kommt. Teilnehmer, das sind in diesem Fall mehrheitlich Frauen.

Die Planungen laufen noch etwas länger, doch seit September haben drei Projektchöre in den drei Städten an den 18 Songs gearbeitet, mit denen die Passionsgeschichte Jesu neu interpretiert wird. Anfang Februar fand ein erstes gemeinsames Probenwochenende in Rendsburg statt. Jetzt geht es in die heiße Phase. Ausgesucht hat die Pop- und Rap-Songs übrigens Christoph Merkel, der auch Musiklehrer an der Gemeinschaftsschule Faldera in Neumünster ist. „Das Geschenk“ von den Sportfreunden Stiller, „Mensch“ von Herbert Grönemey­er, „Geboren um zu leben“ von Unheilig oder „Für den Himmel durch die Hölle“ von Kontra K und „Liebe ist alles“ von Revolverheld bekommen im Kontext der Passionsgeschichte eine mitunter ganz neue Bedeutung. „Die Inhalte, Liebe, Verrat, Freundschaft – ich glaube, das sind Themen, die uns ja nicht nur zur Passionszeit beschäftigen, sondern auch jeden von uns in seinem eigenen Leben“, sagt Merkel. Anne Petersen ergänzt: „Ich finde es total wichtig, nicht zu sagen, das ist jetzt der Glaube, sondern etwas zu vermitteln durch Lieder – eine Hoffnung, eine Liebe, eine Zuversicht“, etwas „das mit dem Leben wächst und wächst und nie zu Ende ist.“

Muscial-Projekt als Beispiel gelebter Kirche

Christoph Merkel hat in der Schule die Erfahrung gemacht, dass die Passionsgeschichte inhaltlich wie musikalisch etwa in der Version von Johann Sebastian Bach nur noch sehr wenigen Kindern und Jugendlichen vertraut ist. Das war dann auch der Stein des Anstoßes, um die Geschichte neu zu erzählen und „um damit einen neuen Zugang zu schaffen“, so Merkel. Das niedrigschwellige Angebot sei deswegen nicht „inhaltsleer oder dünn“ und auch „kein billiger Abklatsch“. Aber, da ist sich Merkel sicher, vielleicht gelinge es, den Inhalt zu transportieren, „was uns in einem normalen Gottesdienst so leider nicht gelingt, unabhängig von der Konfession.“

„Es ist kein neuer Weg, die Passionsgeschichte zu vermitteln. Es ist im Grunde eine urklassische Tradition, die Geschichte zu dramatisieren, sie mit Musik zu verknüpfen“, meint Stephan Reinke, der bei der Probe den Gesamt-Chor der drei Chöre dirigiert, während Anne Petersen aus dem kleinen Flügel alles rausholt, was in ihm steckt. Auch wenn noch nicht alle Töne sitzen, während der Probe gibt es so manchen Gänsehautmoment.

Christoph Merkel ist nicht nur Musiker, sondern hat sich auch überreden lassen, die wenig geliebte Rolle des Judas zu spielen. Er tut es mit viel Energie und Authentizität und hat sich sehr mit der Rolle beschäftigt. „Jeder von uns, egal ob Christ oder nicht, hatte sicherlich schon mal die Situation, in der er jemanden verraten hat. Vielleicht mal mehr, vielleicht mal weniger. Vielleicht war es nur eine Notlüge, aber man wusste wahrscheinlich, es ist nicht richtig, was ich jetzt tue. Und das ist das, was mich an der Rolle so fasziniert hat“, sagt er. Judas zu verurteilen, das gelinge jedem recht gut, doch wie sieht es mit einem selbst aus? Er selbst habe sich „nach dem Biest in mir“, nach seinem „zweiten Gesicht gefragt“. „Und ich bin sehr sicher, wenn wir uns gerade machen und ehrlich sind, hat das in dunklen Momenten jeder von uns, und es ist eigentlich ein tägliches Ringen zwischen dem einen und dem anderen Gesicht.“ Und, so ergänzt der junge Musiker: „Gescheiterte Existenzen sind heute, glaube ich, genauso wie damals, immer noch verpönt. Aber eigentlich wäre es unsere Pflicht, genau denen zu helfen – und deshalb fand ich die Rolle so spannend“, sagt er.

Merkel weiß, dass so ein Vorhaben wie „Die Passion“ nicht allein Sache der wenigen Hauptdarsteller ist. „Es ist ein riesen Team, das uns jeden Tag den Rücken stärkt. Für mich ist das auch ein Stück gelebte Kirche, eben dieses Gemeinschaftsgefühl, dieses gegenseitige Helfen. So ein Projekt überhaupt auf die Beine zu stellen, ist nur im Team möglich.“

Marco Heinen