Abend mit Zisterzienserpater Justinus

Dieser Gin kommt aus der Stille

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Wie kann es sein, dass ein alkoholisches Getränk aus „Reinheit der Gedanken“ entsteht und „ehrlichen Wacholder“ beinhaltet? Zisterzienserpater Justinus stellt Dry Gin her und macht deutlich, dass es nicht etwa ein Werbegag ist.


Ein Unternehmer aus dem Kloster: Zisterzienserpater Justinus hat ein alkoholisches Getränk kreiert, um einen maroden Klosterladen auf Vordermann zu bringen. Foto: Thomas Osterfeld

Der durchschnittliche Gläubige stellt sich das Kloster immer als einen Ort der Ruhe und Besinnung vor. Einen Ort, an dem wenig gesprochen und viel gebetet wird. Wer Zisterzienserpater Justinus lauscht, kann sich kaum vorstellen, dass dieser Mann mal zur Ruhe kommt. Aufgeregt wippt er bei seinem Vortrag hin und her, steht kaum eine Sekunde still, redet ohne Pause. Dabei ist es eine Freude, ihm zuzuhören, wenn er seine Geschichte erzählt. Der 45 Jahre alte Pater hat einem Klosterladen zu neuem Leben verholfen, indem er seinen früheren Beruf – den des Betriebswirts – ernst genommen hat.

Der Reihe nach. Pater Justinus ist in Bremen in der Propsteikirche St. Johann getauft und in Frankfurt/Main aufgewachsen. Er hat studiert – erst Betriebswirtschaftslehre, später Philosophie und Theologie. Einen Betrieb hat er geführt – um dann doch ins Kloster einzutreten. Er gehört zur Abtei Heiligenkreuz in der Nähe von Wien. Sein Abt schickte ihn nach Bochum, um dort den Klosterladen auf Vordermann zu bringen.

Der Pater ging es nüchtern an: Wie kann es gelingen, neue Kunden in den Laden zu locken? Nicht nur jene, die Devotionalien kaufen, sondern solche, die mit der Kirche gar nicht viel am Hut haben. Alkohol sollte es sein. Likör? Gibt es wie Sand am Meer. Etwas Hochwertiges wollte er liefern, wofür Klöster stehen. Rum? „Schmeckt nicht gut“, sagt der Pater. Whiskey? „Muss drei Jahre lagern.“ Gin? Der Pater wiegt den Kopf hin und her. „Den kenne ich aus meiner Jugend“, erzählt er den Besuchern. Im Schnitt trinkt jeder Deutsche 0,08 Liter Gin pro Jahr, etwa zwei Schnapsgläser. Der Pater erkannte hier seinen gewünschten Wachstumsmarkt. Und er sieht die „Reinheit der Gedanken“ umgesetzt, die in der Werbung versprochen werden. Ein Produkt aus dem Kloster, um damit Kontakt aufzubauen zu Kirchenfernen – das muss doch einfach gut sein.

Gin als Mittel, um Gottes Botschaft zu erzählen

So geht es ihm auch gar nicht allein um den Gewinn. „Viele Menschen wollen mit dem Glauben nichts mehr zu tun haben, interessieren sich aber für Produkte aus Klosterläden.“ Sie verbinden damit genau die Reinheit, die der Pater mit seinem Gin anbieten möchte. Und so kommt er durch sein Produkt mit vielen Kirchenfernen ins Gespräch. „Wenn die dann mal an einer Lebenswende sind, in der sie Antworten brauchen auf Sinnfragen, wissen sie, wohin sie gehen können“, sagt er. Gin als Mittel, um Gottes Botschaft in die Welt zu tragen.

Seit einem Jahr bietet Pater Justinus jetzt Gin aus dem Kloster an, er nennt ihn „Monastic Dry Gin“. Wie kann man Gin in Stille produzieren, wie es das Etikett verheißt? Pater Justinus nimmt die Frage aus dem Publikum auf. Natürlich wird während der Arbeit auch geredet – die Stille ist im übertragenen Sinn gemeint. Er ruft den Moment in Erinnerung, als er mit dem Entwurf der Flasche abends in seiner Zelle saß. Das Etikett nimmt den Habit des Mönches bildlich auf, der Titel des Produkts stand schon fest, „aber unten auf der Flasche fehlte noch etwas“, sagt er. Und so saß er in seiner Klosterzelle, die Dunkelheit brach herein, es wurde immer stiller. Plötzlich war da in ihm dieser Gedanke, er wird ihn später bezeichnen „als den besten Werbespruch, den ich seit langem hatte“: „Made in silence“ – gemacht in der Stille.

Die Osnabrücker Dom Buchhandlung ist Handelspartner, deshalb ist der Pater hier zu Besuch. Er lässt seine Zuhörer probieren. Erst einen günstigen Gin, dessen synthetischer Alkohol im Hals kratzt. Dann sein hochwertiges Produkt, mit selbst hergestelltem Alkohol, mit echten Wacholderbeeren statt Geschmackszusätzen, was die Beeren „ehrlich“ werden lässt. „Lassen Sie ihn von links nach rechts über die Zunge gleiten“, sagt er. Die Besucher riechen, schmecken, schlucken. Keiner fragt, ob es ethisch in Ordnung ist, mit Alkohol Geld zu verdienen. Pater Justinus antwortet trotzdem: „Die Flasche gibt‘s zu 39,50 Euro, damit betrinkt man sich nicht, das wäre viel zu teuer.“

Matthias Petersen

Hier finden Sie einen Film über die Ginherstellung in Bochum: www.monasticdrygin.de