St. Ludwig in Celle

„Edle Einfalt, stille Größe“

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Zurück zu den klaren und einfachen Formen, weg von der üppigen Pracht des Barock, nichts Überflüssiges – heraus kam der Klassizismus mit seiner Nachahmung der Antike. Der Zeitgeist jener Jahre lässt sich auch den Kirchbauten ablesen. Ein idealtypisches Beispiel ist St. Ludwig in Celle.


Eine Kassettendecke und Säulen wie aus der griechischen Antike prägen den Innenraum der St.-Ludwig-Kirche in Celle.

Das elegante Gotteshaus grenzt an den Französischen Garten, eine repräsentative Parkanlage, die Herzogin Eleonore d’Olbreuse bereits Ende des 17. Jahrhunderts am Rand der Celler Altstadt anlegen ließ. Die Zentralachse läuft direkt auf die Kirche zu. Das Portal wird von zwei schlanken Türmen gerahmt, formschön und harmonisch, die hohen Turmspitzen hat man nachträglich aufgesetzt. Die St.-Ludwig-Kirche in Celle, die 1838 geweiht wurde, gilt als ein Musterbeispiel für den Klassizismus.

Dieser Baustil prägt eine Epoche, in der Aufklärung und Vernunft zum obersten Prinzip erhoben wurden. Man rückte ab von der Üppigkeit barocker Prachtentfaltung, die sich ohnehin nicht mehr toppen ließ, und wollte zurückkehren zu klaren einfachen Formen. Nichts Überflüssiges sollte hier Platz finden, es entwickelte sich eine Art Minimalismus zur Konzentration auf das Wesentliche, das klingt heute wieder sehr modern. Der geistige Begründer dieser neuen Formensprache, die sich zwischen 1770 und 1850 entwickelt hat und am Kanon der griechischen Antike orientiert, war der deutsche Gelehrte Johann Joachim Winckelmann. Sein Credo „edle Einfalt, stille Größe“ sollte die Künste nachhaltig beeinflussen.

Ein Blick in die Antike – und zugleich in die Zukunft

Dabei ging es nicht allein um die reine Nachahmung der Antike, mit der Idealisierung der griechischen Kunst und Demokratie verband der Aufklärer und Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und Kunstgeschichte auch einen Entwurf für die Zukunft. Museen, Bibliotheken und Theater wurden in jenem Stil gebaut, als Ausdruck von Bildung, Wissen und Fortschritt. Auch an den Gotteshäusern, die damals errichtet wurden, lässt sich jener Zeitgeist ablesen. Einer der führenden Baumeister war der preußische Architekt und Stadtplaner Karl Friedrich Schinkel, vermutlich stammt von ihm auch der Entwurf der Celler St.-Ludwig-Kirche. Gebaut wurde sie von seinem Schüler Anton David Spetzler, der als Stadtbaumeister in Lüneburg tätig war.
 


St. Ludwig am Rande des Französischen Gartens.

„Der Innenraum mit den aufragenden Säulen ist ebenfalls äußerst einfach gehalten. Und er wirkt daher auch sehr viel größer, als er tatsächlich ist“, sagt Pater Thomas Marx. „Man kann sich kaum vorstellen, dass hier normalerweise nur etwa 300 Menschen Platz finden.“ Der rechteckige, dreischiffige Kirchenraum wird von einem repräsentativen Tonnengewölbe umschlossen, die Kassettendecke ist charakteristisch für den Stil jener Zeit. „Wegen der Lage des Grundstücks ist der Altar nach Wes­ten ausgerichtet“, erklärt der Geistliche. „Wenn die Abendsonne durch das Fenster an der Altarwand fällt, wird das gesamte Kirchenschiff in ein goldenes Licht getaucht.“

Die Kirche wurde in den 1970er-Jahren grundlegend renoviert und in Teilen neu ausgestattet. Die Orgel wurde Ende des 20. Jahrhunderts neu gebaut, den Orgelprospekt hat man anhand von Fotografien der ersten Orgel rekonstruiert. Die farbigen Kirchenfenster in den Seitenschiffen stammen noch aus der Zeit um 1900. „Man hat den stilreinen schlichten Bau später Schritt für Schritt ergänzt“, erläutert Pater Thomas Marx aus der Gemeinschaft der Oratorianer. 1986 wurde an der Südwestseite die Peter-und-Paul-Kapelle angebaut, die vor zwei Jahren noch einmal einen neuen hellen Anstrich bekommen hat. „Wir haben hier eine Kirche mit zwei unterschiedlichen Räumen aus verschiedenen Jahrhunderten, die sich wunderbar ergänzen, unter einem Dach. Das zeigt, wie vielgestaltig Kirche heute ist und wie viele Zugänge es zum Glauben gibt.“

Missionsstation für die Diplomaten am Hofe

St. Ludwig war nach der Reformation in ihren Ursprüngen zunächst die einzige katholische Kirche in der Lüneburger Heide. Nach dem Dreißigjährigen Krieg sorgte Bischof Niels Stensen im Rahmen politischer und diplomatischer Verhandlungen dafür, dass im Herrschaftsgebiet der protestantischen Welfen eine katholische Gemeinde Fuß fassen konnte. Er errichtete in Celle eine Missionsstation. Zunächst trafen sich die Gläubigen, die am welfischen Hof tätig waren, in den Häusern der Diplomaten oder in Privathäusern. Später wurde der Gemeinde ein Grundstück vermacht. In der alten Residenzstadt lebten damals Menschen mit unterschiedlichen Konfessionen, neben den Lutheranern und Katholiken fanden hier auch Reformierte und die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten eine Heimat.

In Celle und Umgebung gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts um die 900 Katholiken. Stenses Nachfolger, der schillernde Diplomat und Komponist Agostino Steffani, der auch den Bau der St.-Clemens-Kirche in Hannover auf den Weg brachte, hatte sich bereits dafür eingesetzt, dass in Celle 1711 die Peter-undPaul-Kapelle gebaut wurde, der Vorgängerbau von St. Ludwig. Doch dann sollte es noch länger als ein Jahrhundert dauern, bis die Kirche St. Ludwig errichtet werden konnte. Zu den Finanziers gehörte auch König Ludwig I. von Bayern, nach dessen Namenspatron, dem heiliggesprochenen König Ludwig IX. von Frankreich, wurde schließlich auch das neue Gotteshaus in Celle benannt.

Ein zurückhaltender Bau, dessen nobles Understatement die Menschen bis heute berührt. Viele Brautpaare wünschen sich St. Ludwig als Hochzeitskirche. Das klassizistische Gotteshaus mit seiner malerischen Lage am Park gehört in Celle zu den Anziehungspunkten für Glaubens- und Architekturpilger.

Die Kirche ist verlässlich geöffnet. Informationen unter st-ludwig-celle.de.

Karin Dzionara
 

Stilelemente

Daran erkennen Sie eine Kirche im Stil des Klassizismus:

  • Symmetrische Formen
  • Kassettendecken
  • Säulen nach dem Vorbild der Antike