Zwölf Monate Sprachen studieren

Ein Jahr im Seminar – Ende offen

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Ein neues Angebot für junge Menschen lässt die Perspektive bewusst offen. Zwölf Monate lang können sie im Haus des Priesterseminars in Münster Sprachen studieren, ohne sich auf einen weiteren theologischen Weg festzulegen. Das Angebot richtet sich an Frauen wie an Männer.


Orientierung im Priesterseminar: Markus Petersen (l.),
Hendrik Roos und Florian Knappheide holen sich das
Rüstzeug für ihr weiteres Leben. | Fotos (2): Michael Bönte

Ist das jetzt ein Priesterseminar auf Probe? Bei der Frage müssen sie alle schmunzeln. „Das Priesterleben ist für mich derzeit keine Option“, sagt Hendrik Roos. „Ich habe erst einmal nur ein grundsätzliches Interesse daran“, sagt Florian Knappheide. Und Markus Petersen will zunächst „geistliche Grundlagen und theologisches Grundwissen“ finden, bevor er sich für weitere Schritte entscheidet. Alle drei haben im vergangenen Sommer ihr Abitur gemacht und sind für zwölf Monate ins Collegium Borromaeum in Münster gezogen. Sie sind drei von insgesamt fünf Teilnehmern am Sprachenjahr, das im münsterschen Priesterseminar untergebracht ist.
„Wir wollen hier keine neuen Priester rekrutieren“

Das Sprachenjahr wird zum ersten Mal angeboten. Und es wird bewusst mit einer solchen Offenheit für die Perspektiven der jungen Menschen gestaltet. „Wir wollen hier keine neuen Priester rekrutieren“, sagt Ruth Kubina. Sie ist als Theologische Referentin für das Sprachenjahr zuständig. „Das ginge auch gar nicht, denn der Wunsch dazu kann nicht von außen erzeugt werden.“ In den zwölf Monaten soll in ihren Augen vielmehr ein Rahmen entstehen, in dem eigene Vorstellungen und Ziele im Glauben erfahrbar werden. Auch für junge Frauen könnte das so sein, denn das Angebot richtet sich ausdrücklich auch an sie.

Für die Teilnehmer stehen in erster Linie die Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch auf dem Lehrplan. Inhalte, die sie für viele spätere Studiengänge gut gebrauchen können. Für einen natürlich besonders. „Das Interesse für Theologie ist bei allen vorhanden“, sagt Kubina. Aber selbst das ist keine Voraussetzung. Und wenn jemand am Ende merke, dass auch diese Wissenschaft nichts für ihn ist, habe er die Zeit trotzdem nicht nutzlos investiert. Viele Angebote des Jahres gehen über die Sprache und theologische Inhalte hinaus, etwa Sozialpraktika, Berufsorientierung oder Kirchengeschichte.

Das hört sich nach einer schönen Rundumversorgung an. Für 400 Euro im Monat gibt es Kost und Logis im Stadtzentrum von Münster, eine zweiwöchige Fahrt ins Heilige Land und viel Unterstützung beim Lernen. Nicht schlecht für den Einstieg in das studentische Leben. Auch bei diesem Vorurteil grinsen die Teilnehmer. „Das ist kein laues Leben hier“, sagt Florian Knappheide. Drei Sprachen, 24 Wochenstunden, individuelles Lernen und der Rhythmus des Seminars mit Essens- und Gebetszeiten sind nicht ohne. Zudem kommt das Sprachenjahr auch nicht ganz ohne Druck daher: An den Semesterenden warten die Sprachprüfungen – auch, um die offiziellen Anerkennungen für die Hochschule zu bekommen. „Freizeit und den Weg zu Angeboten außerhalb des Hauses müssen wir uns bewusst freihalten und suchen“, sagt Knappheide.
 


„Der Wunsch, Priester zu werden, kann nicht von
außen erzeugt werden“: Die Theologin Ruth Kubina
begleitet das Sprachenjahr in Münster.

Kein laues Leben, aber ein bereicherndes – das sagen die drei Studierenden. „Wir alle sind hier mit einer gemeinsamen religiösen Grundhaltung“, sagt Markus Petersen. „Das strahlt auf das Gemeinschaftsgefühl aus.“ Nicht nur auf ihre kleine WG unter dem Dach des Seminars, sondern auch auf die Atmosphäre bei den Theologiestudenten und angehenden Priestern im ganzen Haus. „Wir alle wollen ja für Glaube und Kirche etwas bewirken“, sagt Hendrik Roos. „Nur die konkreten Vorstellungen dafür unterscheiden sich.“

Für Ruth Kubina ist das der Kern des neuen Angebots. „Sie kommen, um zu erleben, wie andere Menschen Glauben leben, um sich darüber auszutauschen und ihren eigenen Weg zu finden.“ Was keine einseitige Sache ist. „Das bringt auch einen großen Input für alle anderen hier.“ Für die fünf Sprachen-Studierenden schaffe es vor allem Klarheit, wohin ihr Weg künftig gehen soll. Und wie sie schon sagte: „Es wäre keine Enttäuschung, wenn alle einen anderen Weg wählen würden als die Priesterausbildung.“ Weil eine solche Klärung für alle ein großer, wichtiger Schritt sei.

Seit September sind sie zusammen, seit dem neuen Jahr können sie konkreter werden, wenn sie es wollen. Dann können die Teilnehmer neben den Sprachen und anderen Inhalten auch den „Einführungskurs Priesterausbildung“ wählen. Damit würden sie näher an die Idee heranrücken, den Weg zur Weihe einzuschlagen. Florian Knappheide und Markus Petersen können sich das durchaus vorstellen. Hendrik Roos dagegen hat andere Pläne: „Vielleicht werde ich Pastoralreferent, vielleicht gehe ich in die Bildungsarbeit.“ Auch für diese Wege hätte ihm dieses Jahr dann viel gebracht, sagt er. „Ich habe dann nicht nur Sprachen gelernt, sondern auch geistliches Leben erfahren, andere Ideen und Perspektiven für meinen Glaubensweg  gesammelt.“ Und damit Klarheit für weitere Entscheidungen in der Zukunft bekommen.

Michael Bönte

 

Orientierung für Jugendliche und junge Erwachsene

Auch im Bistum Hildesheim gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich nach dem Schulabschluss Zeit zu nehmen und zu schauen, wie und wo der Weg weitergeht, sagt Diözesanjugendseelsorger Andreas Braun.

 


Diözesanjugendseelsorger
Andreas Braun. | Foto: Deppe

Was genau bietet das Bistum Hildesheim an?

Da sind sicherlich zuerst die Freiwilligendienste zu nennen, die bei uns von verschiedenen Stellen angeboten werden. Das sind das Referat Weltkirche, über das ein Jahr im Ausland – vor allem in Bolivien – möglich ist, wo junge Leute in sozialen, kirchlichen Einrichtungen mitarbeiten. Dann ist da noch die Junge Caritas zu nennen. Über sie kann man ein freiwilliges Jahr unter anderem in kirchlichen Einrichtungen bei uns im Bistum sowie beim BDKJ und seinen Mitgliedsverbänden auf Bistums- und Dekanatsebene absolvieren. Dies sind gute Möglichkeiten, zu schauen,wo der eigene Weg lang gehen könnte.

Gibt es auch so etwas wie geistliche Wohngemeinschaften?

Da sind wir im Bistum Hildesheim so gar ein bisschen Vorreiter gewesen mit dem Soul-Side-House in Hannover-Linden, einer Wohngemeinschaft von jungen Menschen zwischen Schule, Studium oder Ausbildung. Alle die hier für ein Jahr wohnen, absolvieren ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder den Bundesfreiwilligendienst (BFD) in einer sozialen Einrichtung oder einem Projekt. In der WG können sie ihre Alltagserfahrungen austauschen und auch spirituelle Erfahrungen sammeln. Ähnliche Möglichkeiten gibt es auch in den Katholischen Studentenwohnheimen in Hildesheim, Hannover, Göttingen und Braunschweig. Die Möglichkeit, den Alltag zusammen zu gestalten haben auch die Freiwilligendienstler und Auszubildenden in der Diözesanjugendbildungsstätte Haus Wohldenberg.

Wie steht es mit Orientierungshilfen im Bereich der Berufungspastoral?

Da gibt es ganz klare Ansprechpartner: zum einen den Regens Dr. Martin Marahrens für die, die sich auf den Weg zum Priesteramt machen wollen, zum anderen Dr. Annette Stechmann für die Pastoralasistentinnen und-assistenten sowie Patricia Hinz für die Gemeindeassistentinnen und -assistenten. Und unser Bischof Heiner will sich besonders des Bereiches Berufungspastoral verstärkt annehmen. Ich glaube, dass sich hier einiges tun wird. Es wird mit Sicheheit spannend.

Interview: Edmund Deppe

 

Freiwilligendienste:
www.bistum-hildesheim.de/seelsorge/berufe-in-der-kirche/freiwilligendienst/

SOUL SIDE HOUSE
c/o kath Kirchengemeinde St. Godehard
Posthornstraße 22
30449 Hannover
info@st-godehard-hannover.de


Diözesanstelle Berufungspastoral:
berufungspastoral@bistum-hildesheim.de

Priesterausbildung:
Regens Dr. Martin Marahrens
Bischöfliches Priesterseminar
martin.marahrens@bistum-hildesheim.de

Ausbildung zur Pastoralreferentin/zum Pastoralreferenten:
Dr. Annette Stechmann
martin.marahrens@bistum-hildesheim.dee

Ausbildung zur Gemeindereferentin/zum Gemeindereferenten
Patricia Hinz
patricia.hinz@bistum-hildesheim.de

Ausbildung zur Kirchenmusikerin/zum Kirchenmusiker
Thomas Viezens
Dommusikdirektor am Hohen Dom zu Hildesheim
Kirchenmusikreferent der Diözese Hildesheim
thomas.viezens@bistum-hildesheim.de