Ein Zuhause in der Fremde

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Die Schleswiger Gemeinde St. Ansgar hat mit viel Engagement und wenig Geld die Räume eines früheren Schwesternkonvents auf Vordermann gebracht, um dort eine kleine Familie aus der Ukraine unterzubringen.

Flüchtlings-Familie Kudin, Gemeinde­referent Georg Hillenkamp und Pfarrer Wolfgang Johannsen bei der Segnungsfeier
Ein neues Zuhause im ehemaligen Schwesternheim (v.li.): Familie Kudin, Gemeinde­referent Georg Hillenkamp und Pfarrer Wolfgang Johannsen bei der Segnungsfeier.  Foto: Armin Teschner

Endlich wieder Leben im Haus! Seit drei Thuiner Schwestern 2018 als letzte den Konvent an der Kirche St. Ansgar in Schleswig verließen, wurde das Schwes­ternhaus nur noch sporadisch genutzt, um Menschen vorübergehend Unterkunft zu gewähren, die keine reguläre Bleibe finden konnten. Angesichts der offenen Fragen, die mit der Immobilienreform des Erzbistums verbunden sind, stand das Gebäude zwischen Pfarrhaus, Gemeindehaus und Kirche zuletzt sogar vollständig leer. Doch nun wohnt dort bis auf Weiteres die orthodox-christliche Familie Kudin aus Kiew. 

Vielleicht kommen noch Verwandte nach

Am vergangenen Sonntag wurde das Gebäude von Pfarrer Wolfgang Johannsen nach dem Gottesdienst im Beisein einiger Gemeindemitglieder gesegnet. Während Mutter Yulia und Sohn Timofii schon einige Tage zuvor Quartier bezogen hatten, musste Vater Andriy, der wegen einer Erkrankung als nicht kriegstauglich eingestuft worden war, sich erst noch um Papiere für seine Ausreise aus der Ukraine bemühen. Als er nun endlich in Schleswig ankam, hatte er auch Kaninchen Tyson mit dabei – sehr zur Freude des 13-jährigen Timofii.

„Vor vier Wochen kam die allererste Idee auf, ob man hier nicht jemanden unterbringen kann“, erzählt Armin Teschner, langjähriges Mitglied im Kirchenvorstand. Das Gebäude, in dem bis zu fünfeinhalb Zimmer – darunter ein großer Aufenthaltsraum – genutzt werden könnten, sei noch „in relativ gutem Zustand“, berichtet er telefonisch. Für eine längerfristige Nutzung müsse sicherlich einiges gemacht werden, doch erst einmal könnten dort sechs bis sieben Personen wohnen, schätzt Teschner. Möglicherweise kämen in nächster Zeit weitere Verwandte der Familie, die hier nun erst einmal zur Ruhe kommen könne. 

Gemeindereferent Georg Hillenkamp, der inzwischen zum Flüchtlingskoordinator der Schleswiger Gemeinde bestimmt wurde, hatte den Anstoß gegeben. Als dann die von der Stadt zugewiesenen Flüchtlinge nicht kamen, ging er auf Familie Teschner zu. Er wusste von den familiären Beziehungen der Familie, weil der Sohn der Teschners mit einer in Deutschland lebenden Ukrainerin liiert ist. Letztlich kam über sie und ein paar Umwege dann auch der Kontakt zur Familie Kudin zustande.

Kirchenvorstand, Gemeinderat und die Konferenz der Hauptamtlichen in der Pfarrei St. Ansgar waren sich einig, die Hilfe auf den Weg zu bringen. „Wenn Menschen auf der Flucht sind und auf der Straße stehen, haben wir die Verpflichtung, für die Leute – so gut wir es können – auch etwas zu tun. Dem haben wir versucht nachzukommen“, stellt Pfarrer Wolfgang Johannsen im Telefonat ganz nüchtern fest und verweist auf die Caritas als eine der drei Grundsäulen christlichen Gemeindelebens. „In Schleswig ging es ruckzuck, weil auch die Not offensichtlich groß war, die Leute unterzubringen“, ergänzt er. Die Hilfsbereitschaft sei groß, vielleicht sogar „noch einmal eine Stufe mehr“ als bei der Flüchtlingskrise 2015. „Wer kann, ist da und versucht zu helfen“, so Johannsen. In der Gemeinde Rendsburg gebe es beispielsweise inzwischen auch ein Flüchtlings-Café für die Neuankömmlinge.

Ehrenamtliche haben sich ins Zeug gelegt

Dass Familie Kudin nun in Schleswig eine sichere Bleibe gefunden hat, daran sind maßgeblich viele Ehrenamtliche der Gemeinde beteiligt, die geholfen und gespendet haben. So wie zum Beispiel ­
das Ehepaar Niemann. Während Norma Niemann im Gemeindeteam von Schleswig und Kropp aktiv ist, gehört ihr Mann Manfred dem Pfarrpastoralrat an. Und als jetzt Engagement gefragt war, haben sie mit angepackt. „Wenn jemand Hilfe braucht, dann helfen wir. Da wird nicht lange überlegt; das wird dann gemacht“, so Norma Niemann. Als sie per Whatsapp nach Matratzen und einer Kaffeemaschine fahndete, ging es ganz schnell und schwupp, meldeten sich Spender. „Mein Mann hat dann noch die Rauchmelder ausgetauscht, einen Wasserhahn repariert und die Lampen wieder in Ordnung gebracht“, erzählt sie. Auch Yulia Kudin und ihr Sohn packten selbst ordentlich mit an, um alles sauber und wohnlich zu machen, damit Vater Andriy, Timofii und Karnickel Thyson sich in der Fremde zu Hause fühlen können.

Text: Marco Heinen