100. Geburtstag von Papst Johannes Paul II.
„Er hat immer zu uns gestanden“
Sie verehren „ihren“ Papst aus tiefstem Herzen. In den polnischen Missionen des Bistums ist der 100. Geburtstag von Johannes Paul II. ein besonderer Tag. Viele Gläubige haben ganz persönliche Erinnerungen an ihn.
Ein Tag hat einen besonderen Platz im Herzen von Pastor Jan Pawlik: Es ist der 10. Februar 1984. Der junge Priester feiert an diesem Tag seinen 30. Geburtstag. Doch es ist nicht der runde Geburtstag, der das Datum bis heute unvergesslich macht: Es ist eine Begegnung mit Papst Johannes Paul II.
Pawlik ist im Februar 1984 zu Besuch bei einem Kollegen, der in Rom studiert. Da dieser um den Geburtstag weiß, fragt er an päpstlicher Stelle nach einem Treffen an und findet Gehör. Jan Pawlik darf an seinem Geburtstag, da Papst Johannes Paul II an diesem Morgen keine Delegation zu Gast hat, mit dem Papst am frühen Morgen in dessen Privatkapelle die Liturgie feiern. Es ist nicht nur die Konzelebration, die Pawlik, der seit April 1992 die polnische Mission in Bremerhaven leitet, in Erinnerung bleibt.
„Seine ganze Person war tief in Gott“
Es ist der Papst selbst, der einen tiefen Eindruck bei dem Priester hinterlässt. „Sein Gebet hatte so eine unglaubliche Tiefe und seine ganze Person war so tief in Gott – das hat mich sprachlos gemacht“, erinnert sich der Pastor noch mehr als 35 Jahre später an den Tag.
Einige Jahre später begegnet Jan Pawlik dem Papst noch einmal bei einem Besuch in Polen und einem gemeinsamen Essen. „Er sah mich und sagte: Du warst doch bei mir in Rom“, erinnert sich Pawlik mit Freude daran, dass Johannes Paul II. ihn wiedererkannte.
Doch es sind nicht nur diese zwei Begegnungen, die bis heute die Erinnerung an den Papst wachhalten, wie er betont. Zum einen habe der Papst der katholischen Kirche viel Gutes hinterlassen und sei ein wichtiger Glaubenszeuge. Zum anderen habe er als Landsmann auch gerade für die Polen eine ganz besondere Bedeutung. „Er hat zu uns gestanden in den schwierigen kommunistischen Zeiten“, sagt Pawlik.
Und so würde es in der polnischen Mission in Bremerhaven auch an diesem 18. Mai anlässlich des 100. Geburtstages des ehemaligen Papstes eine Gedenkfeier geben, wäre nicht die Corona-Krise dazwischen gekommen. „So wird ein Gedenken und ein Gebet bei vielen Menschen privat stattfinden“, so der 66-Jährige. All die Jahre haben die 9500 Gläubigen, die der polnischen Mission Bremerhaven mit den weiteren Standorten Bremen-Nord, Cuxhaven und Stade angehören, dem langjährigen Papst im Gebet gedacht. Vor einigen Jahren organisierte die Polnische Mission, dass eine Wanderausstellung mit dem Titel „Pontifex-Brückenbauer“ in der St. Marien-Kirche in Bremerhaven Station machte. „Viele, viele Menschen kamen und haben die Ausstellung besucht“, erinnert sich der Pastor noch gern. Bis heute ist der frühere Papst für die Mitglieder seiner Gemeinde noch immer präsent.
So seien sowohl zum Begräbnis des Papstes als auch zu seiner Selig- und Heiligsprechung Gruppen seiner Gemeinde gereist. „Das war allen ein Herzensanliegen“, sagt Jan Pawlik. „Johannes Paul II. hat einfach in seinem Glauben und in seinem Leben überzeugt und viele Spuren hinterlassen – auch in unseren Herzen“
Pfarrer Tadeusz Kluba (64) zeigt Kirche und Pfarrgebäude. Die Kirche Maria Frieden in Hannovers Norden ist Sitz der Polnischen Mission. Überall zu sehen sind Zeugnisse des vor 15 Jahren verstorbenen polnischen Papstes. In der Kirche lächelt sein Porträtbild. Hinter einer Glasabdeckung hängt sogar eine weiße Original-Soutane von Johannes Paul II. Der Griff des Messkelches, für den die Gemeindemitglieder aus ihrem Privatbesitz Ringe und Ketten aus Gold und Silber gespendet haben, stellt drei polnische Heilige dar: die Mystikerin Schwester Faustyna, den Märtyrer Maximilian Kolbe und Papst Johannes Paul II. Vor dem Hauptportal der Kirche steht ein Bronzedenkmal des Papstes, davor Lichter und Vasen mit frischen Blumen. „Da stehen immer welche. Das machen Gemeindemitglieder aus spontaner Dankbarkeit. Viele beten auch vor der Statue“, sagt Kluba.
Am 17. Mai kann er endlich wieder zusammen mit Gläubigen eine Messe feiern. Mit seinem Smartphone spielt der Pfarrer eine Video-Nachricht ab. Sopranistin Dorota Szczepanska vom Hannoverschen Opernhaus hat ihm eine Zusammenfassung der Proben für diese Feier geschickt. Mit dabei: Monika Walerowicz (Mezzosopranistin des Opernhauses), der Tenor Michał Prószynski (Staatstheater Braunschweig), der Baritonist Jan Bukowski (Student). Sie werden begleitet durch den Organisten Tadeusz Słowiak und den Geiger Mateusz Patera.
Alle freuen sich – aber Platz ist nur für wenige
„Die Gemeindemitglieder freuen sich so sehr auf die Sonntagsmesse zum 100. Geburtstag Johannes Paul II. Aber die meisten muss ich enttäuschen“, sagt Kluba. Die Sitz- und Stehplätze sind durch die Corona-Epidemie wegen des Sicherheitsabstandes sehr knapp. In Kirche und Kapelle passen zusammen nur 80 Personen. Vor der Kirche könnten dann noch einmal 80 Menschen den Gottesdienst über Lautsprecher verfolgen – aber was ist das schon? „In einer normalen Sonntagsmesse habe ich um die 1300 Teilnehmer“, sagt Kluba.
Viele haben persönliche Erfahrungen mit Johannes Paul II. Für Pfarrer Kluba ist es die Messe, die er am 13. Oktober 2002 zusammen mit dem Papst in dessen Privatkapelle feierte, und der Segen für die Polnische Mission in Hannover: „Er war zwar alt. Aber aus seinen Augen strahlte jugendliche Kraft. Und die übertrug sich.“
Lehrerin Beata Nerlich (54) aus Hildesheim erinnert sich an die Feier ihres 15. Geburtstages am 13. Mai 1981 im heimatlichen Schweidnitz (Schlesien). Plötzlich kam ihre Mutter ins Zimmer und sagte: „Eilmeldung im Radio. Der Papst ist durch Schüsse schwer verletzt worden.“ Beata Nerlich: „Die Fröhlichkeit war vorbei und wir haben für die Rettung seines Lebens gebetet.“ Studentin Joanna Brzezinska (22) betet mit ihrem Verlobten Kevin Hamrol (23) täglich zum Heiligen Johannes Paul II. Sie sagt: „Ihm verdanken wir die Weltjugendtage. Mit meiner Schwester Patrycja (20) war ich in Krakau und Panama-Stadt.“ Die beiden Schwestern singen im Chor „amantes amentes“ der Polnischen Mission. Joanna Brzezinska sagt: „Wir versammeln uns oft vor der Papststatue. Dort beten wir und singen seine beiden Lieblingslieder „Barka“ und „Abba Ojcze“. Für polnische Familien gehört Johannes Paul II. zu den wichtigsten Heiligen überhaupt.“
„Jede Begegnung mit ihm war ein besonderes Erlebnis“
„Für unsere Gemeinde und unser Volk ist Papst Johannes Paul II. sehr wichtig, die Gemeindemitglieder sind sehr verbunden mit dem Heiligen“, sagt Pater Henryk Wieczorek. Er ist Pfarrer der Polnischen Katholischen Mission in Braunschweig. Erlebt hat der Geistliche den Papst erstmals 1983 in Polen bei einer Messe mit über einer Million Gläubigen in Breslau. Der damals 19-jährige Schüler war sofort von Johannes Paul II. begeistert. Begegnungen in Deutschland und Rom folgten. „Jede Begegnung war ein großes Erlebnis.“ Besonders fasziniert den Pfarrer, dass Johannes Paul II. immer Zeit für das Gebet hatte, gerade auch auf seinen zahlreichen Reisen. „Beten hat Macht, man konnte sehen, dass der Papst daran glaubt.“
Martina Albert/Tillo Nestmann/Sabine Moser